Anti-Flag – A Document of Dissent 1993-2013
Die politisch motivierten Punkrocker Anti Flag werden nach eigenem Ermessen 20, feiern die Feste wie sie fallen und warten deswegen mit ihrer ersten Werkschau (strategisch geschickt ins Sommerloch platzend) auch nicht erst auf die obligatorische Best-of-Saison rund um Weihnachten. Eine runde Sache.
Auch gestandene Anti-Kapitalisten kommen offenbar nicht um die unvermeidliche Best of-Compilation herum – zum nicht ganz runden Geburtstag (samt Auszeit existiert die Band tatsächlich seit 1988, die erste Veröffentlichung fällt zumindest auf 1995) mit über zwei Jahrzehnten Kritik an sozialen Missständen und weltpolitischen Verfehlungen im Gepäck darf das allerdings durchaus erlaubt sein. Außerdem ein schöner Zug: Anti-Flag verkneifen sich den längst zum Usus gewordenen Zug zum Fan-Portemonnaie indem sie nicht den einen oder andere neuen oder bisher unbekannten [soll zumeist ohnedies heißen: verzichtbaren] Song aus der hintersten Mottenkiste holen, sondern servieren auf ‚A Document of Dissent 1993-2013‚ über knapp 80 Minuten und ausladende 26 Songs rein sachlich ausnahmslos Material der neun bisherigen Studioalben: jedwede B-Seiten, Compilationbeiträge oder sonstige Raritäten wurden vollends ausgespart. Wer die bisherigen Platten der Band besitzt – Hardcore-Komplettisten und all jene, die die Linernotes der nett aufbereiteten Songsammlung ihr Eigen nennen wollen vielleicht ausgenommen – wird also nicht genötigt sich ‚A Document of Dissent 1993-2013‚ auch noch ins Regal ins Regal zu holen. Viel eher stellt die Compilation einen idealen Einsteigspunkt für Neuankömmlinge dar – die Quintessenz dessen, was Anti-Flag seit jeher ausmacht und antreibt wird effektiv auf den Punkt gebracht.
Über die Auswahl der Songs ließe sich natürlich diskutieren – subjektiv hätte die Hochphase der Band rund um ‚Underground Network‚, dem von Tom Morello polierten Durchbruchswerk ‚The Terror State‚ sowie dem ausbalancierten ‚For Blood and Empire‚ durchaus noch mehr Beachtung finden können. Geschenkt: beinahe alle Hits und Hymnen (und davon haben Anti-Flag so einige) wie ‚Die for the Government‚ oder ‚Turncoat‚ sind ohne gravierende Abnutzungserscheinungenvorhanden, dazu beweist man abseits einiger übergangener Singles mit Favoriten wie ‚This Machine Kills Fascists‚ oder ‚Broken Bones‚ ein sicheres Händchen beim selektieren.
Dank der chronologischen Anordnung der Tracks sowie dem sauber aufgewerteten Remaster von Mass Giorgini lässt sich die Entwicklung der Band von der rauheren Frühphase über die immer weiter gesteigerte Massentauglichkeit auch soundtechnisch so nahtlos wie extrem kurzweilig nachvollziehen. Die schwächelnderen letzten Jahre bis zum 2012er Werk ‚The General Strike‚ werden geschickt abgehandelt, indem vor allem die Brecher als vertreter herangezogen werden. ‚A Document of Dissent 1993-2013‚ gelingt somit notfalls auch der Spagat: Anti-Flag-Neulinge sollte der rasante Reigen mit all seinen Mitsing-Ohrwürmern genug anfixen um auch postwendend zur einen oder anderen Studioplatte greifen zu wollen/sollen (weil eben: alle Highlights der Bandgeschichte finden hier keinen Platz, auch wenn die Kombo aus Pittsburgh immer schon deutlicher eine am Song- als am Album ausgerichtete Band war), während Langzeitanhänger hierdurch mal wieder daran erinnert werden die Discography von Justin Sane & Co. wieder einmal in aller Ausführlichkeit aus dem Plattenschrank zu holen. So oder so gilt außerdem: ‚A Document of Dissent 1993-2013‘ erledigt seine Aufgabe vorbildlich, den nötigen Motivationsanreiz zu liefern die dazugehörige Jubiläumstour von Anti-Flag zu besuchen.
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