Anthony Green – Boom. Done.
Der Titel seiner Allstar-EP Let’s Start a Band erweist sich rückblickend gewissermaßen zwar schon als prophetisch – dennoch veröffentlicht Circa Survive- und Saosin-Zauberstimme Anthony Green Boom. Done. nun offiziell als Soloalbum.
Dass dies trotz einiger Überlegung in die andere Richtung nun doch so passiert ist, macht einerseits schon irgendwo Sinn: Green arbeitet seine psychischen Probleme, Sucht-Rückfälle und alles, was ihm sonst auf der Seele liegt, mit unverklausulierten Texten auf, listet phasenweise fast akribisch die Dinge auf, die er nicht mehr in seinem Leben haben will – und prägt Boom. Done. abseits der inhaltlichen Ebene natürlich auch mit seiner unvergleichlichen Stimme absolut eindeutig.
Andererseits sind die zehn aufgefahrenen Songs eben dezidiert ein Gruppen-Projekt, das sich auch verschiedenen Quellen speist: Mit den Good Old War-Pausierern Keith Goodwin und Tim Arnold hat Green hier defacto eine vollwertige neue Band gegründet, die ihren Sound mit zahlreichen Bläsern und Synthies verziert in einen traumwandelnden Pop hinein speist, der zudem die kammermusikalische Euphorie von Arcade Fire übernimmt, und Songwriting-Ideen implementiert, die ursprünglich von Adam Dabs oder Sonny Moore stammen.
So weit die Wurzeln der Platte letztendlich jedoch auch wuchern mögen, so treiben sie als Ganzes doch in einem kohärenten Gewächs aus, das vor allem in seinen ruhigen Passagen zu überzeugen weiß.
So It Goes gibt als melancholische Klavierballade mit seinem schwelgenden androgynen Gesang, den ätherischen Arrangements samt sanften Chören und einem warmen Sound, der zurückhalten in einer elegischen Nostalgie bleibt, die ästhetische Ausrichtung vor – und auch die stimmlich zupacken könnende, nahezu keifende Kraft, mit der Green in der Schlußphase die Intensität nach oben schraubt. (Das offenbar rückwirkend aus der Tracklist entfernte?) 2022 legt sich schöngeistig in seine pendelnde Gitarren-Atmosphäre, erscheint zurückhaltend und reduziert, derweil das tröstende Fucks Me Up hoffnungsvoll aufblüht. No Other Choice ist tropikal balsamierender Pedal Steel-Eskapismus und gezupfter Wehmut, dessen Sehnsucht behaglich an Fahrt aufnimmt und bescheiden bleibend so liebenswert mit geschlossenen Augen drehend jubiliert. Noch feiner ist nur das Herzstück Maybe This Will Be the One, das kontemplativ plätschernd den Dreampop in Zeitlupe an ein beinahe doomjazziges Lounge-Flair heranführt. Vor allem bekommt die Nummer aber den nötigen Raum und Gewicht, um seine Präsenz über die Stimmung vollends zu entfalten – wo einige andere Songs hingegen einfach zu beiläufig wirken.
In I Don’t Want to Die Tonight geben sich die Gitarren flott und beschwingt, süffige Bläser schwadronieren und die Rhytmussektion poltert elegant treibend zu einer lockeren Ausgelassenheit und leichtfüßigen Aufbruchstimmung, die die Zügel trotzdem auch immer wieder enger zieht. Auch Center of it All, ein charmantes Kleinod im perlenden Schlafwagen, bekommt durch seine munteren Drums und Trompeten eine gewisse Vehemenz, derweil Pleasure of the Feast die lockere Revue aus der Hüfte holt.
Nur die rockigere Ausreißer – Don’t Dance verhebt sich an einem enervierend harmlosen, schwachbrüstig krachenden Indie in Schüben und ausschmückender Opulenz; Trading Doses passt ein zahnlosen Riff an die poppigen Stimmung der Platte an, was stimmig ist, wenn sich die Nummer ganz ihrem wattierten Vibe hingibt, letztendlich aber zu zwanglos, unausgegoren und schlichtweg langweilig weder Fleisch noch Fisch sein will – lassen dabei qualitativ nach (was angesichts der kurzen Spielzeit der Platte von knapp einer halben Stunde auch ins Gewicht fällt), wiewohl Boom. Done. als Ganzes ohnedies zu nebensächlich funktioniert. Ohne tatsächliche Ecken und Kanten (also vielleicht auch: ohne wirkliche kreative Reibungspunkte für den alleinigen Bandkopf Green?) verblassen die Reize bereits nach kurzer Zeit und machen das Werk trotz seiner inhaltlichen Ebene zur angenehmen Easy Listening-Berieselung.
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