Animal Collective – Bridge to Quiet
Nach der wohl nicht nur enttäuschendsten, sondern doch auch klar schwächsten Dekade ihrer Karriere ruft sich das Animal Collective zu Beginn des neuen Jahrzehnts alte Stärken in Erinnerung: Bridge to Quiet ist die beste Veröffentlichung der Gang seit mindestens Centipede Hz.
Das seit damals ständig ausgedehnte Interesse des Animal Collective am bisweilen enervierend verlaufenden Ambient hält dafür auf den versammelten 35 Minuten gar nicht unbedingt eine Maßregelung. Doch funktioniert dieser vielleicht ohnedies unumkehrbare Weg der Evolution hier deutlich überzeugender, weil Bridge to Quiet Vorzüge von exzellenten Veröffentlichungen wie Fall be Kind, Water Curses oder sogar dem grandiosen Strawberry Jam assoziiert, seinen ästhetisch fließenden Nährboden so markant mit dem Gespür für den Pop und eine immanente Griffigkeit unterspült und ausfüllt, wie das wohl seit Merriwheater Post Pavillon nicht mehr im Interesse der Band lag.
Gleich Rain in Cups macht dies überdeutlich, wenn der Opener zwar als sedative Klanginstallation beginnt, der bald einsetzende Gesang aber jedwede kunstvolle Distanz zur Emotion aufgibt, so direkt und ehrlich, sanft und regelrecht intim eine leise und fürsorgliche Melodie unkaschiert intoniert, zu der sich ein minimalistischer Beat gesellt.
Sicher mag das noch immer halluzinogen ausgefranst sein, aber dann eben doch auch soviel näher an einer konventionellen Nachvollziehbarkeit, so dass das Animal Collective erstmals seit vielen Jahren geradezu entwaffnend-einnehmend mit der Tür ins Haus fällt und die brütende Verkopftheit mit befreiender, somnambuler Leichtigkeit abstreift.
Die restliche EP folgt diesem Weg weitestgehend. Piggy Knows mag zwar anfangs noch mit der Idee liebäugeln, deliranten Seemannsgarn für schottische Highlands zu spinnen, doch wächst im Hintergrund bereits der astrale Score, der Loop wird moduliert – und zur Mitte hin phantasiert plötzlich eine Hook, die eine nonchalant marschierende Parade in schmissiger Naivität beschwört. Gleich zwei Ohrwürmer zum Einstieg – damit musste man in der zuletzt wenig spannend gewordenen Karriere des Animal Collective nicht mehr zwangsweise rechnen.
Auch der mit knapp elf Minuten Spielzeit am ausführlichsten agierende Titelsong füttert seine strukturoffene Formlosigkeit erst mit einem physisch packenden, zeitlich irritierend codierten Rhythmus, dann einer klaren Gitarre, später nehmen murmelnde Vocals die Nummer über ihre Synthies mit – darf man da also gar von einer schleierhaft gewachsenen Hymnenhaftigkeit sprechen?
Selbst das ein wenig aus dem Rahmen fallende Sux-Bier Passage lässt eine subversive Eingängigkeit als Reibungspunkt zu. Immerhin implementiert das Kollektiv dem typisch nautisch schimmernden Experiment als Avantgarde-Collage eine Projektionsfläche für rezitierende Samples, die irgendwo doch hypnotisch intoniert erscheinen, einfach hängen bleiben.
Weswegen der Suchtfaktor des nominell als Kurzformat firmierenden, aber qualitativ und vor allem quantitativ beinahe (weil: ohne das letzte Quäntchen Magie und Genie) auf Albumlänge erfüllenden, Bridge to Quiet auch verdammt hoch ist – und überraschenderweise sogar eine lang vergessene Euphorie für das (zuletzt ja primär mit Vergangenheits-Korrekturen beschäftigten) Animal Collective zu weiten Teilen wiederbeleben kann.
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