Angel Olsen – Big Time
Angel Olsen schwelgt auf Big Time in einer zeitlosen Sehnsucht der bittersüßen Nostalgie und agiert mit melancholischer Wärme vergleichsweise unbeschwert, wohl so weit wie bisher noch nie im Country und Americana sinnierend.
Nach dem Outing und dem Tod ihrer Eltern hängt der Himmel für die 35 jährige jedenfalls voller Slide-Gitarren und strahlt im zurückhaltenden Zauber der wunderschönen Arrangements, die Olsen mit Produzent Jonathan Wilson für ihre (gerade nach All Mirrors) betont friedlich wehende Welt kreiert hat. Ein bisschen so, als würde bereits das wenig mehr an einem allgegenwärtigen Country-Flair den zehn vordergründig unspektakulären Songs eine angenehme, kontemplative Komfortzone bieten, in der Olsen nach all den Jahren einmal auf zurückgelehnte Weise durchatmen und reflektieren kann.
Was man gerade beim flüchtigen Genuss des unaufdringlichen Big Time vielleicht als ein etwas gleichförmigerer oder sogar langweiligerer Zugang zur Musik der Amerikanerin (miss)verstanden werden kann, selbst dann aber wohl kaum als seichte Annäherung täuscht – oder wie es schon im mit smoothen Groove zur nostalgischen Geste erblühenden All the Good Times durchaus übertragbar heißt: „So long, farewell, this is the end/ And I’ll always remember you just like a friend/ And the way that you said, as heavy as lead/ „You’ve always known how to get straight to my head„.
Trotzdem zeigt nur weniges im Verlauf dezidiert auf. Right Now beginnt in der Stille und breitet sich zwar mit mehr Physis bekommt aus, stampft hinten raus sogar manierlich und lässt ausnahmsweise die elektrische Gitarre als Beinahe-Rock in Slo Motion braten, bevor Go Home seine Reduktion mit einem dramatisch beschwörenden Refrain konterkariert und hinten raus eine orchestrale Opulenz samt Breitbandpanorama zumindest andeutet. Selbst hier halten sich die Ausscherungen im MO aber im Rahmen, sie schraffieren den so subtilen Spannungsbogen der Platte höchstens zurückhaltend.
Wie ein alter, längst ins Herz geschlossener Bekannter muss sich das fabelhafte Songwriting und die tröstende Atmosphäre von Big Time jedoch auch gar nicht durch explizite Szenen beweisen, sondern gewinnt Herzen auf beinahe passive Weise, als hätte es sie ohnedies schon immer in der Tasche gehabt.
Der Titelsong-Hit schunkelt entspannt schippernd so zartschmelzend als leidende Nonchalance zwischen die Reibung aus unermesslicher Liebe und größtem Verlust. Die Stafette aus dem intimen Dream Thing, dem pianogefärbten Ghost On sowie dem nahezu komplett entschleunigten All the Flowers (das am Ende bereits ein paar kammermusikalische Ahnungen sprießen lässt) steht für die fragile, balladesk die Augen schließende Ader einer intimen, einladenden Platte im zurückhaltend schwofendem, weich verträumten Tempo, auf der This Is How It Works als ruhiger Walzer mit Cembalo-Patina in einem milde beleuchteten Ballsaal das Herzstück bildet, und das Finale mit Through the Fires und das überragend in den Hauch sinfonischer Akzente gelegte Klavierstück Chasing the Sun die unsterblich gefühlvolle Kür: Eine zeitlose Grandezza erzeugt hier die Ausstrahlung alter Hollywood-Klassiker, die wie niemals wirklich greifbare Erinnerung eine erhabene Schönheit entwickeln.
Dass es Geduld benötigt, bis die meisten Songs tatsächlich prägnante, individuelle Eindrücke hinterlassen, und bis die oft unscheinbaren, betörenden Melodien ihre volle Wirkungskraft und ihren Zauber entfalten, ist da irgendwo nur die logische Konsequenz, denn die elegischen Country- und Americana-Annäherungen von Big Time sind zeitlos.
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