Andy Burrows & Matt Haig – Reasons to Stay Alive
Der auf Sidekick-Rollen im Hintergrund abonniere Andy Burrows kooperiert mit Bestseller-Autor Matt Haig, um dessen autobiographischen Roman Reasons to Stay Alive als versierten Songzyklus im charmanten 70er-Pop-Songwriting umzusetzen.
Gerade eingangs gelingt das dem ehemaligen Schlagzeuger von Razorlight beziehungsweise We Are Scientists und seinem Textlieferanten im an sich üppigen, aber meist angenehm zurückhaltend in Szene gesetzten Instrumentarium zwischen Paul McCartney und Badly Drawn Boy überraschend stark. Der stilvolle Opener A Different Game ist klassisch schunkelnder Pop britischer Prägung, irgendwo zeitlos, bevor das überragende Highlight Barcelona mit polterndem Refrain zum sehnsüchtigen Hit wächst.
Auch danach folgen Burrows und Haig der Lisen Handlung sympathisch eingängig, haben vor allem ein Händchen für liebenswerte Refrains. Etwa im mit leicht elektronischer angehauchten Titelstück mit seinen feinen Arrangements und Soul-Sprengseln, im flapsig klimpernden Lucky Song oder dem infektiös von Handclaps und Falsett begleiteten Parallel Lines. Dass die Substanz rund um die catchy Refrains extrem harmlos und unaufdringlich nebensächlich plätschert, ist hier eigentlich so egal, wie wenn die anschmiegsame Miniatur The Story of Me and You zwar dank dezenter Trompeten und Bläser am Ende mit sehligen Lächeln schwofend dasteht, aber über seine Lyrics trotzdem wie eine Persiflage auf jede Romantik wirkt. Diese Platte will niemandem wehtun, zeigt sich immer von ihrer hoffnungsvollen Seite.
Selbst wenn dazu nur noch wenig Grund besteht, weil sich Reasons to Stay Alive im weiteren Verlauf rund um Plattitüden wie „You don’t know someone else’s truth/ Until you walk a mile in their shoes“ und eindimensional-ungelenken popkulturellen Referenzen immer mehr Beliebigkeiten gönnt, einfach mehr Falsch als dezidiert richtig zu machen beginnt.
Das plakative Hero findet in den Fußspuren von Elton John eine unangenehm pathetische Ballade mit penetranten Texten und cheesy Stadioninszenierung an der Grenze zur Selbstdemontage, aber ohne Augenzwinkern, während How to Stop Time alleine auf seinen „Shakespeare in Lo-ndon“-Twist setzt. Handle With Care setzt auf plumpe Durchhalte-Kalenderweißheiten und tranig übersättigende Chöre, bevor der Platte auf die letzten Meter frustrierenderweise vollends die Luft ausgeht.
Für Tomorrow recycelt Burrows seinen eigenen Melodienhaushalt und legt sie über einen uninspirierten Dosenbeat, bevor Lost in Space gerne erhebender Gospel mit cinematographisch aufmachenden Panorama wäre, aber nur mäanderndes Dümpeln darstellt. Gravierender: Zu diesem Zeitpunkt ist Reasons to Stay Alive nicht mehr unaufregend nebenher laufender Pop von nonchalant unspektakulären Machart und routinierter Handwerkskunst, sondern nur noch langweilige Sülze ohne Ecken, Kanten oder markanten Charakter. So nett zwar weiterhin, dass man einer Platte mit frühen Song-Euphorien und viel freundlich nachfolgender Bagatellen-Attitüde kaum böse sein kann, sich aber doch spätestens hier eingestehen muss, dass die Fähigkeiten von Burrows als Songwriter gerade auf Albumdistanz ohne kreativen Reibungspunkt leider weiterhin nur zum starken Steigbügelhalter reichen.
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