Anderson .Paak – Malibu
Brandon Paak Anderson weiß nur zu gut, wie schnell es gehen kann: Vor kurzem noch obdachlos, liegt die Musikwelt ihm und seinem souligen Hip Hop-Ausläufern seit den nachwirkenden Gastauftritten auf Dr. Dre’s Comebackwerk ‚Compton‚ zu Füßen. Grund genug für den Kalifornier, die Gunst der Stunde zu nutzen – ohne die Dinge dabei zu überstürzen.
Über die 63 Minuten der ausführlichen 16 Songs von ‚Malibu‚ schleichen sich natürlich einige Längen ein. Das eigentlich großartige daran ist allerdings: Man bemerkt diese dezent weniger zwingenden Passagen (die es sich vor allem im schlendernden Mittelteil eines dennoch ausfallfreien Albums ein wenig bequem gemacht haben) im Grunde nicht einmal. Zu mühelos umspült das zwischen R&B, Soul, Jazz Pop und Hip Hop keinen Unterschied machende Stilgemisch des Amerikaners, bei dem man immer wieder zu gleichen Teilen an die Fugees, John Legend oder Marvin Gaye denken darf (wer sich ein ungefähres Bild davon machen möchte wie barrierefrei und natürlich .Paak hinsichtlich seiner Einflüsse agiert, der bräuchte eigentlich ohnedies nur die ‚Cover Art‚-Ep laden und darüber staunen, wie problemlos Songs von den Yeah Yeah Yeahs, Neil Young, Beatles, White Stripes, The Postal Service oder Toto zu Eigen macht), aber mittlerweile über die gesamte Spielzeit unverkennbar nur noch Anderson . Paak selbst vor Augen hat.
Dieser ließ sich dabei nicht ohne Grund auf dem Cover mitten inmitten einer Brandung inszenieren, die alte Platten ebenso wie nostalgische Retro-Utensilien aus .Paak’s Vergangenheit an das Ufer spült: Aus der Collage des bereits so famosen ‚Venice‚ ist ein nahezu formvollendeter Wellengang aus Rhythmusgefühl, Melodiegespür und immanenten Grooves geworden – die Zahnräder greifen noch selbstverständlicher, geschmeidiger und nahtloser ineinander, der Sound ist organischer, gefühlvoller, souliger und tiefergehend.
Dass ‚Malibu‚ all seine Einflüsse, Stile, Genres, Verehrungen – sein generelles Songwriting! – so viel anstandsloser ineinander verwachsend gedeihen lässt, liegt dann aber eben auch an der Geduld von Anderson .Paak: Viele der hier versammelten Nummern waren bereits vor ‚Venice‚ komponiert, doch .Paak hielt sie so lange zurück, bis die idealen Gäste als Unterstützer und Wachstumsgehilfe und -gehilfinnen gefunden waren, um das angedachte Level zu erreichen. So tummeln sich neben .Paak’s Stammband The Free Nationals und zahlreichen weiteren Instrumentalvirtuosen große Produzentennamen (Madlib, 9th Wonder oder DJ Khalil) ebenso wie illustre Rap/Gesangsakrobaten (BJ the Chicago Kid, Sonyae Elise oder Rapsody) auf der Platte: Ein intuitives Schaulaufen, vor allem qualitativ. Denn sie alle tragen so unaufdringlich wie markant ihren Part zum großen Ganzen bei, bereichern ‚Malibu‚ und verschmelzen all dessen Facetten eindrucksvoll.
Vom butterweichen ‚Birds‚ haben die Gitarren so die funkensprühende Vitalität im Herzen, die Drums und Pianoakkorde geben dem ganzen neben dem zwischen Rap und Gesang hühelos wechselnden Stimmkünsten .Paak’s die Seele; Bläser, Backgroundchöre, Streicher und Keyboarde füllen das runde Ganze aus. ‚Heart Don’t Stand a Chance‚ gibt den elegant und gefühlvoll becircenden, lebendigen Groover, der zwischen Prince und D’Angelo den Weg unter Patenschaft der Roots wählt und am Ende gar in die 70er träumt, während der in die Beine fahrender Schmuse-Funk von ‚Put Me Thru‚ quasi die Popschiene neben Brainfeeder fährt. Mit Sccoolboy Q erteilt .Paak in ‚Am I Wrong‘ dann eine stilvolle Disco-Lehrstunde mit für Pharrell Williams in Sachen lässigem Tanzflächenfüller, der ohne direkte Daft Punk-Zitate auskommt.
‚Parking Lot‚ ist ein herrlich leichtfüßiges Kleinod, mit Handclaps und einem wunderbaren Drummuster (überhaupt merkt man zu jedem Zeitpunkt, wie beherrscht .Paak sein Stamminstrument einzusetzen weiß!), der seine fast schon mit einer Nebensächlichkeit auftretende Schmissigkeit charismatisch destilliert und hinten raus das die Zügel sanft twistend gen Rock’n’Roll anzieht, bevor The Game im jazzig abgedämpften Schummerlicht des verrauchten Kellerausblicks ‚Room in Here‚ ein wenig Druck machen darf – gerade diese abwechslungsreiche Dynamik ist es auch, die ‚Malibu‚ generell seine erfrischende, lebendige Ausstrahlung einimpft.
Wenn ein ‚Your Prime‚ also wie die einlullende Alternative zu ‚To Pimp a Butterfly‚ klingt; ‚Silicon Valley‚ die geschickt um den Schmalz gezirkelte große Ballade ist, in deren Schiene Frank Ocean so erst nachlegen muss; ‚Celebrate‚ die konzentrierte Verspieltheit von Motown atmet – dann kommt ‚Malibu‚ einem streichelnden Kaleidoskop gleich, das seine Trümpfe entspannt und unaufgeregt ausspielt und schlichtweg von einer erstaunlichen Reife zeugt. Man kann auch mutmaßen: .Paak weiß einfach um seine Klasse und leistet es sich so, seine Songs unterschwellig und ohne Schnappatmung in Szene zu setzen.
So angenehm ‚Malibu‚ musikalisch damit im Hintergrund verschwimmen kann, so betörend seine gefangen nehmende Atmosphäre auch ist – im Grunde geht .Paak (trotz der obligatorischen Nabelschauen) lyrisch zumeist dorthin wo es wehtut, erweist sich als Storyteller als ein am sozialen Brennpunkt von Los Angeles und an den Wunden der eigenen Vergangenheit bohrender Singer-Songwriter.
Dass der kunterbunte Genre-Schmelztiegel dabei über das Artwork den Tag ausklingen lässt ist möglich, scheint trotz seiner aber hart erarbeiteten Gangart eher unwahrscheinlich. Denn wenn .Paak in traumatischen Kinheitserinnerungen schwelgt („Who cares ya daddy couldn’t be here/ Mama always kept the cable on/ I’m a product of the tube and the free lunch/ Living room, watching old reruns“ rappt er mit Unterstützung von Talib Kweli und dem Timan Family Choir im abschließenden ‚The Dreamer‚) und dabei den Hoffnungsschimmer am Horizont beherzt weiterreicht („Don’t stop now, keep dreaming!„) hat ‚Malibu‚ alleine inhaltlich viel öfter etwas vom kräftegebenden Sonnenaufgang nach der zermürbenden Nacht, der langsam zu wärmen beginnenden Morgensonne am einsamen Strand.
Noch stimmiger erscheint dies, weil der Stern des Anderson.Paak trotz des beinahe makellosen Hochgefühls, das ‚Malibu‚ ausstrahlt, merklich gerade erst am Aufgehen ist, steigert sich der Kalifornier doch praktisch seit seinem Auftauchen in der öffentlichen Wahrnehmung mit jede Mal neuerlich. Den (zu erwartenden) Weg von der grandiosen Talentprobe zum formvollendeten Glanzstück hat er hiermit jedenfalls schon einmal mit Bravour gemeistert.
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