…And You Will Know Us by the Trail Of Dead – Lost Songs
Keine überladenen, „Kreativität!“ brüllenden Gemälde oder hässliche Fantasy-Render mehr: vier Jungs in Schwarz/Weiß auf dem Cover, zwölf mal mehr, mal weniger in die Fresse im Gepäck. ‚Lost Songs‚ ist …And You Will Know Us By The Trail Of Dead’s wiedergefundene Freude am Scheppern, kombiniert mit ihrem über die Jahre antrainierten, unvergleichlichen Talent für Indie-Hymnen.
So konstant Trail of Dead in den letzten Jahren auch ihrem Ruf gerecht wurden, in ihrer Veröffentlichungspolitik sowohl Qualität als auch Quantität auf hohem Niveau zu halten, so sehr konnte man als Konsument von den letzten Alben der Texaner etwas verschreckt sein. Rock-Oper hier, kitschiger Science-Fiction-Unterton da – irgendwie schienen Trail of Dead aus dem theatralischen Schatten den ‚Worlds Apart‘ 2005 geworfen hat gar nicht mehr raus zu wollen. Natürlich standen da neben schwelgendem Streicher- und Pianogenudel immer astreine hochwertige Indierockschmeißer, die wenig von der Aggressivität von ‚Madonna‘ oder ‚Source Tags & Codes‚ verloren hatten, und doch ging der hinterlassene Eindruck immer mehr in Richtung Pink Floyd-infizierten, konzeptuelle Grenzen auslotenden Indie-Prog anstatt Spur der Zerstörung.
Nun ließ es durchaus aufhorchen, das der seit jeher beständige Kern der Gruppe – kreativer Tausendsassa Conrad Keely und Brüllwürfel Jason Reece – verlauten ließ, dass sich etwas ändern müsste, man hätte sich endlich wieder politisch zu engagieren, Missstände zu thematisieren. Und das sich dem Ende zuneigende Jahr – Arabischer Frühling und Pussy Riot hier, US-Wahlkampf dort – brachte nun eben das Trail of Dead-Fass zum Überlaufen. Befreit von jeglichem orchestralen Ballast oder opulenter Inszenierung arbeitet sich ‚Lost Songs‚ von Beginn an durch die Anfangszeit der Band. Nach einem unheilvoll Spannung aufbauendem, brodelndem Intro, dessen perkussive Elemente schon fast auf eine falsche Fährte locken, sägen in ‚Open Doors‘ auch schon die Gitarren im Stakkato, poltert sich Drummer Jamie Miller von einem Trommelwirbel zum Nächsten, dass es eine Freude ist. ‚Up To Infinity‘ und das folgende ‚Opera Obscura‘ peitschen sich in ihrer ansteckenden Überschwänglichkeit in verdächtige Metal-Nähe, ohne aber auf die so nötigen, für Trail of Dead typischen Verschnaufpausen voll hintergründiger Indie-Hymnik zu vergessen.
In dieser Tradition steht auch der treibende Titelsong, der das wohlige Gefühl vermittelt schon ewig im Repertoire der Band zu sein (und auf der opulenten Deluxe-Edition des Albums neben einem umfangreichen Auszug des Keely-Romans ‚Strange News From Another Planet‘, Bonustracks und einer Album-Version mit nahtlos ineinander übergehenden Tracks, auch als sympathische deutschsprachige Version enthalten ist), und eine geeignete Startrampe zu den progigeren Ausflügen der Platte darstellt, ohne das bisherige Post-Hardcore-Geboller hinter sich zu lassen – konzentriert auf das Nötigste, überschaubare Songlängen, kehliges, zum mitmachen einladendes – ja, aufforderndes – Gegröhle.
Das alles kumuliert schließlich in einem der Albumhighlights, ‚Catatonic‚: vier Männer und ihre Instrumente, Energieüberschuss pur, den sich so außerdem wahrscheinlich nur Reece vom Leib schreien konnte. Extatisch treibt das Schlagzeug die simple Gitarrenmelodie vor sich her, um schließlich in einer Pseudo-Solo Explosion zu gipfeln, und das Album in den letzten paar Takten der Single auf den Punkt zu bringen: die Quintessenz der wütenden Trail of Dead anno 2012. Fast schon als wollte er beschwichtigen schmachtet Keeley darauf in ‚Awestruck‚ in das versöhnliche Finale von ‚Lost Songs‘ – eine Grundaufgeregtheit bleibt zwar erhalten, und schwappt in Form von ‚Bright Young Things‘ mit seinen galoppierenden Drums und Fäuste-nach-oben-Chor noch ein letztes mal über, ‚Time And Time Again‚ verpasst der ganzen Raserei zum Abschluss dann aber doch noch einen gehörigen Schuss wohlverdienten (Post-)Folk; was zu Beginn der Platte noch bedrohliches Synthiewabern war, löst sich in dünnem Surren gegen Ende auf.
Nicht katatonisch, sondern kathartisch vergeht die Zeit mit Trail of Dead’s ‚Lost Songs‚, wobei man nicht den Fehler machen sollte in diesem Titel ein Zugeständnis an einen wiedergefundenen aggressiv-kreativen Funken zu sehen – Trail of Dead wussten auf jedem ihrer Alben zu berühren, aufzuwühlen und die Sau raus zu lassen, nur eben lange nicht mehr so auf den Punkt gebracht wie in diesem Jahr.
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