And So I Watch You From Afar – All Hail Bright Futures
Tropicaler Math. Dubstepstürme. Discobässe. Vertracktes Gitarrengefrickel. Karibische Partystimmung. Hymnische Chor-Berge und rasante Metal-Abfahrten. Die vier Iren von And So I watch You From Afar machen in aller Radikalität auf ihrem dritten Album endgültig was sie wollen. Die genannten Dinge sogar schon alleine in den ersten sechs Minuten der Platte.
Was auf ‚All Hail Bright Futures‚ zuallererst mit der Tür ins Ohr fällt: And So I Watch You From Afar singen mittlerweile gerne und oft. Und sie tun es vor allem als Band. Gemeinsam und im Chor also, mit einem Gefühl für überbordende Eleganz und/oder spannungssteigernde Dramatik: im mit Hand auf Herzen jubilierenden ‚The Stay Golden‚ gleichermaßen wie im mit skandierenden Chearleaderbefeuerungen ausgestatteten Stampfer ‚AMBULANCE‚ oder dem anfangs aus reinen Gesangsloops zusammengenagelten Scatman-Gedenken ‚Ka Ba Ta Bo Da Ka‚.
Und drumherum? Regnet es mit stetigen Windwechsel triumphale Fanfaren (‚The Stay Golden Pt.1‚), feenhafte treibende Schönheit (‚All Hail Bright Futures‚), rein aus Streichern und Bläsern bestehende Elegien ‚(The Stay Golden Pt. 3 (Trails…)‚), brachial stcksende Filigranriffattacken samt Flöte (‚Mend and Make Safe‚), Steel Drum-Kalypso mit losgelöst wütendem Chris Wee am Schlagzeug (‚The Stay Golden Pt. 2 (Rats on a Rock)‚) und sowieso innerhalb eines Songs mehr hastige Hakenschläge als andere Bands für komplette Alben brauchen. Ausladende Postrock-Andenken wie ‚Young Brave Minds‚ sie noch hofiert finden sich auf ‚All Hail Bright Futures‚ jedenfalls kaum mehr.
Die wenigen verbliebenen Elemente des Postrock, die zumindest noch das selbstbetitelte Debütalbum von 2009 dirigierten, sie werden auf ‚All Hail Bright Futures‚ derartig heftig durch die Mangel gewirbelt zu haben, bis kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Im weitesten Sinne agiert der dritte Langspieler von And So I Watch You From Afar trotz seines überwiegend instrumental gehaltenen Daseins in seiner übermütigen Sprunghaftigkeit sogar als potentielle Antithese zum klassischen Postrock, all dessen weitschweifenden Arrangements und ellenlangen Spannungsbögen: mit leuchtenden Augen und glühenden Ohren haben die durch Neugitarrist Niall Kennedy wieder zum Quartett kompletierten Iren hier ihren eigenen Vergnügungspark geschaffen, durch den es spannungsgeladen im permanenten Sonnenschein zu tollen gilt. You Slut! stehen da mittlerweile deutlich näher als Russian Circles, vor allem aber grätscht man aber mitten rein in die Schnittmenge aus der Elektronik von 65daysofstatic, Fang Island-Rock-Raserei und vor allem dem hyperaktiven Math der nahverwandten Adebisi Shank.
In diesem Wunderwerk des Anti-Postrock, des Pop-Math, des ADHS-Instrumentalrock, der And So I Watch You From Afar-Musik warten also Überraschungen an allen Ecken, Enden und Irrwegen, ein Gefühl, das jederzeit alles passieren könnte ist immanent. ‚All Hail Bright Futures‚ will auch im xten Durchgang mit kindlicher Neugier erforscht werden, viel später hemmungslos genossen. Kaum einer der zwölf Songs endet dort, wo er begonnen hat, mehrmalige Pirouetten und Salti will sich keine Komposition verkneifen. Und dennoch ist hier keine Sekunde verkopft und übertrieben kompliziert – viel eher zünden And So I Watch You From Afar ein sich stetig im Fluss befindliches Feuerwerk, wie es zumindest im typischen Spannungsfeld von Math- und Postrock seit Jahren keines mehr gab – eines, das seine Spiellust reibungslos und mitreißend auf den Hörer übergreifen lässt. Dass der rasende Flohzirkus ‚All Hail Bright Futures‚ tatsächlich noch vollgestopfter mit Ideen ist als das in Relation beinahe bieder wirkende n, vollkommen konträren ‚Gangs‚ ist eine Rechnung, die also paradoxerweise aufgeht.
Funktionieren kann jede einzelne der kompositorischen Achterbahnfahrten für sich genommen aber nur, weil And So I Watch You From Afar nicht nur wahllos Ideen miteinander verquicken, sondern daraus munter tollende Songs wachsen lassen – keine Wahnsinnstat oder Verschränkung wirkt hier aufgesetzt oder erzwungen, eine Idee führt unvermittelt zur Nächsten. Auf Albumlänge sitzt deswegen jeder Hakenschlag so kohärent wie natürlich. Mehr noch als im Mikrokosmos seiner Songs funktioniert ‚All Hail Bright Futures‚ im Gesamten als überlanges, überbordendes Kreativmoment sogar noch atemberaubender und schlüssiger. Das gipfelt im Crescendo von ‚Young Brave Minds‚, wenn der bereits im Opener ‚Eunoia‚ leise eingesponnene Chor immer wieder in das Geschehen zu kippen droht. Dann ist klar, dass And So I Watch You From Afar nicht nur der Schalk im Nacken des Postrock geworden sind und dem Mathrock gleich noch eine dringend benötigte Frischzellenkur verabreicht haben, sondern vorsorglich auch gleich allen umliegenden Genres. Besseres kam aus dieser Richtung seit Lite’s ‚Phantasia‚ und Battles‚ ‚Mirrored‚ kaum. Derart glückselig unterhaltend waren aber selbst jene beiden Meisterwerke nicht.
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