Alt-J – The Dream

von am 5. September 2022 in Album

Alt-J – The Dream

Nach dem an dieser Stelle viel zu wohlwollend (mit mindestens zwei Punkten) überbewerteten Clusterfuck Relaxer haben Alt-J mit The Dream wieder das große Album-Ganze im Visier – auch wenn das Songwriting bisweilen schrecklich zerfahren bleibt.

Wo vom Vorgänger außer dem grandiosen 3WW, dem unnötigen House of the Rising Sun und dem grottigen Hit Me Like That Snare abseits eines mit ein wenig Abstand immer stärker gewordenen Kopfschüttelns (auch über die zu viel milde in der Fanboy-Bewertung seinerzeit) wenig geblieben ist, tut dem Trio aus London merklich gut, diesmal auf eine kontemplativer veranlagte Unscheinbarkeit zu setzen: The Dream ist ein rundes Gesamtwerk geworden, schön stimmungsvoll und atmosphärisch, manchmal sogar – bis auf die phasenweise wirklich grottenschlechten Texte – subversiv, obgleich die Band noch nie derart offenkundig damit umging, wie wohl sie sich mit mehrstimmigen Arrangements fühlt.

Als Reaktion darauf bleibt bleibt zwar (außer dem Danger Mouse‘esken Pop-Versuch Hard Drive Gold, der mit seinem laufenden Rhythmus, Cheerleader-Schattierungen und humoristischen Eindimensionalität wie eine aus dem Rahmen fallende Kompromiss-Single wirkt) auch wenig zwingendes hängen, wirkt The Dream oft inkonsequent zwischen seinen Ideen ausfransend und das Songwriting fragmentarisch, derweil stets die Handbremse vor den wirklich überwältigenden Szenen zu zähmen scheint.
Doch ist das kein Kuhhandel, wie in der ästhetischen Unmittelbarkeit ohne Aufwärmphase klar wird: Bane taucht als choral-beschwörender Mythos in den Pink Floyd-Pool, klampft typisch am eigenen Trademark-Sound und addiert einem melancholischen Downtempo-Balsam, klimpert, und verbinden seine Segmente letztendlich doch noch stimmig, bevor das entspannt plätschernde U&Me seiner verträumten Stimmen dezent im Strom ausköchelt.

Happier When You’re Gone ist eine schöne Beat-Intimität mit orchestraler Grandezza und tröstender Aufbruchstimmung, die der Versuchung widersteht ein wenig zu dick aufzutragen, derweil The Actor relaxt am ambienten R&B und der modulierten Streicher-Indietronic das Erbe von Yeasayer sucht, und Get Better eine Acoustic-Variation von Unchained Melody sein könnte, friedlich folkig und nett in seiner Stimmung mäandernd. Chicago stellt sich als introspektiv gezupfter Lagerfeuer-Appendix vor, bremst sich ab und pumpt abgedämpft als Club-Planlosigkeit, die irgendwann den net Klassizismus am Klavier hofiert. Das sinistre Philadelphia pendelt dagegen mit kammermusikalisch-sinfonischer Tendenz um sein operettenhaftes Sample, und vertändelt seinen smoothen Groove letztendlich in der Repetition. Das somnambul schippernde Quasi-R&B-Stück Walk a Mile gefällt als mitternächtliche Ziellosigkeit in der geschmeidigen Lounge einer wattierten Psychedelik samt nostalgischen Zeitlupen-Gitarren, bevor Losing My Mind als nachdenklich-melancholische Andacht mit reduziertem Rhythmus und schwelgenden Vocals gegen das unkonkrete Powders verblasst, in dem folkloristische Melodik a la Fleet Foxes auf vage Blues-Schemen treffen.
Aufregend ist das alles vielleicht nicht mehr – dennoch hat man den Eindruck, dass The Dream so nahe am Ergebnis ist, das Alt-J nach ihrem furiosen Debüt erreichen wollten.

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