Allo Darlin‘ – Europe

von am 15. Mai 2012 in Album

Allo Darlin‘ – Europe

Das Leben ist im Allgemeinen ohnedies eine verdammt anstrengende Sache. Warum also auch den Indierock noch anstrengender machen, sagen sich Allo Darlin‘ aus London. Ihr sympathisch Twee Pop lächelt jedenfalls auch dann tapfer, wenn da nicht nur gute Laune ist.


Wieder mal so eine Band, die sich im Hause Fortuna Pop wohl fühlt. Neben gar nicht so weit entfernten Geistesverwandten wie The Pains of Being Pure at Heart, Tender Trap oder Fanfarlo – obwohl natürlich auch auf dem Zweitwerk ‚Europe‚ die Vergleiche zu Belle & Sebastian, zu The Tamper Trap, zu Camera Obscura und auch den The Go-Betweens immer noch näher lägen. Aber letztlich geht es darum: Allo Darlin‘ schwelgen zum zweiten Mal derart versiert in einem Meer aus Glück, Schicksal und Pop, dass es den Labelnamen eigentlich schon ein bisschen neu definiert, weil das den Nagel so sehr auf den Kopf trifft. Ob auch hiesige Breitengrade für eine derart geballte Ladung leidenschaftliche Harmoniesüchttelei bereit sind, bleibt natürlich vor allem deswegen fraglich, da der Rest der Welt aich ja schon vom selbstbetitelten Allo Darlin‚ Debütalbum 2010 begeistert zeigte, während hier eben: Geheimtipp, nach wie vor. Und während eben jene Restwelt auch zum im direkten Vergleich marginal ausgefuchsteren ‚Europe‚ bereits feuchte Augen bekommen hat, darf man rätseln, warum die noch nicht durch die Decke gegangen sind, während Bands wie Veronica Falls oder Best Coast den Hype-Frühling längst hinter sich haben.

Vielleicht liegt es einfach daran, dass Allo Darlin‚ die Sache noch subtiler angehen, als vergleichbare Bands. Das zu gleichen Teilen aus Briten und Australieren rekrutierte Gespann gehört nämlich zu jener Sorte Musiker, die an der Vordertür schon höflich Wirbel schlagen, wohlerzogen grüßen und dann doch lieber vor der Hintertür noch im Gras liegend den Wolken zusehen, ehe sie eintreten. Das Quartett nimmt sich alle benötigte Zeit der Welt und kommt dennoch schnell zum Punkt, knallt einem unentwegt Melodien und Harmonien wie die freundlichste Sache der Welt vor den Latz. Wie man eingängige Popnummern schreibt, wissen die Jungs und Mädel rund um die immer so bestimmt das Ruder in der Hand haltende Sängerin Elizabeth Morris, keine Frage. Wie man geradezu unverschämt unscheinbare Genrehits schreibt, eigentlich auch. Verstecken sie diese doch geschickt hinter einer Fassade der Nettigkeit, man möchte gar sagen Egalität. ‚Europe‚ geht von vorne bis hinten runter wie Öl, schmiegt sich an, ist gefällig und nutzt offenbar so überhaupt keine Widerhaken, sondern bloß unverbindliche Klettverschlüsse. Die Sonne scheint auch zur Geisterstunde noch energiegeladen vom Himmel, und sie tut dies natürlich mit einem breiten Lächeln, während sich plötzlich jederman beherzt in die Arme nimmt. Die Gitarren perlen um beschwingte Rhythmen im Up-Beatbereich, der Groove setzt dezent zum Auf- und Abhüpfen an. Eine Hookline jagt die nächste und irgendwann weiß man nicht mehr, wo einem der Schädel steht. Ja wirklich:  Allo Darlin‚ klingen so herzig und herlich, wie ihr Bandname das suggeriert und nichts ist leichter, als die Briten vorschnell als nett-belanglose Band abzustempeln.

Mann kann der Band schon vorwerfen, dass sich ‚Europe‚ gelegentlich anfühlt, wie wohl ein Urlaub im Schlaraffenland aussehen würde: dosiert man da nicht selbst etwas nach, kann das manchmal schon zuviel des Guten werden. Denn wer an verträumtem Pop, an geschmeidigen Melodien und zutraulichen Hymnen, die keiner Fliege etwas zu Leide tun könnten, Gefallen findet, darf sich an ‚Europe‚ nicht nur laben, sondern stellenweise bis zum Erbrechen vollfressen. Das funktioniert trotzdem in manierlichem Rahmen, weil ‚Europe‚ zwar vordergründig zu einer unheimlich genießbaren Oase der niedlichen Ohrwürmer wird, die in seiner angenehmen Unaufgeregtheit tatsächlich den idealen Soundtrack zu jenen idyllischen sonntäglichen Morgen darstellt, die etwas mehr Pepp vertragen könnten. Doch hinter dem unspektakulären Äußeren verbirgt sich unerwarteterweise mehr als die unscheinbar zelebrierte Fried- und Freundlichkeit, Morris drückt die Tränen unbemerkt unter dem Radar druchs Knopfloch. Zuckersüß eben gerne, aber die Kurve vor dem eintretenden Schock bekommen Allo Darlin‘ doch jedesmal harscharf hin. Und wer auf einen Opener wie ‚Neil Armstrong‚ noch eins drauf legen kann und mit dem folgenden  ‚Capricornia‚ trotzdem noch genau die Luft lässt, die der Titelsong dann nebenbei einfordert, macht ohnedies verdammt viel richtig. Außerdem: dreimal detailverschobene Poparbeit nahe der Perfektion schon am Beginn – und schlechter wird ‚Europe‚ nicht mehr. Manchmal sogar nur noch besser: Wenn in ‚Some People Say‚ oder ‚Tallulah‚ weniger so viel mehr ist, plötzlich nur noch eine einsame Ukulele neben Morris übrig bleibt und Allo Darlin‘ in dezenter Schönheit beinahe sterben möchten. Da will man zuerst an die seligen Seachange denken, dann an Wild Flag in einem von Kate Nash regierten England – und überlegt sichs dann  doch alles anders, denn, warum in der Vergangenheit oder utopischen Referenzwelt schwelgen, wenn Allo Darlin‘ sich doch so freizügig als Wegbegleiter anbieten. Die hinter der weichen Schale auch noch den verletztlichen Kern haben, mit dem Herz am rechten Fleck: „And it’s been a long time/ Since I’ve seen all my old friends/ But I really love my new friends / I feel I’ve known them a long while.

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