All You’ve Seen – Mavu
Instrumentaler Postrock aus der Schweiz: Nach sechs Jahren haben All You’ve Seen ihr fünftes Studioalbum aufgenommen. Weil die Entwicklung des Trio seit 2009 jedoch eine wirklich konstante war, und auch Parrhesia 2022 zu überzeugen wusste, ist Mavu nun jedoch eine kleine Enttäuschung.
Denn wo All You’ve Seen immer schon einen objektiv gesehen relativ generischen Zugang zum Genre hatten, diesen Umstand aber mit dem nötigen Können aufzuwiegen verstanden, wissen sie zwar auch heute noch, wie das Kopfkino funktioniert, und man eine gewisse Austauschbarkeit, die praktisch deckungsgleich mit den Baukasten-Formeln des Postrock erstellt wurde, einnehmend artikuliert: Gerade die ruhigen, kontemplativ und nachdenklich melancholischen Szenen von Mavu sind in ihrer schwelgenden Schönheit auch ohne individuelle Handschrift angenehm einnehmend, fesseln die Imagination mit viel Atmosphäre und Gefühl.
Dass diesmal aber nahezu alle Songs demselben Muster folgen und im letzten Drittel die arg vorhersehbaren Klimaxe abrufen, hat dann doch etwas ermüdend unoriginelles.
Wenn Portal oder Mavuan Shores erst geduldig schreiten und die elegische Einkehr Procession gar an einen Oceansize-Ruhepuls erinnert, dann sind die schablonenhaft aufbäumenden Spannungsbögen hinten raus Schwachstellen im Songwriting, die es so einfach nicht gebraucht hätte. Wie es dynamisch runder mit den Ventilen ginge, deutet dagegen Passage an und auch Reflection pendelt klar, ohne Zwang.
Am besten gelingen dennoch jene Nummern, in denen sich All You’ve Seen auf die Stärken ihrer introspektiven Spielweise fokussieren. Sobald das zurückgenommene II als Quasi-Interlude den Klavier-Einsatz in den Albumfluss holt, entfaltet die homogene, wachsende Platte ihre Vorzüge insofern schmeichelhafter: (das zwar nach gängiger Praxis aufgelöste) Sanctuary nimmt diese Ruhe mit in den Weltraum, bevor das tolle Finale aus Reckoning und vor allen Home zum Ambient schielend einen wirklich versöhnlichen Ausklang schaffen.
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