Alan Sparhawk – White Roses, My God
Achtzehn Jahre nach seinem ersten und bisher einzigen Soloalbum versucht Alan Sparhawk mit seinem zweiten Alleingang White Roses, My God den Tod von Mimi Parker (und in weiterer Folge das Ende von Low) zu verarbeiten.
Dabei will Sparhawk es mit einem sicherlich zutiefst polarisierenden Werk niemandem Recht machen – er will für die Trauerarbeit ja gewissermaßen nicht einmal mehr im eigenen Körper stecken: “The tools I used before no longer work. I’m trying to use my voice, but I don’t want to hear my voice, so I needed to find another voice.”
Das kündigte Sparhawk vorab an und bereitete damit zumindest ansatzweise auf den Umstand vor, dass er seine Stimme bis zur absoluten Unkenntlichkeit mit einem komplett über die Stränge schlagenden Vocoder-Einsatz entfremden würde, während die Musik mit pluckernden Beats klackernd eine synthetisch modulierte Elektronik auffährt, die die Verhaltensmustern von Drums and Guns oder Double Negative dort im Extrem über die Stränge schlagen lässt, wo sich über Brat schwärmen lässt und Kim Gordon stilistisch näher denn je experimentiert.
Und nachdem Hey What ausschließlich auf Gitarren gebaut war, taucht eine solche nun auf White Roses, My God nur noch in der sedativen Downbeat-Trance Brother auf, wo ausnahmsweise versprengte Saiten zu säuselnden Harmonien tänzeln und sich der digitale Avantgardismus aufbäumt.
Get Still programmiert sich jenseits von Packt Like Sardines In a Crushd Tin Box im repräsentativ strukturfreien Skizzenmodus und Not the 1 wummert kontemplativ schlängelnd zum Alternative R&B. Can You Hear implementiert klackernden Trap und eine düstere Spannung im Minimalismus – was Somebody Else’s Room in Schlumpfhausen später noch drastischer ausreizen wird. Der Gesang lässt Flehendes erkennen, auch wenn der Kontrast der gepitchten Protagonisten-Stimme zum souligen Backing noch fordernder wird. Das nervöse Sedativum Black Water zappelt polternd durch ein mäandernden Rohbau und in Station lauert ein Chromatics-Drive, zu den Sparhawk die Wörter wie im Fieberrausch ausspuckt und sie dann wieder so unruhig beschwörend beherrscht, bevor Project 4 Ever beinahe versöhnlich agiert, wiewohl die Stimme noch einmal richtig an der Schneegrenze ausgepresst wird.
„Mim loved roses, and sometimes I think she is God.“ erklärt der 55 jährige den Titel der Radikalkur, entlässt sonst aber ein wenig ratlos. Ohne den kongenialen BJ Burton als Produktions-Korrektiv operiert White Roses, My God weitestgehend rein funktional, fokussiert kaum runde, zu Ende gedachte Kompositionen in der durchaus fesselnden Bastelei. Das ganzheitliche, detaillierte Songwriting von Low ist in dieser Spontanität höchstens in vagen Ansatz erahnbar – am ehesten bezeichnenderweise im nur 67 sekündigen Highlight Heaven, das einem entmenschlichten Fragment einer Low-Ballade mit weiblichen Dirty Projectors-Harmonien gleichkommt.
Bis auf den nervig-repetitiven Meta-Totalausfall I Made This Beat (in dessen Ohrwurm-Simplizismus Sparhawk monoton pumpend die Titelzeile repetiert und die Musik zur reinen Entstehungsprozess-
Diese wird allerdings nur als Prozess für Sparhawk selbst, der sich praktisch aus seiner eigenen Person entrückt, nachvollziebar. Schwer ist es hingegen, diese Entscheidungen als Hörer auf emotionaler Ebene zu teilen. Vielleicht mit Ausnahme der entspannt anachronistischen Hotline Miami-Bar Feel Something, in der Sparhawk den Titel voll gebetsmühlenartig beschwört – und damit die subjektive Achillesferse des Albums brandmarkt.
Der Gefühlshaushalt des Witwers ist in apathischer Zäsur-Verzweiflung aus den Fugen geraten. Und er kann vorerst nur einen zerfahrenen Ausblick darauf bieten, wie es für ihn musikalisch weitergehen könnte. Wer in diesem fast schon zanghaften Ausdruck insofern aber auch als Fan Trost für den Tod von Mimi Parker und das Ende von Low finden will, wird hier nicht fündig werden.
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