Agriculture – Agriculture
Ein Jahr nach der in Szene-Kreisen gehyten EP The Circle Chant legen die Blackgaze-Senkrechtstarter Agriculture ihr selbstbetitelten Debütalbum vor: ebenso vielversprechend wie unausgegoren.
Ihre Einflüsse tragen Dan Meyer (guitar, vocals), Leah B. Levinson (bass, vocals), Richard Chowenhill (guitar) und Kern Haug (percussion) aus Los Angeles praktisch zu beinahe jedem Zeitpunkt unkaschiert auf den Fahnen – sie kochen ihre Liebe zu Liturgy und Deafheaven mit einer Prise Panopticon phasenweise sogar nahe des dreisten Plagiats auf, addieren dazu auch eine regelrecht überschwängliche, begeistern wollende Freude an diesem Rezept.
Das eigentliche Problem von Agriculture liegt allerdings nicht in dieser noch im Prozess befindlichen, die eigene Identität im gelungenen Imitieren aufreibenden Selbstfindungsphase, sondern darin, dass das dabei aufgetane Potential weiterhin kaum in wirklich schlüssige Songs – geschweige denn in ein rundes Album – umgemünzt werden kann: die superkompakten 31 Minuten dieses Debüts finden weder zu sich selbst, noch kompositorisch zum Punkt.
Immer wieder steht sich das Amalgam aus adaptierten Einflüssen auf halben Weg zur Euphorie selbst im Weg, nimmt die Band im Zweifelsfall doch stets die Option auf frustrierende Entscheidungen mit.
The Glory of the Ocean hat insofern zumindest mit einem kleinen Schönheitsfehler kurz vor Schluss zu kämpfen, wenn nach dem verträumten Pedal Steel-Intro von Nick Levine in countrysker Sehnsucht der kristalline Tremolo zieht, von der kloppendem Dringlichkeit zum getragenen Tempo eine Post Black Metal-Schönheit mit hymnischer Eleganz erstrahlt, bis der Strom a la Hunt-Hendrix in manischer Direktheit ballernd Riffs und Geschrei im hysterisch Stoizismus schraubt – nur der neuerliche Tritt aufs Gaspedal nach dem Full Stop passiert einfach zu plump und abrupt, verpasst einem an sich bockstarken Song eine unnötig hässliche Nahtstelle.
Noch mehr Stolperstein ist das aus dem Nichts kommende, vollkommen wahllos aus dem restlichen Kontext herausfallende The Well, das mit Klargesang von Meyer-O’Keeffe grätscht, wie eine leiernd klampfende Acoustic-Post-Grunge-Demo wirkt, die an John Frusciante, Justin Lunn und Chris Cornell scheitert: Kuriosität um der Kuriosität Willen?
Look, Pt. 1 knüpft dagegen an die Melodie von The Glory of the Ocean an und pumpt viel Euphorie, Energie und Kraft in den grundlegend generischen Blackgaze, klärt also, was mit „ecstatic black metal“ gemeint ist – warum aber bitte muss das Saxofon (Avantgarde-Tropen mit dem hilflosen Vorschlaghammer?) derart willkürlich und planlos eingeworfen werden, nur um sofort wieder zu verschwinden?
Idealer wird das Blasinstrument schon in der Liturgy-Fanfiction Look, Pt. 3 eingesetzt (nachdem das theoretisch formelhafte, praktisch aber toll schubweise attackierende und strukturell ausnahmsweise herausfordernder angelegte Look, Pt. 2 die Latte hoch gesetzt hat), obwohl exzessives Tröten alleine freilich kein „Free Jazz“ ist. Doch in der hirnwütigen Dringlichkeit zünden die Klischees neuerlich, bevor Relier angesichts der Sturm-und-Drang-Attitüde der Band sofort packt – selbst wenn der leiernde, moderne Gesang symptomatisch etwas zu bemüht klingt und das Durchatmen der Bridge mit dem finalen Rasen ins Nichts ob der gleichen Form von gefühlt jedem Song zu vorhersehbar ist – und Agriculture samt all seiner Kinderkrankheiten noch einmal demonstriert, dass das Quartett durchaus in Aussicht stellt, all die Lobpreisungen des um sie stattfindenden Hypes stemmen zu können. Noch ist es allerdings nicht so weit.
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