AFI – Bodies

von am 28. Juni 2021 in Album

AFI – Bodies

AFI behalten sich für Bodies die zuletzt gezeigte Schmissigkeit und unmittelbare Eingängigkeit bei, lassen allerdings die auf dem Blood Album gepflegte Tendenz zur Hardcore-Rückkehr gänzlich außer Acht.

Stattdessen tauchen sie ihren Punk/ Alternative-Rock diesmal konsequent wie nie zuvor in den New Wave, Postpunk (alleine diese Bass-Läufe!) und Pop der 80er-Jahre, referenzieren die Ästhetik von The Cure, Depeche Mode und  Such a Shame: Pastiche vielleicht, aber in den Händen der Band eben doch auch authentisch.
Eine Ausrichtung, die ästhetisch sowieso passgenau sitzt, dem derzeitigen Status Quo des AFI-Songwritings allerdings auch schmeichelhaft entgegenkommt. Bodies ist immer kurzweilig und catchy, ein paar der Ohrwürmer melden sich gar postwendend für etwaige Greatest Hits-Compilations an. Begging for Trouble etwa, das stromlinienförmig in einem hymnisch funkelnden Refrain aufgeht, inklusive Streicher und mehrstimmiger Gesang. Mehr noch aber das absolute Aushängeschild und Highlight Twisted Tongues, ein eilig angetriebener Hit, der seine Atmosphäre in einen majestätisch erhebenden Refrain führt, sich jedoch stets eine flehende Dringlichkeit bewahrt.

Dass über die Hälfte der Songs des elften Studioalbums der Amerikaner bereits im Vorfeld als Singles vorweggeschickt wurde, macht bei aller stilistischer Geschlossenheit jedoch symptomatisch auch jenseits der puren Konsumfertigkeit Sinn: Bodies zeigt selten Tiefgang und holt primär über seine unverfängliche Oberfläche ab, ist mit offensichtlicher Agenda gefällig, bietet auch wenig Hintergründiges zu entdecken, wandert auf dem Pfad der Reibungslosigkeit oft bis ins belanglose.
Weil AFI in kompakten 37 Minuten keine Ausfälle zu beklagen haben (gut, das kantenlose Looking Tragic kommt als gar simpler Singalong ebenso in die Nähe leerer Meter wie das minimalistisch auf seine aufgeräumte Young Marble Giants-würdige Rhythmussektion setzende Death of the Party, das den Industrial mit Samthandschuhen anfasst und seiner Grundidee wirklich keine spannenden Impulse einimpfen will) und obwohl man der Platte generell eine gewisse Eindimensionalität vorwerfen kann, ist Bodies in seinem Auftreten schlichtweg unterhaltsam.

Gleich das straighte Far Too Near balanciert die überschaubare Halbwertszeit des Albums mit seiner kompetenten Eingängigkeit (weswegen man aufgrund des MO trotz aller Unterschiede ein bisschen an Van Weezer denken darf), Dulceria holt sich Billy Corgan in die Songwriter-Credits, groovt mit markantem Bass und Kopfstimme als Noir-Funk für die Tanzflächen von Twin Peaks – leider steuert der Refrain den Fernsehgarten doch frustrierend banal an.
On Your Back poltert flotter und rumpelt shakend, schraffiert seine Punkwurzeln mit Goth-Piano-Patina. Escape From Los Angeles dreht die Synthies auf und hat eine starke Hook, kann jedoch nur seichtes Entertainment, weil AFI sich exemplarisch im Zweifel lieber für eine nebensächliche Unverbindlichkeit entscheiden, anstatt wirklich zwingend oder packender zu agieren. No Eyes hofiert einen schön nachhallenden Abgang des Chorus, flehentlich und ätherisch, während die Akustik-Einkehr von Tied to a Tree sich genüsslich in der Kontrast mit einer pathetisch beschworenen Dramatik legt – Kitsch kann diese Band einfach mit Klasse.
Hinsichtlich der Gesamtdynamik drosselt sonst übrigens nur Back From the Flesh das (Mid)Tempo ätherischer. Bedächtiger im Pathos schwelgend klingen AFI dann, als hätten Linkin Park nach One More Light eine Fortsetzung zu A Question of Lust geschrieben – und spendieren der schwülen Nonchalance von Bodies damit ausnahmsweise eine willkommene zusätzliche Ebene.

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