Aeon Station – Observatory
Die Geschichte des Aeon Station-Debütalbums Observatory ist eine mit der Pointe, wenn absolute Zufriedenheit unfairerweise mit einer eigentlich irrationalen Enttäuschung konfrontiert wird und deswegen die an sich verdiente Begeisterung ausbleibt.
Weil Charles Bissell auch nach knapp 20 Jahren den Hintern nicht für den Nachfolger von Meadowlands (das vom Indie-Feuilleton mit leichter Verklärung ja gerne in eine Reihe ikonischer Meisterwerke wie In a Aeroplane over the Sea oder zumindest solcher Studenten-WG-Szene-Lieblinge a la Who Will Cut Our Hair When We’re Gone? gestellt wird) hochkriegen will, hat Kevin Whelan neben Gattin Mary Ann als Backingstimme und Tom Beaujour seine restlichen Wrens-Kumpels mobilisiert, um ohne das Hadern und Zaudern des perfektionistischen Songwriting-Gegenpols Bissell endlich Nägel mit Köpfen zu machen.
„I decided he was done waiting“ sagt Whelan, was sich so auch alleine schon in der Namenswahl seiner neuen Projektionsfläche und den ästhetischen Gesichtspunkten widerspiegelt: „The name reflects the aeons-long wait to release his music. On the cover, a half-built office block signifies that projects sometimes just don’t get finished”.
Zumindest fünf Stücke sind deswegen auf Observatory gelandet, die eigentlich auf dem vierten Wrens-Langspieler stattfinden hätten sollen: Mit Sicherheit sind das Queens (ein ABBA-Tribut, der eine seine Aufbruchstimmung vehement nach vorne polternd artikuliert), Alpine Drive (der als geduldig Epilog die Frage nach dem versöhnlichen Ausklang offen lässt ) sowie Hold On (ein still verlaufendes, melancholisches Intro an den Tasten, wie es auch den Eels gefallen könnte) sowie das direkt dort anschließende Leaves (das auf eine immer breitere Ebene tritt, die Akustikgitarre zum Piano holt und in seinem ergreifenden melancholischen Spektrum die Gänsehaut nach und nach erhebender ausleuchtet und die Handbremse letztendlich hymnisch scheppernd löst) – dazu mutmaßlich noch entweder Fade (ein straight grummelnd tänzelndes Stück Indierock-Majestät samt Auslagenwechsel, die eher auf Solo-Ideen fußt) oder wahrscheinlicher das flott stampfende Better Love mit seiner beschwörenden Haltung und orchestralen Schattierungen inklusive Album-Klimax-Geste.
Dass man vor diesem Hintergrund irgendwo zwangsläufig nicht umhin kommt Observatory im Gedanken ständig permanent mit dem aufzuwiegen, was wohl möglich gewesen wäre, wenn Bissell das Material in die Mangel genommen weitergesponnenen und mit eigenen Songs ausbalanciert hätte, ist da so ungerecht wie wohl auch die irgendwo logische Konsequenz. Mit einer relativ wertneutralen Distanz lässt sich Observatory und dessen „Ist-Zustand“ ohne Traumschloss-Überbau aber höchstens ankreiden, dass der Platte manchmal schon merklich die emopunkige, angerauhte Angriffslust fehlt, um ihre Reize wirklich mit der verdienten Reibung einwirken zu lassen, oder um den letzten Meter von der ausfallfreien, mindestens immer sehr guten Substanz zur genialen zu überschreiten.
Doch auch so geben sich hier die Hochkaräter die Klinke in die Hand, wenn Whelan das Portfolio von Aeon Station mit starken eigenen neuen Songs füllt, obgleich diese trotz der homogenen Einarbeitung in den Gesamtfluss ästhetisch doch eine merklich andere Richtung einschlagen als das angedachte Wrens-Material.
Everything at Once ist etwa ein gemütlich schunkelnder Ohrwurm mit repräsentativer Harmoniesucht, Move und Empty Rooms unscheinbare zurückgenommene Balladen mit Akustikgitarre und Klavier, deren weich gebettete Elegie Brian Wilson längst näher steht als alte Jimmy Eat World – bis das bedächtig an Fahrt aufnehmende Air dann doch irgendwo direkt bei Futures landed.
Man hört den Songs (vor allem auch textlich mit fast therapeutischem Trennungsschmerz in zahlreichen Auslagen) also in mehrerlei Hinsicht an, dass sie meist 14 Jahre lang entwickelt wurden, weitestgehend nur im positiven Sinne: Sie sind ausgefeilt und durchdacht, verkrampfen dabei allerdings nicht und haben eine nonchalante, fast saloppe Wirkung – paradoxerweise mit einem latent zu perfektionistischen, wenig impulsiven Charme.
Dennoch ist Aeon Station alleine insofern schon ein Triumph, indem dieser Neubeginn Whelan von der Erwartungshaltung an ein Wrens-Comeback ein gutes Stück weit freischwimmt, wiewohl die Zukunft ungewiss bleibt und ein Punkt mehr mit etwas Abstand nicht unwahrscheinlich scheint: „Evеrything can be replaced еxcept for your time/ So I’m coming back to you and I’ll take back what’s mine/ Come hell or high water, they won’t keep me from you/ Hold strong in this fight ‘cause we’re almost through/ I’m on my way, I’m on my way back home… to you.“
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