Adrianne Lenker – Live at Revolution Hall

Adriane Lenker vermengt auf Live at Revolution Hall eine „collection of performances and moments“ von drei Auftritts-Abenden in der titelstiftenden Location in Portland im vergangenen Sommer.
Die unkonventionelle Aufarbeitung der Mitschnitte erinnert dabei ein wenig an Scabdates: Anstelle die Konzerte möglichst detailgenau und realitätsnah rekonstruieren zu wollen, versuchen Lenker und Engineer Andrew Sarlo vielmehr die damalige Stimmung und Atmosphäre (rund um die Shows) zu vermitteln und basteln aus dem analogen Material eine über zweistündige Collage, die zwischen Publikums-Interaktionen und nebensächlich eingefangenen Augenblickend schwelgend eigene, Buck Meek-Koop- und/oder Big Thief-Songs wie zufällig auftauchende Träume verschmilzt, fremde Nummern (wie I Will Always Love You) als kurze Fragmente andeutet und die Soundqualitöt im Lo-Fi-Spektrum ungezwungen flanierend schwanken lässt.
Real House wird hier nun an der Gitarre gezupft, Ruined klingt wie eine Ambiente Erinnerung. Little Things wird bis auf seinen Kern entblößt und nicht nur eine weitere Variation von Vampire Empire lässt Altbekanntes in ganz neuem Licht erscheinen. Und während sich etwa mit Happiness, Oldest, I do love you oder No Limit auch neue Stücke vorstellen, existieren Free Treasure oder Indiana beispielsweise nur noch vage.
Die unendlich charmante Aura der Platte ist warm und surreal, melancholisch und ätherisch, hat etwas unfertiges und lebendig verwaschenes. Fast surreal löst sich die Performance fragil und improvisiert scheinend in der intimen Ausstrahlung auf, endet manchmal abrupt und verlegt die Aufmerksamkeit dann auch schonmal auf eine Nebenhandlung hinter der Bühne. Diese Eigenwilligkeit kann erst irritieren, erfüllt letztlich aber (auch durch ein ein paar streng genommen weniger essentielle Meter) gerade durch seine eigenwillige, konsequente Persönlichkeit und hebt Live at Revolution Hall aus der Masse. Ohne große Gesten.
Neben Gitarre und dem bittersüßen Gesang bleibt das Instrumentarium sparsam zurückhaltend. Sporadisch erscheinen Bruder Noah an der Maultrommel, Violinist Josefin Runsteen oder Nick Hakim am Piano als Teil einer avantgardistischen Tape-Kultur (weil Form und Inhalt sich symbiotisch bedingen zu scheinen), im ganzheitlichen Organismus aus Sound und Attitüde, wo die alternative Realität der Dokumentation zu einer eigenen, strukturoffenen Kunstsprache wird – und (anderswo wohl kaputt scheinende) Klassiker wie Sadness as a Gift vielleicht noch nie derart nahbar und zerbrechlich ergreifend unter die Haut gegangen sind, wie hier.
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