A Whisper in the Noise – To Forget

von am 28. Februar 2012 in Album, Reviews

A Whisper in the Noise – To Forget

Das ewige Kreuz mit dem auszufüllenden Fußstapfen wird auch ‚To Forget‚ zum Verhängnis. Der langerwartete Nachfolger zum Meisterwerk ‚Dry Land‚ schrammt ob der Vergangenheit der Band an der Enttäuschung vorbei und begeistert abseits  dessen mit in Schönheit gegossenen Melancholiebrocken.

Enttäuschen, das musste das vierte A Whisper in the Noise Album beinahe zwangsläufig. Großartig andere Chancen bestanden nach dem so unumstößlichen, depressiv-beklemmenden Stimmungstief ‚Dry Land‚ eigentlich nicht. Das unter Stammproduzent Steve Albini erschaffene Werk war und ist zu großartig, die kargen Pianoschmerzen in ihrer Eindringlichkeit zu beispiellos: Suizidsoundtrack in seiner schönsten Form. Dass nach dem kommerziell wie künstlerische so erfolgreichen Meilenstein viereinhalb Jahre verwelken mussten und außer Bandkopf West Dylan Thordson  mal eben alle Mitglieder über Bord gingen, ließ dazu die Hoffnung mit jedem verstrichenen Monat weiter schrumpfen, die Band überhaupt jemals wieder aus der Versenkung kriechen zu sehen.
Als schon niemand mehr damit rechnet verlässt Thordson jedoch das alte Schulgebäude und  zieht in die Natur. Kein Steve Albini mehr, dafür nimmt er Gründungsmitglied Sonja Larson mit und spielt mit Ausnahmen der Streicher alles im Alleingang ein. ‚Dry Land‚ hin oder her – ‚To Forget‚ ist ein Neuanfang für A Whisper in The Noise. Schon wieder.

Der Sound ist wärmer geworden, weicher, nicht mehr so karg ausstaffiert wie bisher für die Band üblich. Das Piano steht nicht mehr vollends im Fokus, dominiert Songs wie den Beinahe-Popsongs ‚All My‚ oder ‚Black Shroud‚, muss aber nicht mehr das gesamte Songwriting stemmen, das macht schon den Einstieg klar: Für den Anlauf nehmen sich Thordson und Larson Zeit, eine Minute braucht der eröffnende Titelsong, um aus bedrohlicher Stille ein erhaben melancholisches Postrock Stück zu beschwören: das Schlagzeug pulsiert unter der Oberfläche, die Streicher weiten sich zu sehnsüchtigem Glockenspiel gemächlich aus. A Whisper in the Noise sind immer noch Meister darin, die Schnittstelle von Verzweiflung und aufkeimender Hoffnung in anmutige Töne fließen zu lassen, die Seele auf Reisen in verregnete Gefilde zu schicken. Der Spannungsbogen dehnt sich dabei immer weiter, fordert in seiner majestätischen Anmut –  und endet abermals ein Minute vor Songende.  Womit die Crux der Platte ihre Schatten vorwegwirft: Zu oft bremsen A Whisper in the Noise ihre Songs abrupt aus, beenden, was den Eindruck vermittelt, sich noch weiter entfalten zu wollen. Das stört den Albumfluss unnötig oft, reißt aus dem Spielfluss und macht ‚To Forget‚ zu einem gefühlten Flickwerk aus großartigen Songs.

A Sea Estranging Us‚ tröpfelt beängstigend nahe am Nahtoderlebnis  vorbei, macht auch plötzlich Schluss; der Slowcore von ‚Sad, Sad Song‚ nimmt sich dazu passend selbst beim Wort. Die Gitarren wenden sich schüchtern ab, dabei spielt das Schlagzeug ohnedies mit Wehmut. Dagegen wirkt der entrückte Mitternachtsfolk von ‚Every Blade Of Grass‚ in seiner Dramatik beinahe aufrüttelnd. Die Slide Gitarre hallt verrucht nach, die Vergänglichkeit trifft auf die Ewigkeit. Wo ‚A Sea Estranging Us‚ in den Wohnzimmern von Twin Peaks stattfinden hätte können, schwadroniert ‚Every Blade Of Grass‚ unheilschwanger durch die Straßen der Stadt und findet das Albumhighlight ‚Your Hand‚ im Roadhouse: Larson klingt wie Julie Cruise, unwirklich, anmutig und erdrückend. Die Luft ist derart rauchverhangen, dass man kaum erkennen kann, wie dreist A Whisper in the Noise hierfür stellenweise bei ‚No Widows‚ geklaut haben. Musik, die ein Lächeln fordert und Tränen produziert, ein Song für die eigene Beerdigung.  Das nicken Gregor Samsa, Gravenhurst oder Crippled Black Phoenix ehrfürchtig durch.

Schöner wird ‚To Forget‚ in der abschließenden Pianoelegie  ‚Of This Sorrow‚ nicht mehr. Auch, weil von knapp dreizehn Minuten nach deren ersten vier der Rest aus Grillenzirpen besteht. Atmosphärisch, vielleicht. Notwendig jedoch auf keinen Fall. Und eine Unterstreichung dafür, wie viel besser dieses grandiose Quasi-Comeback Album noch hätte werden können, ja müssen: Mit etwas mehr Sorgfalt bei den Songübergängen, im Albumgefüge – was hieraus wachsen hätte können, wäre etwa Albini wieder involviert gewesen, bleibt im Dunklen. Wunderbar, dass es A Whisper in the Noise immer noch und wieder gibt – es bleibt jedoch der fahle Beigeschmack, dass ‚To Forget‚ das Potential gehabt hätte, ‚Dry Land‚ das sprichwörtliche Wasser zu reichen, aber mutwillig daran gehindert wurde. Und das ist beinahe ebenso traurig, wie es die versammelten neun Songs in all ihrer Schönheit sind.

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