A Canyon In The Sea – Lost Landscapes
A Canyon in the Sea ist ein „one man bedroom post-something project, by a fan of experimental postrock music who tried to make something he would listen to himself“ – und Lost Landscapes in dieser Ausrichtung mehr als nur ein vielversprechendes Debütalbum.
Gerade weil Lost Landscapes in Graz, also quasi vor der eigenen Haustüre, entstanden ist, und mit dem jungen Label Polawa Records zudem eine Heimat gefunden hat, die rund um (den auch für das Artwork der hier versammelten vier Longtracks zuständig zeichnenden) Bog–Fellow Traveller Tim Primbs erwartungsgemäß für Genre-Qualität zu bürgen scheint, ist es eine Schande, dass der A Canyon in the Sea-Einstand einige Monate unter dem Heavy Pop-Radar hindurchgesegelt ist.
Gut jedoch, dass die kurzweiligen 42 Minuten der Platte kein Ablaufdatum tragen, indem sie die Tugenden der stilistischen Wurzeln mit einem so kultivierten Sachverständnis pflegen, das trotz einiger Kinderkrankheiten eher an routinierte Veteranen-Klasse denken lässt, als wie die ersten Schritte eines neuen Projektes anzumuten.
A Room Full Of Paintings beginnt an den ambienten Ausläufern des Postrock. Kontemplativ perlen melancholisch hallende Gitarrenspuren aus dem Lehrbuch von Explosions in the Sky oszillierend, während behutsame Beats pluckern, wie das 65daysofstatic wohl inszenieren würden, wenn sie Indietronic-Motive an den meditativen Trip Hop heranführen wollten – angenehm berieselnd, stimmungsvoll; bis sich A Canyon in the Sea mit archetypischer Geduld in den majestätischen, entschleunigten Groove legt, und den instrumentalen Rock mit versierter Hand dekliniert. Dass sich der Opener aus diesem Zustand der Katharsis fast zu abrupt wieder in den Sigur Ròs’schen Traum des Einstiegs ausbremst, derweil die zweigeteilte Struktur keinen wirklich befriedigenden Klimax als Ende aufbietet, ist dann, um es vorwegzunehmen, aber durchaus symptomatisch für Lost Landscapes.
Denn auch Sun endet zu plötzlich, mit einem unfertigen Beigeschmack, nachdem hier im gleißenden Licht erst die formoffene Schnittstelle von Dredg und sehnsüchtigen U2-The Edge-Gesten mit dem Post Hardcore von Thrice dort skizziert wurde, wo Russian Circles und Pelican monolithisch malen, der Monotonie mit impulsiven Drum-Salven zuvorkommend.
Das großartige, neoklassizistisch eingefärbte (und für die keinerlei Gleichförmigkeit aufkommende Dynamik der homogenen Platte stehende) We’ve Met Before Haven’t We sinniert dagegen imaginativ entlang eines getragenen Pianos, die glitchenden Beats suggerieren eine vertrackt imitierte Gangart, begleiten den Wohlklang aber eigentlich mit nostalgischer, gefälliger Grandezza.
Tatsächlich wäre es spannender gewesen, wenn der programmierte Rhythmus für eine konfrontative Reibung gesorgt hätte, erarbeitet hätte werden müssen, statt das verträumte Schwelgen reibungslos zu begleiten, zumal der Spannungsbogen nach kurzer Einkehr wieder formelhaft am Postrock-Baukasten aufbricht. Die Ekstase mit tackernden Blastbeats schielt danach irgendwann sogar fast pastoral zur Schönheit des Blackgaze, was eine feine Entwicklung ist, gerade für das übergeordnete Narrativ. Subjektiv klingen die Drums dabei allerdings fast zu sauber, sind wieder zu harmonisch mit den Gitarren abgestimmt, auch weil die Stop-and-Go-Phasen des Schlagzeugs Gefahr laufen, das Metal-Pastiche zu bemühen, zudem der kompositionelle Rahmen relativ vorhersehbar wieder nahe zum kurzen Epilog des eingangs etablierten Klaviers zurückfindet: Hier hätte ein weniger leicht verdauliches Mut zum (hässlichen) Risiko aus einem sehr guten Song locker einen atemberaubenden Leviathan machen können – doch das ist Jammern auf hohem Niveau.
Dieser sich wie ein roter Faden durch die Platte ziehende Kritikpunkt, dass die Kompositionen meist annähernd dort enden, wo sie begonnen haben (und damit den zurückgelegten Weg ein wenig entwerten) oder kein restlos erfüllendes Ziel finden, lässt sich auch im Closer Glass nachhören – schöner ist es aber, sich in der wunderbaren Atmosphäre zu verlieren: Minimalistischer Space Ambient schickt das Kopfkino auf Reisen, halluzinogene Frequenzen treiben schwerelos dahin, und Lost Landscapes wächst beinahe orchestral anmutend so imposant immer dichter anschwellend zusammen – groß, geduldig, cinematographisch, den Raum für ein majestätisches Panorama nutzend. Oder: Lost Landscapes ist aus dem gefühlten Nichts kommend bereits auf den Erstkontakt hin so viel mehr als nur eine beeindruckende Talentprobe, die nicht so schnell vom Radar verschwinden wird.
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