Fucked Up – One Day
One Day ist wohl auch ein Opfer seiner Zeit: als spontan gedachter Fucked Up-Impuls markieren die dreieinhalb Jahre Entstehungszeit tatsächlich einen Teil der längsten Pause zwischen zwei Langspielern der Kanadier. (Sofern man den Abschluss der Year Horse-Reihe auf einem Nebenstrang des Kanons rechnet freilich).
Das Konzept hinter dem offiziell sechsten Studioalbum der Kanadier wäre an sich ziemlich simplizistisch: Jedes Mitglied (also dem erstmals seit langer Zeit auch wieder ein paar eigene Texte beisteuernden Sänger Damian Abraham, Bassistin Sandy Miranda, Drummer Jonah Falco und der nunmehr – weil Ben Cook die Band ja 2021 verlassen hat und Josh Zucker nicht auf One Day agiert – alle Gitarren-Aspekte im Alleingang stemmende Gitarrist und kreative Leithammel Mike Haliechuk haben jeder für sich den einen titelstiftenden Tag Zeit, um ihre jeweiligen Parts zu kreieren und einzuspielen.
Tatsächlich tolerierte Corona keine derartig ansatzlos Impulsivität und von den ersten Aufnahmen 2019 bis zum finalen Mix und Mastering im April 2022 dauerte es ebenso wie die grundlegend ins nächste Kalenderjahr verschleppte Veröffentlichung die Tage weit über die 24 Stunden-Grenze verstreichen ließ.
Vielleicht liegt es nun eben auch an dieser Hintergrundgeschichte, dass sich One Day nur bedingt spritzig anfühlt, eher gefällig kontrolliert und wohlüberlegt entlang seiner zahlreichen Gitarrenspuren poliert nichts raues oder ungeschliffen aggressives transportiert, keinerlei Radikalität zulässt – ohne dabei aber alleine an der Erwartungshaltung zu scheiterten.
Die an sich simplen Kompositionen und netten Hooks werden keineswegs verkopft zerdacht, aber mit Netz und doppelten Boden (nicht nur im eröffnenden Doppel aus Found, das sich feierlich jubilierend im Chor ebenso wie der sich ziehende 08/15-Bausatz Lords of Kensington aufschwingt und I Think I Might Be Weird, das die Streicher aus der Oper holt, um Fang Island und Queen zu fusionieren – und dabei doch vor allem Trademarks bedient) doch so weit mit Gimmicks drapiert, als sollte man neben der Zuverlässigkeit auch einmal mehr darüber staunen, wie viele Lagen Fucked Up selbst in vergleichsweise kurzer Zeit in einen Songs stopfen können.
So fühlen sich die 40 Minuten einerseits weder wirklich an, als würden Fucked Up niemals all in zum Risiko gehen, selten aber auch so euphorisierend, wie das die Band ansonsten in ihren besten Momenten immer war.
Irritierenderweise in der Mitte der Straße (zwischen Hardcore und Pop) agierend bleibt das Werk so ambivalent. Huge New Her ist ein flotterer Klopper, dem nur der nötige Biss fehlt, Broken Little Boys ein netter Midtempo-Stampfer dessen hymnische Absichten keinen emotionalen Zugriff bekommen, bevor das gefällige Falling Right Under um seine etwas nervende Hook torkelt. Im Titelsong geben die Backing Harmonien der Vocals Schwung mit, doch dauert die Nummer einfach zu lange, bevor der Closer Roar als powerpoppig ausbalancierter Baukasten einfach vollkommen unterwältigend bleibt und jegliche hemmungslose Intensität oder Megalomanie vermissen lässt. Symptomatisch für all die zahlreichen catchy Phasen, die nicht zum Punkt finden: Erstmals in ihrer Karriere muss man Fucked Up vorwerfen, dass sie in Summe einfach ein bisschen langweilig klingen. Vielleicht auch von sich selbst.
Insofern ist One Day auch dann am besten – und sich selbst doch noch knapp über den Durchschnitt rettend! – wenn die Band das halbgare Aufwärmen der Komfortzone belässt und sich von der Basis weitestgehend verabschiedet. Also wenn Nothing’s Immortal mit schön verträumt bimmelnder Patina einen auf Cheap Trick macht und Cicada die bestmögliche Achse aus Dinosaur Jr. und Hüsker Dü probiert.
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