2024: Honorable Mentions

von am 30. Dezember 2024 in Featured, Jahrescharts 2024

2024: Honorable Mentions

Wie jedes Jahr stellt sich die Frage, ob zumindest eine Handvoll der tollen Alben, die es aus unterschiedlichen Gründen nicht in die regulären Top 50 geschafft haben, einfach unter den Tisch fallen sollen, nicht: Für ein kleines bisschen des verdienten Spotlights sind die Honorable Mentions da. Auch wenn die heuer aus allen Nähten platzen, weil die Lage 2024 insofern besonders präkerer war, da der Schwall an herausragenden Veröffentlichungen selbst im Dezember nicht abreißen wollte.

| HM | EPs | 50 – 41 | 40 – 31 | 30 – 21 | 20 – 11 | 10 – 01  | Playlisten |

A Swarm of the Sun - An EmpireA Swarm of the Sun – An Empire

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Die monolithische Melancholie von An Empire ist in ihrer Schönheit ebenso erdrückend wie erhebend, kann einen schier verzweifeln lassen, weil das fast ambientartig angelegte cinematographische Volumen aus Postrock und behutsam eingewobenem -metal über massiven Orgel-Texturen und dezenten Trompeten-Arrangements eine intime Weite voll zerbrechlicher Majestät und wohldosiertem Pathos erzeugt.
Der Kosmos von A Swarm of the Sun holt heimelig ab und kann aufgrund seiner Größe dennoch ein Gefühl der Verlorenheit wecken. Das vierte Album der Schweden trägt seinen Titel insofern (wie eigentlich auch die beiden Vorgänger The Rifts und The Woods) zu recht, wenn die bis zu 18 Minuten ausholenden Songs sich grundlegend reduziert angelegt, aber so dicht gestrickt und ästhetisch fesselnd angelegt sind, dass die Musik von Erik Nilsson und Jakob Berglund als die zärtliche Umkehrseite von Cult of Luna wie ein schwarzes Loch von einem Trostpflaster wirkt.

Bongripper - EmptyBongripper – Empty

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Die längste (und nur 2020 durch den Archiv-Drone von Glaciers unterbrochene) Pause, die Dennis Pleckham, Nick Dellacroce, Ronald Petzke undDaniel O’Connor sich verschrieben haben, hat ihrer Band gut getan. Empty pflegt das Denkmal, das Bongripper sich selbst im Doom Metal mit ihren Prachtexemplaren Hippie Killer (2007) und Satan Worshipping Doom (2010) errichtet haben, nämlich wieder um das Quäntchen befriedigender, als seine beiden direkten Vorgängerwerke.
Die bewährte Instrumental-Formel aus staunend machenden Riffkaskaden und einer tiefenwirksamer Atmosphärearbeit hinter der epischen Heaviness gelingt diesmal über vier Songs (im kürzesten Fall über zwölf Minuten, im ausführlichsten fast zweiundzwanzig Minuten kompakt) nämlich einerseits zwingender und inspirierter fließend als zuletzt, andererseits hat die Band aus Chicago mit Forever ein Karriere-Highlight geschrieben, das dem wohl achten Langspieler eine kolossale Relevanz verleiht.

Brigitte Calls Me Baby - The Future Is Our Way OutBrigitte Calls Me Baby – The Future Is Our Way Out

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Hätte eine künstliche Intelligenz für all jene, die Morrissey nicht mehr ruhigen Gewissens hören können/wollen, einen superschnittigen Hybriden aus The Smiths, Roy Orbison und The Cure kreieren müssen, der unter einem grenzdebilen Bandnamen zudem von einem entrückten Robert Pattinson-Lookalike angeführt wird, wäre der Algorithmus grundlegend – optisch, musikalisch, ästhetisch – wohl unweit von Brigitte Calls Me Baby gelandet.
Was sich jedoch kaum simulieren ließe, ist dieses absolute Händchen von Frontmann Wes Leavins für Hits wie We Were Never Alive und (ausnahmslos!) Ohrwürmer, die in ihrer Schmissigkeit praktisch sofort zünden und sich dennoch kaum abnutzen. Wäre The Future is Our Way Out Anfang der 00er Jahre erschienen, hätte dem Quintett aus Los Angeles (als massentaugliches Zugpferd für vielversprechende Kollegen wie Louse) wohl die Indie-Weltherrschaft gewunken.

Discure - Soundtrack for People Who Hate MusicDiscure – Soundtrack for People Who Hate Music

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Spätestens seit der tollen Split mit Amer ist die Wartezeit auf das zweite Album von Discure eine harte geworden – wenn auch an sich keine, bei der mit einem überraschendem Ausgang zu rechnen war: Dass die Band aus Wien wieder abliefern würde war eigentlich klar; und Grazil Records als (eine) Heimat bürgt zusätzlich für Qualität.
Der Soundtrack for People Who Hate Music trifft ungeachtet seines plakativen Titels auch wirklich mühelos ins Schwarze, ist ein Adrenalinschub für alle, die die dreckige Achse aus Hardcore, Grind und sludgig angehauchtem Punk lieben. Ob es Szenen wie die Spoken Word-Passage in Metamorphose wirklich gebraucht hat, sei dann auch dahingestellt. Weil Discure ein bestechendes Händchen für eine organisch eingeflochtene Bandbreite im Pacing haben und deswegen eben auch Szenen wie das epische Verwelkt mit seinem Piano-Abgang anbieten, Tristesse alles zerkloppen lassen und dennoch Raum für Melodien lassen, oder Taubblind letztendlich so bockstark in die Atmosphäre übergeben.

Gastr Del Sol - We Have Dozens of TitlesGastr Del Sol – We Have Dozens of Titles

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We Have Dozens of Titles hat an dieser Stelle streng genommen als offizielle Compilation nichts verloren.
Aber was Jim O’Rourke aus den Archiven der mit David Grubbs vor 25 Jahren beerdigten Band gezogen und zu einem runden Ganzen – „an alternative view to their genre-melting 1993-1998 run“ – verwoben hat, ist einfach zu gut, wegen seiner ganz ohne Verklärung anhaltende Anziehungskraft auch weiterhin zu präsent im rezeptionellen Erarbeiten, um ihm im Rückblick noch einmal einen Ehrenplatz zu gönnen.
Zumal sich die Sammlung aus bisher unveröffentlichtem Material und stimmungsvoll eingefangenen Live-Versionen weniger wie Resteverwertung, als vielmehr ein neues Werk des Duos anfühlt, auf dem es die Schnittmengen aus experimentellem Postrock, avantgardistischen Ambient oder mysteriösen Drone-Soundcollagen mit der ihm eigenen, unergründlichen Schönheit erforscht.

Gnome - Vestiges of Verumex VisidromeGnome – Vestiges of Verumex Visidrome

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Gnome bauen in ihr drittes Studioalbum ein paar der besten Riffs der jüngeren Stoner-Vergangenheit, verschnüren Vestiges of Verumex Visidrome seinem Artwork entsprechend aber mit einer immer wieder mit der Tür ins Haus fallenden Weirdo-Exzentrik.
In Old Soul brüllt das Gaspedal etwa von Action-Schlachtfilm-Doom zur Psychedelik und ist trotzdem eine irritierende Verneigung vor gackernden Primus, der Highway vor The Ogre nimmt das The Sword-Comeback dagegen mit groovenden Prog-Segmenten und einer sexy Saxophon-Einlage vorweg.
Und da sind gerade einmal zwei von acht Songs geschafft, in deren weiteren Verlauf Gnome unter anderem noch einen auf Mariachi machen werden oder den Funk umarmen. Was alles freilich wenig wert wäre, wenn das belgische Trio – Kevin, Little Kevin, Kevin Junior – seine Spleens nicht am Altar des schlüssigen Songwritings darbringen würde und deswegen nichtsdestotrotz auch gute Karten hat, um Genre-Puristen den Schneid abzukaufen.

Jaubi - A Sound HeartJaubi – A Sound Heart

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Endlessness und Fearless Movement konnten 2024 wohl mehr Aufmerksamkeit in der Jazz-Blase abseits der tatsächlich Genre-kundigen Szene generiert. Dem Zweitwerk des von Bandleader Ali Riaz Baqar aus Pakistan, Australien, England und Pole zusammengezogenen Kollektivs Jaubi deswegen nicht die nötige Zeit zu widmen, wäre aber ein Fehler.
Denn gerade wenn das Debüt Nafs at Peace 2021 einen massiven Stein ins Brett getrieben hat, verlangt A Sound Heart Auseinandersetzung – und die Bereitschaft, sich damit zu arrangieren, dass Jaubi ihren Sound merklich verwestlicht haben, ihn über eine deutlich gewachsene Spielzeit in Peter Gabriel’s Real World Studios aber auch auf eine breitere, ambitioniertere Ebene gehoben haben.
Da eilt nun in einer virtuosen Collage der Big Band Swing zur Fusion aus Funk und Psychedelik, orientalischer Ambient fließt zu einem melancholischen Flanieren und Sarangi-Balladen träumen von Piano-Elegien. Das wächst sich nach und nach sogar zu einem die Erwartungen übertreffenden Zweitwerk aus, das in niemandes Schatten stehen muss.

Ka - The Thief Next to JesusKa – The Thief Next to Jesus

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Nach der für ihn relativ langen Pause von fast zwei Jahren zwischen zwei Platten veröffentlicht Kaseem Ryan sein neuntes Studioalbum ohne Vorankündigung. Noch überraschender ist dabei nur, dass sich The Thief Next to Jesus (gerade auch rückblickend) wie genau das Werk anfühlt, auf das der immer so bockstark liefernde Ka seit seinem Solodebüt Iron Works 2008 hingearbeitet hat. Indem es die Signaturen seiner Vorgänger gewissermaßen mit einer fettfreien Kompaktheit in Richtung formvollendeten Zenit lenkt.
I really wanted to come back with something meaningful. This one holds a special place for me. Hope it moves you in the same way“. Sein dem Release mitgeschickter Wunsch geht in Erfüllung – vom überragenden Opener Bread, Wine, Body, Blood bis zum verstörenden Redemption Arc-Closer True Holy Water döst The Thief Next to Jesus in seiner relaxt angejazzten Abstraktion des Hip Hop mit Fokus und klarer Linie, superb produziert und textlich gewohnt brillant.
Kaseem Ryan verstarb im Alter von 52 Jahren am 12. Oktober 2024, 23 Tage nach der Veröffentlichung seines nunmehr finalen Studioalbums.

Alexander Gregory Kent - Teaches Dust to ReasonAlexander Gregory Kent – Teaches Dust to Reason

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Die unerwartete Implosion von Sprain hatte für Alex Gregory Kent ganz offensichtlich entfesselnde Auswirkungen: Mit Shearlings und Big Brown Cow veröffentlichte er bereits in neuen (Band)Projekten Musik, unter eigenem Namen sind 2024 sogar gleich zwei Alben erschienen.
Auf dem ersten, dem auch über gängige Streaming-Dienste verfügbaren Teaches Dust to Reason, erforscht er die Zwischenwelten den Noise, Ambient und Drone mit einem naturalistischen Spürsinn, der zu gleichen Teilen abrasiv und hypnotisch betört. Da ist eine Unergründlichkeit, die fasziniert. Die einladend transzendiert, in Trance ratlos lässt, die Dunkelheit hinter Spectral Evolution schraffiert.
Kent wandert nun durch Klangwelten bis in die Schlaflied-Tröume von Michael Gira, folgt seiner Intuitionen anstatt zu komponieren, und findet melodische Felder wie ein neugieriger Forscher, der keine kritische Distanz zu Wundern an den Tag legen will. Damit hat er sich damit von den relativen Fesseln gelöst, die auf The Lamb as Effigy noch zu konventionelleren Formen geführt haben und sich eine Freiheit geschaffen, die – wenngleich in ihrem letzten Drittel soch zu ziellos angelegt und leider mäandernd – etwas Apokalyptisches hat.

Kriegshög - Love & RevengeKriegshög – Love & Revenge

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Durch das eine siebenjährige Studio-Abstinenz beendenden Heavy Metal Black Belt haben Electric Eel Shock vielleicht das auf persönlicher, sentimentaler Ebene gewichtigere Comebackalbum einer japanischen Band im Jahre 2024 hingelegt. Das eindrucksvollere – und halbwegs objektiv betrachtet schlichtweg auch qualitativ zwingendere und zudem eine längere Auszeit beendende – lieferten allerdings Kriegshög.
Love & Revenge ist der Nachfolger des 2010 erschienenen selbstbetitelten Debütalbums der Band aus Tokyo, auf dem Kriegshög das Kunststück schaffen, die Energie und den Enthusiasmus, den ihr Hardcore und Crust Punk vor knapp eineinhalb Jahrzehnten überwältigens überspringen ließ, ansatzlos wiederaufleben zu lassen, diesem räudigen Gewetze aber melodischere Tricks beizubringen, und mit Songs wie Grey Agony sogar bis in den Guitar Wolf‘esken Garage Rock’n’Roll zu wetzen.
Dass Love & Revenge mit 22 Minuten Spielzeit auch keine Sekunde verschwendet, macht nur noch mehr Bock.

Lifeless Dark - Forces of Nature's TransformationLifeless Dark – Forces of Nature’s Transformation

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Nach sechs Jahren (keineswegs freiwilliger) Funkstille hinter ihrer ersten Demo-EP Who Will Be The Victims? musste man auch mit einer gehörigen Portion Zweckoptimismus nicht mehr unbedingt damit rechnen, dass von Lifeless Dark noch viel kommen würde.
Und dann stürmen sie 21 Tage vor dem nächsten anbrechenden Kalenderjahr mit einem Debütalbum aus dem Hinterhalt, das den Hype von 2018 locker stemmt und jeden Jahresrückblick verzweifeln lässt (bzw. all jene, die zu voreilig veröffentlicht wurden auch ein gutes Stück weit obsolet machen). Forces of Nature’s Transformation zollt seinen Säulenheiligen Sacrilege nämlich mit grandiosen Songs Tribut, die den dreckigen Crust mit der Energie des Hardcore in der kalten Ästhetik des Postpunk spielt, und D-Beat-Ritte mit frenetischen Thrash Metal-Salven belohnt.
Am besten ist aber, dass Frontfrau Elaine sich vollkommen erholt zu haben scheint: ihre aggressive Performance ist das Kerosin in diesem Flammenwerfer von einem Album.

Missouri Executive Order 44 – Salt Sermon

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Schon klar, das sich ein Konzeptalbum (in diesem Fall über „religious trauma, the acceptance of radical love, anti-authoritarianism. anti-colonialism, the slow yet constant alienation of basic human rights in the bible belt, and the art of the streetside brawl“) ein paar Samples und Zwischenspiele zur Verdichtung der Rahmenhandlung gönnen will – und natürlich auch kann und darf. Missouri Executive Order 44 platzieren ein paar davon allerdings so, dass es den an sich so rasanten Fluss von Salt Sermon hier und da ein klein wenig ausbremst.
Das ist schade, aber keine Katastrophe. Am Ende von elf Songs in fünfzehn Minuten wird, die hohen Erwartungen nach Seventeen Dead in Caldwell Country sogar noch übertreffend, dennoch eines der besten Grind-Sasscore-Debütalben einer „bike-helmet wearing hardcore band“ jüngerer Vergangenheit stehen.

Slovenly Hooks – Make or Mar

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Die Rückkehr von Craig B aus der Musikerpension gehört gewissermaßen zu den wenigen positiven Aspekten, die die COVID-Pandemie mit sich gebracht hat.
Wo das selbstbetitelte Debüt von Slovenly Hooks in seiner rein instrumental gehaltenen Unverbindlichkeit als ästhetische Übung mit dogmatischen Regeln (etwa: keine Gitarren, kein Gesang) noch einer Beschäftigungstherapie gleichkam, markiert Make or Mar nun allerdings sogar den Ausgangspunkt, mit der das Projekt sich künftig an Aereogramme, The Unwinding Hours und A Mote of Dust messen könnte: Craig B findet den Weg zu etwa skonventionelleren Songwriting-Formen in der ambienten Elektronik und dazu seine Stimme wieder.
Slovenly Hooks funktioniert insofern im zweiten Durchgang auf ganz anderen emotionalen Ebenen als der 2021er-Einstand. Berührt und wächst, vor allem bei einsamen Spaziergängen durch die Nacht.

Sun Kil Moon and Amoeba - Sun Kil Moon and AmoebaSun Kil Moon and Amoeba – Sun Kil Moon and Amoeba

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Nachdem Benji vor einer Dekade die Heydays von Sun Kil Moon beendete, konnte Mark Kozelek erst mit dem Material, das im Vorjahr in Quiet Beach House Nights mündete, wieder eine Relevanz als Musiker abseits der enervierenden Stream-of-Consciousness-Egozentrik und uninspirierten Performance für sich generieren. Seitdem sind auch durchaus ein paar tolle Kurzformate abgefallen.
Wirklich aufgeblüht ist der 57 jährige Amerikaner aber erst durch die ungarische Band Amoeba, die ihm mit einem loungetauglichen, dezent funky daherkommenden Jazz-Ambiente den Rahmen beschert hat, um eine gewisse Leichtigkeit wiederzufinden, die auch endlich wieder Gesang und sogar eine gewisse Hit-Affinität an den Tag legt. Dass die erschütternde Tiefgründigkeit von einst dabei einer angenehm zu konsumierenden Easy Listening-Gefälligkeit gewichen ist, wird gerade bei Ohrwürmer wie Mindy oder Hungarian Lullaby auch ohne die Alben der vergangenen zehn Jahre als relativierender Gradmesser ein annehmbarer Tausch.

Supplicate - SkulkSupplicate – Skulk

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Andy Gibbs zeigt seinem elektronischen Dark Ambient-Alias Supplicate auf Skulk die Welt jenseits von Blade Runner. Da gibt es Industrial, Drone, Goth, Shoegaze, beinahe Pop und sogar Ethereal Wave-Clubmusik, vor allem aber eine intrinsische Tiefe, die wie eine Reise in ein dystopisches Kaninchenloch unter die Haut geht.
Die Maxime, dass all die Nebenprojekte der Thou-Mitglieder – von Big Garden bis Karenia Brevis – das Mutterschiff des Nola-Sludge zuletzt griffiger gemacht haben, funktioniert insofern auch ein gutes Stück weit im Umkehrschluss.
It’s different than anything i’ve done and it challenged me in a bunch of different ways“ sagt Gibbs über Skulk und ergänzt mit einem berechtigten „but i’m very very proud of what i achieved.“ Die Entwicklung einer immer vielschichtigeren Persönlichkeit, die Supplicate auf dem Vermächtnis von Crimewave seit der ersten Demo 2017 offenbart hat, ist wirklich eine beeindruckende.

Tapir! - The Pilgrim, Their God and The King Of My Decrepit MountainTapir! – The Pilgrim, Their God and The King Of My Decrepit Mountain

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Die aktuell schätzungsweise drölfzigste tolle Newcomerband aus Greater London landet mit The Pilgrim, Their God and the King of My Decrepit Mountain nur deswegen nicht in den regulären Top 50, weil das offizielle Debütalbum zu zwei Drittel eine Compilation aus den bisherigen beiden EPs darstellt, ergänzt um die vier neuen Stücke eines die Konzept-Erzählung nun abschließenden dritten Akts.
Es bleibt dabei Auslegungssache, ob man Tapir! ankreiden will, das die The King of My Decrepit Mountain-Passage ihres Triptychons das Niveau der ersten beiden EPs nicht ganz halten kann. Oder ob man darüber schwärmen möchte, dass die Stücke von The Pilgrim (2022) und Their God (2023) heute immer noch genauso zauberhaft an der Hand nehmen, wie bei ihrem Erscheinen – daher die beiden neuen Non-Album-Singles Hallelujah Bruv und Nail in a Wooden Trunk aber fantastisch ausgefallen sind, liegt die Tendenz zu der zweiten Sichtweise näher.
Zumal man sich im Zweifelsfall ja darauf einigen kann, dass Folktronica-Ohrwürmer wie On a Grassy Knoll, We’ll Bow Together, Gymnopédie oder My God allesamt eine zeitlose Perspektive bieten.

Unikneim - CUnikneim – C

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C hätte eigentlich absolut die Qualitäten, um in den regulären Top 50 dieses Jahresrückblicks weit, weit nach vorne zu breschen.
Um eine Platzierung des ersten Albums von Unikneim in Relation zu den restlichen Platten der Liste halbwegs seriös abzuwägen, konnte die Zeit dann aber – wie auch bei Slovenly Hooks – einfach nicht reichen: Das von Focusrights-Gitarrist Dmitry Polyakov rekrutierte Trio (das durch Chad Kapper und Lee Fisher Namen wie Frontierer oder Fawn Limbs in der Vita vorweisen kann) hat diesen über vier Jahre aufgenommenen und eklektizistisch-eigenwillig destillierten „Math noise from within the boundaries of USA and the darkness beyond“ doch erst weniger Tage vor dem Beginn des neuen Kalenderjahres auf die Hörerschaft losgelassen.
Zu entdecken gibt es da über gerade einmal 15 Minuten mehr als genug, das Suchtpotential und Wachstum gehen exponentiell Hand und Hand.

Velvet – Romance

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Velvet klingen, das kann man schon ganz nüchtern festhalten, praktisch deckungsgleich mit unzählige weiteren Epigonen des modernden Shoegaze-Booms da draußen. Aus der Masse hebt sie offenkundig wenig ab. Und geht von Romance ein größrerer, nachhaltigerer Reiz aus, als von einem Gros der überschwemmten Szene.
Woran das liegt, ist kaum exakt zu definieren. Wenn sich die acht Songs des Debütalbums der New Yorker in ihrer ätherischen Nähe zum dunklen Alternative Rock unweit von Grivo mit jedem Durchgang als vertraute Melange aus romantischem, archetypischen Songwriting und melancholischem Sound voll apathischem Reverb und gehauchter Intimität immer tiefgehender fesselnd ausbreiten, ist das aber vielleicht auch gar nicht unbedingt nötig.
Velvet sind durch die Whirr-Schule des Genres sozialisiert worden und haben passenderweise auch gleich Nick Bassett als Produzent mit an Bord. Sie treffen den bestimmten Punkt, in dem die subjektiven Präferenzen greifen, einfach ziemlich ideal. Vor allem aber tragen sie mit viel Talent und Könne samt wenig Extravanganz den Keim in sich, das gewisse Etwas entwickeln zu können.

Weston Super Maim - See You Tomorrow BabyWeston Super Maim – See You Tomorrow Baby

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Der Dezember hat zwar ohnedies noch dafür gesorgt, dass es 2024 gar kein Frontierer-Methadon gebraucht hätte. Doch das in erster Linie dorthin abzielende Zweitwerk von Weston Super Maim (auf dem Mastermind Tom Stevens nunmehr durch Seth Detrick verstärkt wird) leistet als unerwartet heftige Leistungsexplosion nach dem eher nur soliden Debüt The Neglected Works von 2020 spätestens auf den zweiten Blick ohnedies mehr als „nur“ das..
See You Tomorrow Baby biegt sich die Mathcore-Stangenware mit einer fast absurd ergonomischen Kraft zurecht, zeigt entlang einer Meshuggah-liebenden Djent-Affinität eine ständige Ambition in jeder Bewegung: Diese Band kann und will stets mehr, strebt nach Größe. Genau darin beginnt sich auch die individuelle Klasse in diesem auf Hochglanz gepumpten Diamanten abzuzeichnen. Der Albumtitel meint also eigentlich das Versprechen, dass man hier mutmaßlich eine Band an der Grenze zur Speerspitze der Szene und knapp vor Augenhöhe mit den anvisierten Idolen hört, weil morgen schon der Krönung im nächsten Level erfolgen sollte.

We Are Winter's Blue And Radiant Children - "NO MORE APOCALYPSE FATHER"We Are Winter’s Blue And Radiant Children – „NO MORE APOCALYPSE FATHER“

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„NO MORE APOCALYPSE FATHER“ ist natürlich nicht der bestmögliche Ersatz dafür, dass die Pandemie die Comeback-Pläne von Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra vereitelt hat.
Zwar sind die Assoziationen diesbezüglich aufgrund des (besser denn je dargebrachten) Gesangs von Efrim Manuel Menuck naheliegend und nachvollziehbar. Allerdings erschafft er im geschlossenen Verbund mit dem Ada-Doppel Jonathan Downs und Patch One sowie vor allem dem in diesem Jahr unglaublich konstant abliefernden Mat Ball eine ganz eigene Identität für mystische, naturalistische, meditative (und meist auch etwas zu kurze) Drone-Balladen, die auch deswegen am Ende von 2024 noch einen immensen Gunst-Schub erfahren (und beispielsweise ein Amplified Guitar II beim Rennen um den Listen Einzug diesbezüglich praktisch in letzter Sekunde noch überholt) haben, weil We Are Winter’s Blue And Radiant Children ihrem Namen alle Ehre machen, und in der dunklen Zeit des Jahres vorzüglich funktionieren.

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