2018: Honorable Mentions
Der Pool an Platten, die für die Heavy Pop Best of 2018-Liste in Frage kamen, war in diesem Jahr mehr als doppelt so lange wie 2017. Die traditionellen Honorable Mentions fallen deswegen auch weniger obskur aus dem Spektrum der restlichen Top 50, als dass sie diesmal expliziter als sonst bereits als verlängerter Arm der Charts verstanden werden dürfen: Falsch macht man mit diesen 15 hervorragenden Alben jedenfalls definitiv nichts, sie seien jedem ans Herz gelegt!
218 Songs | HM | Kurzformate | 50 – 41 | 40 – 31 | 30 – 21 | 20 – 11 | 10 – 01 |
A Perfect Circle – Eat the Elephant
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Erst wärmen sie Erinnerungen an alte Glanztage nur langsam über mediokre Best Of-Compilations und gelungene Livealben auf, dann kommen A Perfect Circle justament vor der proklamierten Tool-Rückkehr (2019 wird es ja wirklich so weit sein, ganz sicher!) in Gang. Doch das erste Album der Supergroup von Maynard James Keenan und Billy Howerdel nach knapp vierzehn Jahren widersetzt sich grundsätzlich den Erwartungshaltungen: Aus dem Alternative Rock ist ein von der Elektronik gespeister Pop geworden, der das Piano zu jedem Augenblick über verzerrte Gitarren stellt. (Eventuell übrigens keine schlechte Idee, wenn man das erschreckend altbacken nachgeschobene AC/DC-Cover von Dog Eat Dog hört).
Was im ersten Moment irritiert – der Diskografie einer bestätigten Ausnahmeband dann über bisweilen fantastische Songs vom schier überragenden Opener über das dramatische The Doomed bis zum popkulturellen Ohrwurm So Long, and Thanks for All the Fish jedoch ein neues, spannendes und letztendlich grandioses Kapital hinzufügt … bis Eat the Elefant in seinem letzten Drittel plötzlich vollends den Faden verliert, alle Kohärenz über diffuse Remix-Ansätze sowie gefühlte Skizzen unausgegoren zerfahren über Bord wirft und seine zuvor bestechend erarbeiteten Qualitäten bar jeder Komfortzone damit geradezu frustrierend unter Wert verkauft. Als hätten sich alle Beteiligten vorschnell wieder auf ihre anderen Projekte konzentrieren wollen, ohne dieses bis dahin triumphale Comeback schlüssig zu Ende zu denken. Einen derartig unwürdig überhastet über die Ziellinie getragenen Clusterfuck rechtfertigt dann allerdings nicht einmal eine potentiell raschere Rückkehr von Tool höchstselbst – schade um das möglich gewesene dritte Meisterwerk der Allstar-Riege.
Autechre – NTS Sessions
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Wären Autechre jemals eine Band gewesen, in die sich ein spontanes Hineinhören ausgezahlt hätte, wäre spätestens mit diesem Monolithen einer Tracksammlung, dem offiziell dreizehnten Studioalbum des britischen Elektro-Duos, Schluss: Vier beinahe exakt zweistündige Sets, eingespielt als Hosts des titelstiftenden Online-Radiosenders im April 2018 decken über beinahe 500 Minuten das volle Spektrum der Kunst von Rob Brown und Sean Booth in allen Facetten ab, wandern mühelos vom IDM über Glitch-Fragmente in den atmosphärischen Ambient und sorgen dabei für unzählige fantastische, überwältigende, irritierende, herausfordernde Szenen.
Sie alle in diesem hypnotischen Rausch zu entdecken – und vor allem auch entsprechend Wertschätzen zu lernen – könnte zu einer kleinen Lebensaufgabe werden. Schließlich sind die (physisch als Komplettpaket längst nur noch teuer zu erstehenden, sich leicht von den digitalen Pendants unterscheidenden) NTS Sessions eben keine Angelegenheit für einen spontanen Durchgang.
Beak> – >>>
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Unglaublich, aber wahr: In wenigen Monaten wird die Wartezeit zwischen dem selbstbetitelten Portishead-[amazon_link id=“B01LW1UOD8″ target=“_blank“ ]Zweitwerk[/amazon_link] bereits gleich lange betragen haben, wie mittlerweile seit dem Comeback [amazon_link id=“B01LDMO3PQ“ target=“_blank“ ]Third[/amazon_link] vergangen sind. Freilich ist Geoff Barrow in diesem knappen Jahrzehnt alles andere als untätig : Neben Projekten wie seiner Hip Hop-Spielwiese Quakers bastelt er zahlreiche Soundtrackarbeiten als Primär-Verdienst mit seinem Buddy Ben Salisbury, erstellt Remix-Beiträgen und sammelt wenige Producer-Credits für Arcade Fire oder Run the Jewels – außerdem betreut der 47 Jährige Engländer unter anderem einen absurden Instagram-Account. Für seine psychedelische Krautrock-Projektion Beak> hat Barrow 2018 auch wieder Zeit gefunden, diesmal unter tatkräftiger Mithilfe von Billy Fuller (Robert Plant) und Will Young (Moon Gangs), der den 2016 ausgestiegenen Matt Williams (MXLX, Fairhorns) ersetzt.
Öfter als auf den zwei offiziellen Studio-Vorgängern sowie den nebenher erschienenen EPs, Splitsingles und Score-Beiträgen bisher bereits ohnedies, gibt es sie auch wieder auf >>>: Momente, die praktisch ansatzlos in den Portishead-Kontext gepasst hätten, sich wie vorsichtig an Beth Gibbons, Adrian Utley und Co. herantastende Versuchsanordnungen anfühlen. Etwa Brean Down mit seinem mysteriösen Groove samt beinahe leidenschaftlich in die Dringlichkeit kippenden Refrain (der dann aber natürlich doch eher vage im Nirwana döst), dem laufenden Retrofuturismus RSI oder den geloopten Soundschleifen des immer dystopischer werdenden Allé sauvage.
>>> darauf zu limitieren, was die Platte nicht ist (nicht sein kann und auch nicht will), wäre aber ungerecht. Schließlich hat Barrow die zu Can und Neu! blickenden Perspektiven von Beak> variabler denn je aufgestellt, den anachronistischen Charakter der Band zum experimentellen Labor ausgeweitet, das seine Fühler eklektisch austreckt. Da täuschen Skizzen ihr eigenes Ende vor (The Brazilian) und bringen dem Terminator minimalistische Melancholie bei (Birthday Suit), plätschern betörende Gitarrenlinie in trippige Sedativa (Harvester) oder könnte die motorrisch-rockige Reduktion King of the Castle auch von B.E.D stammen, bevor Abbots Leigh Orgel-Grusel an der Kippe zum Noise darstellt und When We Fall den Acid-Folk wunderbar versöhnlich entrückt. Einstweilen kommt man in Summe deswegen wohl bis auf weiteres nicht näher an Fourth ran – was aber nicht der Grund ist, weswegen man >>> vertrauen sollte.
Car Seat Headrest – Twin Fantasy (Face to Face)
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Vor ungefähr zwei Jahren kam der damals noch als Geheimtipp firmierende Will Toledo ungewollt in die Schlagzeilen, weil er für seinen Major-Senkrechtstart Teens of Denial (2016) unerlaubterweise Elemente aus dem Nachlass von The Cars gecovert hatte – alle ohne Freigabe gepressten Vinylversionen mussten seinerzeit auf Anordnung von Ric Ocasek geschrottet werden.
Für das elfte Album seines längst zur Band gewachsenen Projektes Cloud Nothings kehrte er die Vorzeichen um und re-interpretierte kurzerhand ausschließlich eigenes Material: Twin Fantasy (Face to Face) ist eine vollständige Neuaufnahme der sechsten Car Seat Headrest-Platte Twin Fantasy (mittlerweile übrigens um den Zusatz (Mirror to Mirror) im Titel versehen), gewachsen um elf ergänzende Minuten und ein instrumental reichhaltigeres Spektrum, mehr Dynamik und Energie, zudem produktionstechnischen Druck. Als wäre bisher noch nicht klargewesen, das Toledo seine einstige Solospielwiese erst jetzt als Gemeinschaftsprojekt zu ihrem vollen Potential entwickelt hat, hält man so die Version der Songs in Händen, die Toledo sich immer schon erträumt, bisher in
Überwältigende Überraschungen bleiben da zwar ebenso aus, wie der Hang zum Übermut die Platte hier und da nicht fokussiert genug zum Punkt finden lässt. Weswegen es auch etwas absurd ist, wenn Toledo deklariert, dass seine Kunst in keinem Vakuum passiere – aber trotzdem eine der besten Indiebands jüngerer Vergangenheit in ihrem Weg bestätigt: Von Twin Fantasy (Face to Face) mussten bisher offenkundig keine Exemplare vernichtet werden, der Status als Geheimtipp ist auch spätestens nach dieser auslaugenden Intensivkur erledigt.
Cloud Nothings – Last Building Burning
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„Wir haben uns Life Without a Sound letztens noch mal angehört, weil ich vergessen hatte, wie man einen der Songs spielt. Es ist irre, wie träge das alles klingt.“ rekapituliert Dylan Baldi das enttäuschende Vorgängeralbum zu Last Building Burning ziemlich akkurat – und lässt seine Band nun deswegen wie zum Trotz umso zwingender zu Werke gehen: 36 berstende Minuten spielen Cloud Nothings mit voller Energie gegen die Sesshaftigkeit an, haben mit Alleskönner Randall Dunn als Produzent ihr performancetechnisch bisher intensivstes Album hinausgeschossen: catchy, angriffslustig, hungrig – und bis auf einen obligatorisch lauernden Langtrack zwischen den Sprintern impulsiv wie nur was. Für das adäquate Artwork ließ Baldi gar Schussübungen in der Finsternis durchführen.
Dass die unbedingt mitreißende Euphorie über dieses Sturm und Drang-Manifest sich abseits des atemlosen Momentums trotzdem etwas deutlicher in Grenzen hält, als noch bei Here and Nowhere Else (2014) sowie Atack on Memory (2012), hat dann eventuell damit zu tun, dass Baldi unter immenser Hochspannung im Grunde nur bekannte Räume abschreitet. Wirklich böse kann man Cloud Nothings für diese vertraute Machtdemonstration freilich dennoch – oder gerade deswegen? – kaum sein.
Ex:Re – Ex:Re
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Quasi auf den letzten Drücker hat sich Elena Tonra mit einem ideal in die stille Jahreszeit passenden Album noch in diese Liste geschmeichelt. Das seine Agenda unkaschiert vor sich her tragende selbstbetitelte Debüt von Ex:Re ist tröstender Seelenbalsam auf ein gebrochenes Herz – zurückgenommener Slowcore war 2018 selten schöner und trauriger, bedrückender und hoffnungsvoller gleichermaßen. Die erschütternde Katharsis als wärmende Wohltat hinter einem Schleier, wenn man so will, eine melancholische Wohlfühlzone für Fans von Mazzy Star oder subversiven The xx.
Was dieses emotionale Kleinod insofern für Rückschlüsse auf die Zukunft von Tonras breiter aufgestellterer Stammband Daughter zulässt, bleibt derweil übrigens offen – obwohl der Einfluss von ihrer Kollegen Igor Haefeli und Remi Aguilella auf den Sound der einst von Elena Tonra als Soloprojekt gegründeten Indie-Folker aus London wohl nie expliziter offensichtlich war, als hier. (Ungeachtet dessen wäre es dennoch schon jetzt interessant gewesen zu erfahren, ob ein neues Album von Tonras Stammkombo im Jahr des überragenden Daughters-Comeback You Won’t get What You Want marketingtechnisch Nutznießer oder aufmerksamkeitstechnisch chancenlos gewesen wäre).
Gunship – Dark All Day
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Wer in Richtung Gunship blickt, um nach Innovation zu suchen, wird vielleicht enttäuscht: seit ihrem umjubelten Debut von 2015 bewegt sich das englische Trio vielleicht eher zur neonfarben ausgeleuchteten Popproduktion als ihre aus dunkleren Gefilden agierenden französischen Kollegen Kavinsky, Perturbator oder Carpenter Brut, im Grunde ist aber schon wenn Woken Furies den Gang einlegt klar, wie unverändert es 2018 um das Pop-Konzept von Gunship steht.
In erster Linie weiß Dark All Day natürlich in diesen wohlkalkulierten Momenten von Wohlfühl-Nostalgie zu gefallen, wenn etwa Cindy Laupers Time after Time zuckersüß aus den Boxen träufelt oder Tim Cappello die Muskeln am Saxophon spielen lässt. Wahre Brillanz kommt allerdings ins Spiel, wenn die gossige, für dauerhaft bei der Stange haltenden Synthwave so wichtige Bitternote ins Spiel kommt, wenn Gunship ihr beachtenswertes Talent für unwiderstehliche Hooks auspacken, wenn When You Grow Up, Your Heart Dies sich das Herz ausschüttet, The Gate of Disorder zum Abschluss die Tore gen Blade Runner öffnet oder der alles überstrahlende Titelsong eben bedrohlich hinter dem testosterontriefenden Blasinstrument hervordröhnt. Auch wenn die Klasse des hungrigen Debuts vielleicht nicht auf die volle, ambitionierte Länge erreicht wird, lassen diese Gratwanderungen zwischen Epik und Leichtigkeit, zwischen Euphorie und Emotion Dark All Day im Schwarzlicht strahlend aus der undurchsichtigen Masse an 80s-inspirierten Retro-Elektronikern herausstechen.
Alex Zhang Hungtai – Divine Weight
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Scheitern ist relativ – und Divine Weight ein Werk der Aussöhnung geworden. Das beginnt damit, dass Last Lizard Alex Zhang Hungtai vier Jahre nach dem Ende von Dirty Beaches diesmal ohne Alias unter seinem vollständigen, multinational verankerten Geburtsnamen veröffentlicht, wie er hinter einer ausführlichen Erklärung deklariert: „The trinity of these three words contains my wishes and prayers that Taiwan and China can coexist without hostility, a naive thought on my behalf, yes. But it is a prayer“.
Darüber hinaus knüpft der 37 Jährige allerdings auch an seine eigene Vergangenheit an, bietet assoziativ eine aus den Ansätzen von Stateless gewachsene Platte, die niemals nach einer solchen Resteverwertung klingt, die ein Konglomerat aus wiederverwerteten, bisher als fehlgeschlagen betrachteter Ideen darstellen müsste.
Nein, Divine Weight ist eine emotionale Reise in territorial- und konventionsfreie Gefilde geworden. Eine Momentaufnahme von Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen, universell zu verstehender Ambient auf einem jazzigen Saxofon-Fundament, gelöst von Strukturen, Konturen sowie Erwartungen – und damit ja schon wieder einmal die beste Platte, die der für die Heavy Pop-Jahrescharts längst ein Abonnement besitzende Weltenbummler Hungtai in seinem mysteriösen Portfolio vorzuweisen hat.
P.A. Hülsenbeck – Garden of Stone
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Melt Downer – Alter the Stunt
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Die unbedingt naheliegendste Analogie: Melt Downer (2017) verhält sich zu Alter the Stunt natürlich absolut kongruent der Entwicklung von Eddie Hall in den vergangenen Monaten: Aus dem imposanten Strongman ist ein definierter auftretendes Kraftpacket geworden, entschlackter und seine vielseitig ausgeprägten Facetten damit expliziter vor Augen führend. Da mögen alte, gar nicht so lange zurückliegende Rekorde immer imposant nachhängen, während hart an einer neuen Konturen gearbeitet wird.
Im Klartext: Melt Downer machen mit ihrem schnell nachgeschossenen Zweitwerk alles richtig, müssen sich höchstens vorwerfen lassen, dass die erdrückende Masse ihres Debüts nur wenige Monate zuvor auch heute noch immer derart schwer zu fassen ist, dass man kaum nachkommt, in wie viele Richtungen das sportlichere Alter the Stunt nun seine umwerfenden Kapriolen schlägt. So freizügig mit externen Einflüssen hat jedenfalls schon lange keine nahverwandte Band mehr – nicht außer Augen lassend, wie unorthodox die Noiserocker Melt Downer selbst bereits bisher auftraten. Und dass man diesen kompakteren, scheuklappenbefreit vor Inspiration kaum zu bändigenden Husarenritt aber gerade deswegen auf lange Sicht noch öfter auflegen wird, als das Debüt: Gut möglich. Weil das Trio aus Österreich wie kaum jemand das Momentum nützen, aber dabei nie die Langzeitfolgen außer Augen verlieren … mutmaßich eher weniger als Eddie Hall.
Egal – was jetzt bereits feststeht: Melt Downer haben sich zumindest mit der limitierten Holzbox-Edition verpackungstechnisch selbst übertroffen.
Messa – Feast For Water
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Läuft bei den Doomern von Messa: Ihr Debut, [amazon_link id=“B01DOZ7YN8″ target=“_blank“ ]Belfry[/amazon_link], war einer der Metal-Hypes des an Hypes nicht armen Jahres 2016, und wo das etwas zerfahrene erste Lebenszeichen der Italiener im Nachhinein vielleicht nicht die Halbwertszeit bewiesen hat, wie einst prognostiziert, haben Samtstimme Sara und Co. sowohl aus den Vorzügen als auch den Schwächen des Vorgängers gelernt und erfolgreiche Optimierungsarbeit geleistet.
Das Wasser-Konzept um Feast for Water ist dabei ein passendes, fühlen sich die Kompositionen doch flüssiger und tiefgründiger an, aber auch so zurückgenommen was fuzzigen Doom-Kitsch à la Salem’s Pot betrifft, dass der geneigte Hörer sicher durch die hinterlegensten Strömungen geleitet wird – ob knöcheltief im Blast-Beat oder bis zum Hals im 70er-Prog. Es wäre gelogen, zu behaupten, Messa definierten sich nicht über die stimmliche Leistung ihrer Frontfrau, gäben ihr nicht hochoffensichtlich die Bühne und ließen Feast for Water somit nicht ganz ähnlich gelagerten Konzeptalben wie [amazon_link id=“B000FGFY6Y“ target=“_blank“ ]Flood[/amazon_link] oder [amazon_link id=“B00NSOP9WE“ target=“_blank“ ]Oceanic[/amazon_link] das, äh, Wasser reichen. Rein instrumentalen Momenten fehlt noch etwas das verankernde Moment und die Aufmerksamkeit geht verloren, bis das Mikrophon wieder genutzt wird. Aber sei’s drum: Feast for Water besteht aus 50 Minuten dunkel-emotionaler Musik, die man schwer in eine der zahlreichen Schubladen des verschachtelten Doom-Schrankes stecken kann (obwohl sich die selbstauferlegte Bezeichnung des Scarlet Doom schon ganz gut eignet), und die für Uneingeweihte sehr wohl den Sprung ins … kalte Wasser wert ist.
The Nels Cline 4 – Currents, Constellations
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Portrayal of Guilt – Let Pain Be Your Guide
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Portrayal of Guilt gehen mit ihrem Debütalbum ein kalkuliertes Risiko ein. Let Pain Be Your Guide untertaucht die Erwartungshaltungen, indem die Platte zwar nicht der wundersam revitalisierende Oldschool-Screamo-Anachronismus geworden ist, mit der man nach der selbstbetitelten Vorstellungs-EP vergangenes Jahr noch vehement gerechnet hatte, erweitert die Kampfzone aber durchaus geschickt: Das Quartett mit dem plakativen Namen aus Texas eskaliert nun bis in den Industrial, Synth Punk und (in die scheußliche Schublade) Emoviolence hinein, will mit der trotz des Evolutionsschrittes nicht vergessenen Erinnerung an Pg.99 seinem Label Deathwish gleichzeitig ein Erbe für Code Orange und Schüler für Converge (denen man nicht nur ästhetisch einen ergebenen Tribut erweist) sein.
Genau genommen verhebt sich das seinem Titel rasend Folge leistende Let Pain Be Your Guide an diesen weitschweifenden Ambitionen auch, verzettelt sich phasenweise noch zu unausgegoren in seiner Variabilität und Unberechenbarkeit. Über weite Strecken gelingt die Ausweitung der Kampfzone jedoch triumphal und lässt einen hasserfüllten Formwandler von einem Einstandswerk bestialisch mutieren und beinahe vergessen, weswegen man Portrayal of Guilt ursprünglich auf der Rechnung hatte. Trotzdem – oder eher: gerade deswegen – ist Let Pain Be Your Guide eine immense Talentprobe sowie ein bereits teilweise eingelöstes Zukunftsversprechen: Diese kontroversen Jungspunde haben die Weichen dahingehend gestellt, als dass die Leistungsgrenzen nun in noch größeren Dimensionen als bisher bereits stattfinden können.
Soldat Hans – es taut
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Wenn man – direkt von Alter the Stunt überleitend – schon bei den Äußerlichkeiten von Alben, der physischen Aufbereitung von Form und Inhalt ist: Auch Soldat Hans beeindrucken mit Ihrer Special Edition zu ihrem imposanten Zweitwerk es taut – enttäuschen aber hinsichtlich der Verfügbarkeit des nur auf (die Kombo leider nicht in hiesige Gefilde geführt habende) Tour vertriebenen, mutmaßlichen Schmuckstücks. Denn so großzügig der digitale „Name You Price“-Vertrieb samt optionaler (ebenfalls limitierter) Vinyl-Version seitens der Band auch sein mag – erst die noch seltenere, haptisch massivst aussehende Kleinauflage scheint dem kreativen Gewicht des existentialistischen Immaginariums namens es taut gerecht zu werden (Schließlich will man beispielsweise Ulysses ja auch lieber in der würdigen [amazon_link id=“3518415859″ target=“_blank“ ]nussknackertauglichen Version[/amazon_link]im Regal stehen haben, anstatt es als eBook zu saugen).
Derartige Sammler-Neurosen sind in diesem konkreten Anlassfall dann bitte nachzusehen: Soldat Hans mögen ihre Songmonolithen unter dem Genre-Banner „downtempo folk doom“ firmieren lassen, sorgen mit ihrem dynamisch intensiven Epos jedoch im Grunde sogar dafür, die Schweiz notfalls auch ganz im Alleingang auf der weiten Spannungsfeld-Landkarte Post Metal und -Rock, jazzigen Ambient und eben tatsächlich auch wunderbar erhaben erdrückenden Doom zu positionieren, ohne dabei jemals zum Geduldsspiel zu werden.
Colter Wall – Song of the Plains
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Selbst wenn Sturgill Simpson nicht der ambitioniert-unkonventionelle Erneuerer und Ryan Bingham der kantige Revoluzer (und übrigens auch die weitaus vielschichtigere Alternative zu Brian Fallon) in der aktuellen Countryszene wäre, bliebe die Rollenverteilung für Colter Wall unverkennbar: Der immer noch erst 23 Jährige mit der mindestens dreimal so alten Stimme bleibt ein ehrlicher Traditionalist, der die archaische Seele der Vergangenheit so authentisch wie möglich in die Zukunft trägt. (Da darf man insofern mehr denn je von einem Duett mit Grande Dame Loretta Lynn träumen, die 2018 mit Wouldn’t It Be Great ja auch wieder einmal formidabel ihre unfassbare Jugend quasi konterkarierend vorführte).
Für sein regelrecht routiniert und abgeklärt daherkommendes Zweitwerk Song of the Plains behält er das sparsame, zurückgenommene Klangbild seines hemdsärmeligen, selbstbetitelten Debüts von 2017 bei, agiert weiterhin ruhig und reduziert, kompakt und schnörkellos, lässt die Stärken des staubigen Songwriting meist prominent von seiner beeindruckenden Stimme tragen, ohne dieses dabei zu erdrückend.
Dass ihm dabei trotz solcher unbedingt hängen bleibender Ohrwürmer wie etwa dem neuen Titelsong nicht derart überragende Ausnahmesongs gelungen sind, wie noch vor einigen Monaten, ist dann ein relativer Kritikpunkt: Song of the Plains ist eine kurzweilige Sammlung wunderbarer Kleinode, frisch aus der Zeitkapsel gekrochen, ohne Ablaufdatum gemacht. Gewissermaßen der nächste Schritt von Wall auf seinem Weg, ein moderner Klassiker zu werden, während sich Simpson (über das bereits eingestellte One Dollar) und Bingham (im mal genialen, dann wieder abstrus scheiternden Yellowstone) aktuell von Schauspielkarrieren ablenken lassen.
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