Die Alben des Jahres: 50 bis 41

von am 9. Januar 2016 in Jahrescharts 2015

Nicht verpassen! | 50 – 41 | 40 – 31 | 30 – 21 | 20 – 11 | 10 bis 01 |

Ten Commandos50. Ten Commandos – Ten Commandos

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Dass Ten Commandos für ihr selbstbetiteltes Debütalbum hierzulande noch auf einen regulären Vertrieb warten ist eine wunderliche Sache, müsste doch alleine die Stammkundschaft und Fanbase der hier vertretenen Musiker eine breiten Kundenzuspruch garantieren: Matt Cameron (Soundgarden, Pearl Jam) Alain Johannes (Eleven, Queens of the Stone Age) Ben Shepherd (Soundgarden, Hater) Dimitri Coats (OFF!, Burning Brides) bilden der Kern dieser veritablen Supergroup; Mark Lanegan, Nikka Costa und Peter Frampton helfen auf der Gästeliste aus.
Das Ergebnis ist eine wahlweise herrlich unmoderne oder souverän unaufregend zeitlose Platte, die handwerkstechnisch perfekt mit dem reichhaltigen Erfahrungsschatz aller Beteiligten passgenau zwischen Alternative Rock und Grunge seinen Platz findet. Das braucht dann auch kein effekthaschendes Songwriting, um seine Trümpfe stoisch und mit nostalgischer Aura auszuspielen. Ein ebenso frisch wie abgehangenes Stelldichein zwischen alten und neuen Alice in Chains mit Raconteurs-Sound, so tief in den 90er verwurzelt wie derzeit nur das grandiose Failure-Comeback.

Mondo Drag - Mondo Drag49. Mondo Drag – Mondo Drag

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Der Preis für die am heftigsten aus der Zeit gefallene Band (wie auch Album) geht in diesem Jahr wohl an Mondo Drag. Selten genug kanalisiert eine amerikanische Band diesen europäischen Sound Anfang der 70er, kurz bevor die Uhren vom Punk auf null gestellt wurden; Auftritt Mondo Drag: als ob ihre speckigen Jeansjacken und vergilbten Plattenspieler nie eingemottet wurden, strahlt der bekiffte Prog der Kalifornier schon durch die Fenster des Covers mit einer analogen Wärme hindurch, dass Can vor Freude Ringe rauchen. Ganz ohne posige Jameskapaden legen Mondo Drag konzentriert melodische Kleinode mit Kreuzzeichen gen Grateful Dead hin, und stellen neben den deutlich beknackteren Salem’s Pot vielleicht die prototypische Riding-Easy-Band dar. Hier mit dem Klavier drübergezuckert (‚Pillars of Sky‚), da die Jim Morrison Gedenkorgel ausgepackt (‚Snakeskin‚) wird über freundliche 34 Minuten kaum die Glaubwürdigkeit und noch weniger der Geduldsfaden strapaziert, was bereits wesentlich mehr ist, als man braucht um aus der nebeligen Retrosuppe hervorzustechen.

Helen - The Original Faces48. Helen – The Original Faces

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Liz Harris‘ Musik lebt von Intimität, Direktheit und Nähe. Wo sie als Grouper den kürzesten Weg dafür nimmt, und ihre außerirdisch klingende Stimme über heftigen Verzerrungen oder herzzerreißende Pianotupfer schweben lässt, bedient sie sich mit Helen (und damit mit Drummer Jed Bindeman, Bassist/Gitarrist Scott Simons und… naja, Helen) vertrauten Klängen in Form von relativ klar definierten Indierock-Umrissen.
Beinahe übertrieben referenziell eingesetzt spielt Harris mit den Erwartungen bevor und während man an The Original Faces herangeht; stark verzerrte Gitarrenwände steuern sich überdrehend auf diese einen Takt zu spät einsetzende Beats, Harris lässt das Album wie aus der vernebelten Nachbarschaft einer My Bloody Valentine oder Slowdive-Gedächtnisfeier klingen. Das Spiel mit der Vertrautheit funktioniert in einige Richtungen, allesamt gemeistert von Liz Harris, die hier wohl unverletzlicher denn je klingt.

Lightning Bolt - Fantasy Empire47. Lightning Bolt – Fantasy Empire

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Ohne den Lightning Bolt-Veröffentlichungen der letzten zehn Jahre ihre Vorzüge absprechen zu wollen, doch es stimmt irgendwo schon: Genau so lange hat es gedauert, bis die beiden Brians Chippendale und Gibson es geschafft haben, ihre Band aus dem Schatten zu manövrieren, den der gigantische ‚[amazon_link id=“B000B9E2E0″ target=“_blank“ ]Hypermagic Mountain[/amazon_link]‘ als das den Stil und Sound der Band so anstandslos ausformulierendes Meisterwerk geworden hatte.
Dass die simple Formel Ausnahme-Duracell-Drumming + wahnwitziges Cello/Banjo-Monster-Bassspiel auf dem Thrill Jockey-Einstand des Duos derart ekstatisch zündet, folgt jedoch der Logik einer auf dem ersten Blick überraschenden Entscheidung. Wo gerade der LoFi-Klang prägendes Markenzeichen im Chaos-Songwriting war, setzen Lighning Bolt nun den Hebel bei einer makellosen Studioproduktion und der Hinwendung zu eingängigeren, Metal-tauglicheren Strukturen an. Eine Entscheidung, die sich auszahlt: Nie zuvor klangen die zwei aus Rhode Island derart knackig, zwingend und in ihrem Spielwitz ansteckender. Da macht es inmitten dieses furiosen Sturms immer noch heillosen Spaß der unermüdlichen Vitalität und Virtuosität der beiden Musiker zuzuhören und dabei die eigenen vier Wände an den Luftinstrumenten auseinanderzunehmen – plötzlich dazu aber auch galoppierende Beinahe-Noiserock-Hits um die Ohren gedroschen zu bekommen ist mindestens ebenso fulminant. ‚Fantasy Empire‚ ist Feintuning und Politur der Extraklasse, weil Kanten nicht abgeschliffen, sondern Charakterzüge verstärkt werden.

46. Monolord -Vænir

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Im relativ überschaubaren vergangenen Doomjahr musste man schon ordentlich Lärm machen, um auf sich aufmerksam zu machen. Monolord waren in dieser Beziehung zumindest immer schon eine Bank, mit den Gitarren auf Kniekehle gestimmt, und einer Rhythmussektion die Landmassen verschieben könnte. Immer etwas im Schatten von anderen Krachmachern wie den massiven Bongripper oder den noch massiveren Conan, glänzen die Schweden nach langem Geheimtipp-Status mit ‚Vænir‚ verdienterweise im Rampenlicht.
Um aus dem endlos tiefen Neo-Doom-Sumpf hervorzustechen, muss man die archetypischen Erscheinungsformen des Genre sowieso im Schlaf beherrschen, Monolord haben allerdings auch das mit den Songs und dem Spannungsaufbau raus: der schleppende titelgebende Sechzehnminüter vergeht so im Fluge, die restlichen Brecher, die immer noch halb so lange dauern, halten durch texturiertes Schlagzeugspiel und – man verzeihe das Unwort – epische Riffs bei der Stange. Wäre auch 2014 aufgefallen.

Spidergawd - II45. Spidergawd – II

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Mit der zweiten Platte im zweiten Jahr untermauern Spidergawd nicht nur ihre immense Produktivität, sondern vor allem ihr Händchen für astreines Songwriting im Spannungsfeld von Hard-, Classic- und Alternative Rock. Irgendwo klar – weniger als das erwartet man sich praktisch nicht von einer Band, die (mehr oder minder) auf der brillanten Rhythmussektion von Motorpsycho und (ehemaligen) Mitglieder von Hopalong Knut und Samvirkelaget sowie Cadillac erbaut ist. Trotzdem begeistert das Ergebnis auf ‚II‚ sogar noch schwindelerregender, als auf dem selbstbetitelten Debüt.
Nahverwandte Kombos von den Queens of The Stone Age (‚Tourniquet‚) bis hin zu Graveyard führt die designierte Supergroup nämlich mit einer noch überragenderen Wagenladung an potentiellen Hits vor, die die ausfransende Psychedelik des Vorgängers gegen eine progressive Kompaktheit eingetauscht hat und Jungspunde wie die Blues Pills mittels solcher Kniffe wie dem Casino-Ausritt ‚Get Physical‚ oder dem jazzigen Instrumental ‚Caerulean Caribou‚ beinahe als One Trick Ponys entlarven. Spidergawd machen was sie wollen, weil sie es aus dem EffEff können und keine Verschnaufpause brauchen. Wohin ihre veteranenhafte Unberechenbarkeit die Norweger in Zukunft führen könnte, wird sich indes bald klären: Album Nummer 3 ist bereits auf Jänner 2016 veranschlagt.

Bilderbuch - Schick Schock44. Bilderbuch – Schick Schock

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Es hat ‚Schick Schock‚ kaum geschadet, dass seine besten Songs – ‚Feinste Seide‚ sowie die Ausnahmestücke ‚Om‚ und ‚Maschin‚ – bereits lange vorab bekannt waren. Haben sich diese den Rest der Platte erwartungsgemäß überragenden Überhits doch einerseits mit der Zeit das Attribut unkaputtbar einverleibt, andererseits gibt es auf ‚Schick Schock‚ auch abseits davon so viel zu entdecken. Eine makellos ausgefuchste Zauberproduktion etwa, die die Schnittmenge aus fantastischem Songwriting und exaltiertem Falco-Style optimal zur Geltung bringt und damit selbst internationale Größen Staub fressen lässt.
Den einen Ausfall (‚Softdrink‚) verzeiht man den Oberösterreichern deswegen nur zu gerne – auch, weil Charismatiker Maurice Ernst und Konsorten den Kniff mit der Medienpräsenz in ihrem Mainstream-Durchbruchsjahr 2015 gefühltermaßen soviel besser meistern, als die mit eklatanten Abnützungserscheinungen zu kämpfen habenden Kollegen von Wanda.
Als Beweis dafür kann man dann auch gerne die beeindruckende Tatsache heranziehen, dass Bilderbuch gerade dabei sind, das Grazer Orpheum an drei aufeinanderfolgenden Tagen hintereinander auszuverkaufen – wobei hierbei natürlich auch eine Rolle spielt, das sich Bilderbuch ihren Erfolg über die Jahre hart erarbeitet haben und vor ‚Schick Schock‚ bereits zwei tolle Alben veröffentlicht haben.

Foals - What Went Down43. Foals – What Went Down

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Beinahe könnte an dieser Stelle auch das hervorragende ‚Marks to Prove it‚ stehen, wären da nicht Fanbonus und die abgerundete Reife, denn Foals erheben eine der auf dem Vorgänger ‚Holy Fire‚ etablierte Schwäche auf ihrem vierten Studioalbum zu einer relativen Stärke. Die atmosphärisch weitreichende emotionale Tiefe wird endgültig zugunsten einer Kompaktheit gestutzt, die phasenweise gar an T.Rex (‚Snake Oil‚) oder Coldplay-in-absolut-nicht-flach (‚Give it All‚) denken lässt. Mit welcher Effektivität Yannis Philippakis und Co. dabei agieren, ist dann aber schon ein beeindruckendes Muskelspiel, das von der imposanten Titelsong-Arena-Abrissbirne als aufstampfenden Opener bis zum ins endlose Meer marschierenden Closer ‚A Knife in the Ocean‚ einen runden Spannungsbogen von knackig zu stimmungsvoll ausgebreitet beschreibt und die Hits wie am Fließband hofiert.
Es ist insofern vielleicht keine rundum erfüllende Entwicklung, die die hörbar immer erwachsener und abgeklärter werdenden Foals auf ‚What Went Down‚ vorerst abschließen, doch so lange die voranschreitende Routiniertheit nicht in Selbstzufriedenheit umschwenkt, gehören Foals weiterhin zu den zuverlässigsten Gewinnern des Indierock. Überhaupt festigt ‚What Went Down‚ auch den Eindruck, dass die besten Platten von der Insel im Jahr 2015 vor allem von Veteranen wie Blur oder Meister Noel kamen. Denn spätestens jetzt fühlen sich auch Foals ein bisschen wie alte Hasen des Geschäfts an.

Goatsnake - Black Age Blues42. Goatsnake – Black Age Blues

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Im Jahr der gelungenen Comebacks sind Goatsnake zwischen all den Faith No Mores und Blurs natürlich etwas unter dem Radar geflogen. Und das Groove-Loch, das die Band um Sunn O)))-Grummler Greg Anderson und der göttlichen Reibeisenstimme Pete Stahl hinterlassen haben wollte gefüllt werden, das wird spätestens nach dem im Wüstensand jaulenden und fingerpickenden, auf die letzten Töne des fünfzehn Jahre vergangenen ‚The River‚ anspielende, Intro des mächtigen ‚Another River to Cross‚ klar, eine sich massiv im Raum aufbauende, kristallklare Absichtserklärung. Wie schon zu Beginn des Jahrtausends wird Stahl die Bühne bereitet, und das zurecht: Er jault, schreit, heult und vor allem singt um sein Leben, könnte gar als würdevollster Frontmann einer Doom-Kapelle seit Black Sabbath durchgehen, wie er sich erhaben den Country-Metal seiner Mannen zu eigen macht, wie es der Prinz der Dunkelheit damals mit dem Okkultismus zugetanen Bikern gemacht hat. Quasi unbemerkt haben Goatsnake wieder mal ein Stoner-Doom-Standardwerk veröffentlicht, und ein im Jahre 2015 selten gewordenes, elektrisierendes Statement für den Rock’n’Roll.

Majical Cloudz - Are You Alone41. Majical Cloudz – Are You Alone?

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Majical Cloudz schreiben herausragende Einzelsongs, verfallen auf Albumlänge aber etwas zu leicht in eine gewisse Gleichförmigkeit. Diese Grundproblematik hat sich auch anhand ‚Are You Alone?‘ nicht aus den Verhaltensmustern der Band aus Montreal eliminieren lassen. Allerdings merkt man über 44 Minuten hinweg, dass sich Devon Welsh und Matthew Otto dieser Angelegenheit durchaus angenommen haben.
Zwar steht das herzzerreißend eindringliche ‚Downtown‚ als Paradebeispiel emotionaler Elektronipopkunst über allem, jedoch fügen sich die restlichen elf Songs in nahezu konstant hohen Niveau drumherum. Was auch daran liegen mag, dass Majical Cloudz sich auf ihrem gefühlten Zweitwerk soundtechnisch ausgesöhnt und den Grad an Zugänglichkeit deutlich erhöht haben (ohne den Mainstream eine derartige Lektion verpassen zu wollen wie die langjährige Weggefährtis Grimes unlängst), bis Indie-Größen wie The National oder Kashmir als nächste Referenzen durchaus zulässig sind. Das bisher rundeste Album des kanadischen Duos unterstreicht damit zwar immer noch die Aussicht, dass sich ein etwaiges Best of der Band zu einem wahren Feuerwerk des Genres aufschwingen würde – man das Material abseits der glasklaren Highlights aber endgültig nicht mehr unter den Tisch kehren darf.

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