Die Alben des Jahres: 40 bis 31
Nicht verpassen! | 50 – 41 | 40 – 31 | 30 – 21 | 20 – 11 | 10 bis 01 |
40. Duke Garwood – Heavy Love
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Mark Lanegan – nein, offenbar kommt wirklich kein einziger Text ohne Erwähnung des geistigen Bruders von Garwood aus – nennt den bald 47 Jährigen Engländer ein Mysterium. Diese Einschätzung muss das Urgestein der Seattle-Szene auch anhand von ‚Heavy Love‚ keineswegs überdenken. Und das obwohl Duke Garwood den Zugang in seinen spirituell fiebrigen Soundkosmos niemals einfacher gestalte als auf seinem fünften Solowerk. Aber Garwood, in der zweiten Reihe immerhin auf Veröffentlichungen von Savages bis Archie Bronson Outfit zu finden, scheint auch als One-Man-Hauptattraktion weiterhin keine sonderliche Lust darauf zu haben ins Rampenlicht zu treten und genießt hörbar die Freiheiten abseits schwerwiegender Erwartungshaltungen, bleibt fest umschlossen von seinen Kompositionen. Immer wieder fransen die Songs auf ‚Heavy Love‚ wie in Trance verfallen aus, befinden sich in einem trügerischen Fluss, der Schönklang in Aussicht stellt, sich in Wahrheit jedoch am Abgrund entlangschlängelt.
„Pour some honey in my ear“ greint Bariton-Garwood und meint damit wohl ein bittersüßes Gift, eine verführerische Leidenschaft, die sich keine Illusionen über Erlösung oder Glückseligkeit macht und dennoch in einem aufgeräumten, nicht lichtscheuen Kontext wärmt. Vielleicht können nur Platten so klingen, die im reinen mit sich selbst sind. Vielleicht liegt Garwood aber auch einfach das Widersprüchliche. Der Mann und seine Musik bleibt eben nicht nur für Lanegan ein Mysterium.
39. Jungbluth – Lovecult
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So sehnlich man auf den Nachfolger zu ‚Part Ache‚ gewartet hat, so einfach war es diesen dann letztendlich doch zu übersehen: Jungbluth gehen mit ‚Lovecult‚ den Weg zurück zum Selbstvertrieb, tauchen gefühltermaßen unter dem Radar der breiten Masse hindurch und festigen ohne Label im Rücken ihre Autonomie. Gleichzeitig – und mehr als alles andere – ist das zweite Album der Münsteraner aber ein deutlicher Schritt nach vorne, nämlich in stilistischer Hinsicht. Hin zu mehr Noiserock und Kompaktheit – man darf tatsächlich von einem gesteigerten Unterhaltungswert sprechen! „Einfach mal nicht umgedreht, nicht innegehalten. Nur ein paar Momente gespart. Und trotzdem um die Erkenntnis reicher, dass falsche Entscheidungen ja besser sein können, als keine.Everytime geradeaus, immer geradeaus.“ Jungbluth folgen also ihrem Bauchgefühl, packen an, machen einfach mal und liegen damit zu keinem Zeitpunkt falsch: „Lasst uns einfach immer wir selbst sein! Nichts leichter als das. Zwischen den Stühlen sitzen will gelernt sein. Mit Gefühl. Aus Spaß.“ So verdammt gut hat es sich ewig nicht angefühlt, von einer Blackened Hardcore-Abrissbirne den Kopf gewaschen zu bekommen.
38. Joey Bada$$ – B4.Da.$$
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Mit seinem offiziellen Debütalbum wollte es Joey Bada$$ nach den beiden die Erwartungshaltungen nahezu ins Unermessliche treibenden Mixtape-Talentproben ‚1999‚ und ‚Jinx‚ sowie der ‚Summer Knights‚-EP nicht überstürzen: eine Entscheidung, die ‚B4.Da.$$‚ nun zu jeder Sekunde seiner 54 Spielminuten dankt, indem es unter einem Schleier der Zeitlosigkeit stattzufinden scheint. Der stilvolle Rahmen der imposanten Produzenten- und Beat-Credits von The Roots über DJ Premier bis J. Dilla fängt dabei das organische Soundspektrum ziemlich gut ein, in dem sich ‚B4.Da.$$‚ mit einem erstaunlich authentisch verinnerlichen Oldschool-Aura ausbreitet, seinen so beispiellos entspannten Flow mit einem solch smooth-fließenden Vibe entwickelt, dass ein Überhit wie ‚Teach Me‚ sich durchaus abseits des so homogenen Gesamtwerks abspielen darf.
Am Ende stehen ohnedies dennoch insgesamt 8 (bisweilen vorauseilende) Singles (von denen sich keine aufdrängt, aber jede anbietet) sowie eine textliche Performance, die Bada$$ als subtilen Skill-Muskelspieler und dazu gereiften Chronisten des jungen schwarzen Amerika positioniert. Bada$$ wusste schon, warum er die Dinge überlegt angehen konnte: ‚B4.Da.$$‚ ist keine Platte, die das Hype-Momentum braucht, weil das Pro Era-Aushängeschild selbst im Jahr von ‚To Pimp a Butterfly‚ bis hinaus zur Präsidententochter alle an die Angel kriegt.
37. Crypt Sermon – Out of the Garden
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Wenn die Genreprimusse Pallbearer die Ozzy-Jahre von Black Sabbath in die 2010er-Jahre geholt haben, dann darf das Debut von Crypt Sermon von nun an die Dio-Altäre der Doom-Welt schmücken: mit der Wucht von Cathedral gepaart mit der Melodiösität von Candlemass powert sich die Band aus Philadelphia durch ihre testosteronschwangeren Ausflüge in den klassischen, europäischen Doom, nicht ohne dem ganzen diesen gewissen asozialen Ami-Biker-Touch zu verpassen. Das einleitende ‚Temple Doors‚ wirkt da beinahe wie eine um Aufmerksamkeit haschende Fleißaufgabe, während sich Crypt Sermon mit dem folgenden ‚Heavy Riders‚ schon eher in die Karten blicken lassen, einem Nackenbrecher vor dem Herren, von dem The Sword heute auch nur noch träumen können. ‚Into the Holy of the Holies‚ kann als musikalisches Schaustück in jede weitere Bewerbung in Sachen neue Genre-Hoffnung gefächert werden. Um die Götter der hoch gesteckten musikalischen Vorbilder endgültig befriedigen zu können werden zwar noch einige muffelige Lederhosen geopfert werden müssen, der große Backpatch in der Jeanskutte des jungen Classic Dooms ist definitiv gebügelt.
36. Hope Drone – Cloak of Ash
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Das monumentale ‚Cloak of Ash‘ ist eine dieser Platten, die ihren stärksten Song – ‚Unending Grey‚, ein epischer Wechselbalg aus Black- und Post Metal, vernichtend schön und atemberaubend brutal, der wie ein schwarzes Loch hinein in den schier unergründlichen Kosmos von Hope Drone abtaucht – gleich zu Beginn vorbringen; es ist aber auch eine solche, die an dieser einleitenden Höchstleistung in weiterer Folge nicht zerbricht. Da das australische Quartett in den nachfolgenden sechs Monolithen die Spielzeit der einzelnen Bausteine zwar sukzessive nach unten schraubt, das Qualitätsniveau aber kaum.
Viel mehr verdichtet sich ‚Cloak of Ash‚ mit jeder Minute Spielzeit, weil Hope Drone Meister im lukrieren intensiver Atmosphären sind, sich mit einer makellosen Homogenität in die ruhigen Momente fallen lassen – wenn das Tempo draußen ist, aber die Melancholie glimmert. Dann ist ‚Cloak of Ash‚ beinahe traumwandelnder Doom, darüber hinaus immer aber ein Einstand nach Maß auf Relapse und das Einlösen aller Versprechen, die ‚Hope Drone‚ gegeben hat. Wer sich nach einem Song von Godspeed You! Black Emporer benennt, und dabei zu gleichen Teilen nach Isis und Bell Witch klingen kann, der macht grundsätzlich nichts falsch.
35. Blacklisted – WhenPeople Grow, People Go
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George Hirsch redet nicht gerne über seine Platten. Tut er es doch, führt dies allerdings schonmal zu ganz richtigen Feststellungen wie jener, dass sich ‚When People Grow, People Go‚ phasenweise wie der Missing Link zwischen ‚Heavier Than Heaven, Lonelier Than God‚ und ‚No One Deserves to Be Here More Than Me‚ anfühlt. Weil Blacklisted in den 5 Jahren Albumpause, die sie seit ihrem Drittwerk verstreichen haben lassen zwar den experimentelleren Überbau der gefühlten Hirsch Solo-Experimental-Indie-Show ‚No One Deserves to Be Here More Than Me‚ nicht aufgegeben haben, auf ‚When People Grow, People Go‚ aber eben zum knackigeren Hardcore ihrer Durchbruchsplatte zurückfinden und vom rigoros aufdrehenden Opener ‚Insularized‚ hinweg die Genre-Bretter hinausknallen. Als gälte es zu jedem Zeitpunkt zu beweisen, dass Blacklisted zwar nicht mehr das primäre Hauptaugenmerk aller Beteiligten darstellt – wenn die Dinge ganz ungezwungen ins Rollen kommen aber eben doch kein Stein auf den anderen bleibt und selbst eine Ausnahmeschmiede wie Deathwish sich alle Finger ablecken kann, eine Kombo wie diese im Stall zu haben.
Diese Ausnahmestellung nutzt die Band. Auf Tour zu gehen sei nur noch sporadisch geplant, die Studioproduktion läge im Fokus; aber eben nur, wenn die Umstände passen. Blacklisted operieren längst außerhalb der Norm, Hirsch hält im Zentrum den Ball dabei jedoch demonstrativ flach, will aus der herausragenden Standortbestimmung ‚When People Grow, People Go‚ nicht die große Sache machen, die sie ist. „Yeah, I’m not John Coltrane. I’m not reinventing Jazz. I’m just a punk musician. There’s no pressure, so it’s good“ hat Hirsch gut lachen. Um dem Hardcore quasi nebenbei einen derartig vitalen Impuls verpassen zu können wie ‚When People Grow, People Go‚ es tut – dafür würden andere töten. Hirsch erledigt es als Gelegenheits-Leidenschaft quasi im Vorbeigehen.
34. Blanck Mass – Dumb Flesh
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Was ‚Dumb Flesh‚ noch viel expliziter als das selbstbetitelte Blanck Mass-Debüt von 2011 verdeutlicht (vielleicht sogar mehr noch als jede Veröffentlichung des Mutterschiffs Fuck Buttons bisher!): Benjamin John Power weiß nicht nur verdammt eigenwillige, spannende und faszinierende Soundwelten zu kreieren, sondern ist in erster Linie ein begnadeter Songwriter der elektronischen Zunft, der sich nicht festnageln lässt, um schlüssigen, im Detail ausgefuchsten Kompositionen eine schweißtreibende Körperlichkeit anzufüttern. Keine zerhackten Experimente also, sondern nachvollziehbar wachsende Gebilde sind seine klanglichen Objekte, die nicht mit knalligen Effekten um Aufmerksamkeit buhlen, sondern nachdrücklich in den Bann ziehen und eine fesselnde Tiefenwirkung entfalten.
‚Loam‚ etwa ist im Grunde in der Geschwindigkeit modulierter, geloopter Bandsalat, aber eben auch ohne eine Wort verständlich zu transportieren ein verdammter Ohrwurm. Das bratende ‚Dead Format‚ stichelt danach im Grunde seines Herzens als fieser Punker, der primär daran interessiert ist, die Techno-Tanzflächen mit treibender Dynamik unsicher zu machen, bevor ‚No Lite‚ den gleißenden Drone aus den Schaltkreisen lotst um zum sinister pumpenden Kraut-Mitternachtsrhythmusmeer in anderen Dimensionen gelenkt zu werden. Also ja: ‚Dumb Flesh‚ ist Elektronik in faszinierender Bestform. Der eigentliche Clou aber ist, dass man sich durchaus vorstellen kann, dass jede einzelne Komposition hier in einem anderen Klanggewand mindestens ebenso stimmig funktionieren würde. Während beispielsweise ein Arca also beeindruckt, tut Blanck Mass dies ebenso – lässt einen das Ergebnis aber gleichzeitig auch barrierefrei fühlen und erleben.
33. Godspeed You! Black Emporer – Asunder, Sweet and Other Distress
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Die als triumphal erhoffte Rückkehr der Post-Rock-Epigonen Godspeed You! Black Emperor ist einigermaßen bemerkenswert verlaufen: Nicht nur von einem fanatischen Kernstamm an Hörern herbeigesehnt, wird in einer Zeit in der Remakes und aufgewärmte Ausschussware immer verpönter werden, eine Platte voll lange bekannter Tracks mit begleitendem, verhältnismäßig kompromisslosem Lärm veröffentlicht, und – als wäre man nie weggewesen – mit ebenso legendären Konzerten wie anno dazumal auf den Bühnen der Welt gejobbt. ‚Asunder, Sweet and Other Distress‚ erscheint nun beinahe wie das zweite Kapitel in diesem phönixhaften Aufstieg, in der Grundästhetik dem nicht lange zuvor veröffentlichtem Vorgänger ähnlich, und doch ein wichtiger Abschnitt in der Geschichte der Talente um Efrim Menuck. Erstmals seit der „Reunion“ neue Songs (natürlich verhältnismäßig, weil auch schon lange live-erprobt), zwei an der Zahl, wieder mit Lärm – aber noch mehr Hoffnung – und knapper denn je. Nur auf den oberflächlichen ersten Blick altbekannt, ist ‚Asunder, Sweet and Other Distress‚ ein hinterlistig bedeutungsvoller Schritt für eine Band, deren Modus Operandi immer gleichzusetzen mit dem war, was sie predigt. Allerspätestens mit diesem Album sollte klar sein, dass diese vielleicht genreübergreifend säulenheiligste aller Gruppen über die Blaupause die sie selbst für ihre Art von Rockmusik geschaffen hat hinaus ist, und die Musik spielt, für die sie immer bestimmt war, pur und – in einem hart umkämpften Feld voll Kopisten – ihnen eigen.
32. Deafheaven – New Bermuda
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Der Weg musste für Deafheaven nach ‚Sunbather‚ zwangsläufig wieder nach unten führen – warum also die Stoßrichtung nicht gleich verstärken, mit einem ordentlichen Plus an Aggressivität und Druck an den Toren der Unterwelt wüten und den schwerelosen Schönklang mit Gift und Galle spuckender Raserei drangsalieren? Schon alleine, dass das lichtdurchflutete Pink ist einem die Dunkelheit forcierenden Schwarz gewichen ist, kommt insofern einer Ansage gleich: ‚New Bermuda‚ will sich optisch nicht damit begnügen, die Erfolge des Durchbruchs- und Konsensalbums von 2013 zu verwalten und gibt sich folgerichtig generell deutlich ungemütlicher.
Die Chefstyler George Clarke und Kerry Mccoy treiben ihre Band so in den Ring mit all jenen, die den kalifornischen Blackgaze-Königen ihre Verwurzelung im Metal absprechen woll(t)en und knallen in letzter Konsequenz sogar mit einer aufrichtig überraschenden Bösartigkeit waschechte Thrash-Riffs raus, die selbst Slayer neidisch werden lassen können, vergessen dabei jedoch auch nicht darauf, dass es gerade die himmelstürmend erhabenen Postrock-Melodiebögen sind, die sie seit jeher so überragend beherrschen. Zwischen diesen verstärkten Fronten der bestialischen Hymnik reibt sich ‚New Bermuda‚ nun auf – zumeist glorreich und atemberaubend; selten jedoch auch unausgegoren und beliebig. Vor allem, dass die Nahtstellen zwischen den Extremen gelegentlich gar zu lasch und überhastet verschweißt scheinen und Clarke’s Performance in einer bisher ungehörten Eindimensionalität zu ermüden droht, ist extrem ärgerlich: Deafheaven wären hier über weite Strecken an sich drauf und dran gewesen ihr Genre-Meisterwerk ‚Sunbather‚ aus einer anderen Perspektive sogar zu übertreffen.
31. Royal Headache – High
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Am Anfang steht die vermeintliche Enttäuschung: ‚High‚ scheint kaum das Feuer und die unbedingte Dringlichkeit entfachen zu können, die der selbstbetitelten Vorgänger als Garage-Meisterwerk in sich trug. Nach und nach zeigt sich jedoch, dass Royal Headache ihr Qualitäten nur auf eine breitere Basis verlagert und damit den wahrscheinlich bestmöglichen Nachfolger ihres 2012er Einstandes abgeliefert haben. Der Rock’n’Roll hat seine mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-
Dass nach der aus dieser Erkenntnis gewachsenen Euphorie letztendlich dann doch wieder die Enttäuschung steht, zumindest aber eine gewisse Ratlosigkeit, hat dann nur bedingt mit den 10 knackigen Songs hier zu tun. Sollten diese 29 Minuten nämlich tatsächlich den Schwanenengesang der Australier mit dem offenbar abtrünnig gewordenen Sänger Shogun darstellen, wäre es ewig schade um Royal Headache. Gleichzeitig bliebe aber auch eine genugtuende Gewissheit: Schon nach ‚Royal Headache‚ wären die Australier zumindest als Geheimtipp unsterblich gewesen – mit ‚High‚ wäre dann aber endgültig alles für die Legendenbildung angerichtet.
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