Nicht verpassen: 15 Alben abseits der Heavy Pop Top 50
Wie jedes Jahr an dieser Stelle 15 Alben die man 2013 leicht übersehen konnte und die es nicht in die Top 50 Liste geschafft haben – die es sich am Ende des Jahres aber dennoch absolut verdient haben nocheinmal in Erinnerung gerufen zu werden.
Nicht verpassen! | 50 – 41 | 40 – 31 | 30 – 21 | 20 – 11 | 10 bis 01 | Die EP Top 15
Altar of Plagues – Teethed Glory & Injury
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Das zweite große und wichtige Black Metal Album des Jahres 2013 – und das eventuell mutigste/kränkste. Altar of Plagues brechen auf ihrem dritten Studioalbum mit allen Konventionen, sind so wenig true wie nur irgendwie möglich, die Pestbeule am Rücken der Puristen und ohne Berührungsängste auf verstörende Art und Weise progressiv und eigenständig. Im Nachhinein weiß man: was der endgültige Startschuss an die Spitze des Genres hätte sein können war das Ende – ihren Pionierdrang mussten Altar of Plagues teuer bezahlen, die Polen sind an diesem Monstrum einer hirnwütigen Platte zerbrochen. Ihren Platz in den Genre-Annalen sollten die Iren sich damit jedoch gesichert haben.
Arliss Nancy – Wild American Runners
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Noch so eine Band die es sich neben den viel prominenteren The Gaslight Anthem in der Sollbruchstelle von hemdsärmeligen Punkrock und stadiontauglichem Bruce Springsteen-Rock’n’Roll nostalgisch und kumpelhaft bequem gemacht hat. Raue Stimmen, munteres Pianoklimpern, Alternative-Americana-Ansätze und kantige Lebensweisheiten für die Zeit, wenn alles Gewicht der Welt auf den Schultern zu wiegen scheint und The Hold Steady zu leichtfüßig durch die Bar tänzeln. Nein, das Rad erfinden Arliss Nancy auf ihrem Zweitwerk sicherlich abermals nicht neu. Aber wenn 12 Songs in der richtigen Situation während so mancher Lebenskrise zur besten nur erdenklichen Stütze werden können, dann hat man als Band einfach verdammt viel richtig gemacht. Brust raus und Kopf hoch, MusicfortheMorningafter.
Banque Allemande – Willst du Chinese sein musst du die ekligen Sachen essen
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Was war das nur für ein großartiges Jahr was Platten aus dem Nachbarland angeht?! Wie man Banque Allemande dabei so lange übersehen konnte ist nicht nur deswegen unerklärlich, weil die Berliner mal eben einen der markantesten Albumtitel der Saison im Schlepptau haben, sondern vor allem auch weil der kratzige Noiserock der Band 6 fiese und unhantliche Ohrwürmer über 42 Minuten abwirft. „Und im Radio spielen sie Radio-Musik“ skandieren Banque Allemande, lassen ihre Songs aber ohne Kompromisse bis auf stoische zehn Minuten anschwitzen und nach nicht einmal der Hälfte dieser elaborierten Spielzeit anfühlen. Die wissen eben was sie tun, frech, punkig und bis hin zur aufrührerischen Arroganz mit einer absolut bestimmten Selbstsicherheit ausgestattet Das Vorjahr hatte den Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen-Einstand, 2013 hat ‚Willst du Chinese sein musst du die ekligen Sachen essen‚. Die muss man spätestens ab jetzt auf der Rechnung haben!
Boris – Präparat
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Es gab früh in diesem Jahr tatsächlich ein neues Boris-Album, das muss man gar nicht zwingend mitbekommen haben. Nicht nur der unsinnig anmutende Pseudo-Black Metal Titel und das grimme Artwork muten etwas wie Hohn an, auch dass das Ding Japan-Exklusiv in streng limitierter Stückzahl nur auf Vinyl, ohne Möglichkeit eines legalen Downloads veröffentlicht wurde und dabei die besten Stücke der Japaner seit der 2008 erschienenen US-Version ihres Albums ‚Smile‚ enthält. Die Referenzen klingen wie immer bei gelungenen Veröffentlichungen der Band wie ein feuchter Fanboytraum: die spacigen Momente von ‚Flood‚, die shoegazigen von ‚Feedbacker‚, die dronigen von ‚Amplifier Worship‚. Das Problem mit der Konsistenz, dass sich nun schon seit längerem durch Boris‚ Backkatalog zieht, wird auch hier stellenweise evident, nichts desto trotz hat man es definitiv wieder mit den krachigeren, kompromisslosen und idiotisch veröffentlichenden Boris zu tun. Für den durch Visual Key und Collegerock-Ausflüge verprellten Freund zahlen sich definitiv kostspieligere Umwege um an das Album zu kommen aus.
Bosnian Rainbows – Bosnian Rainbows
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Die Neuerfindung des ehemaligen Diktators Omar A. Rodríguez-Lòpez als Teamplayer. Für Bosnian Rainbows tritt der Puerto Ricaner jedenfalls im Dienste der Sache zu den kongenialen Buddies Deantoni Parks und Nicci Kasper in die gleichberechtigte zweite Reihe hinter Sängerin, Rampensau und Lebenspartnerin Terry Gender Bender. Und die Sache, das ist hier Synthie-lastiger, krummrhythmischer Post-Punk mit mindestens einem Bein in den 80ern. So spektakulär wie The Prog-Ergüsse von The Mars Volta oder so abgedreht wie Omars Soloschaffen ist das trotz aller Freiheiten niemals, aber da sind plötzlich reihenweise geradezu zugängliche, zwingende Songs und smarte Hits! Zu behaupten Rodriguez-López hätte damit endlich das Popalbum geschaffen von dem er schon so lange spricht stimmt trotzdem nicht. Weil er auf ‚Bosnian Rainbows‚ eben nichts alleine tut, sondern erstmals als Rädchen in einer bestens geölten Bandmaschine steht. Diese 50 Minuten sind eine Leistung des Kollektives.
Comadre – Comadre
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Aufhören wenn’s am schönsten ist – an der alten Weisheit mag durchaus wahres dran sein. Nur dass sich ausgerechnet Comadre daran halten müssen und den Stecker gezogen haben will man dann doch nicht gut heißen. Zwar war das Quintett aus den USA immer schon ein herausragender und sträflich missachteter Vertreter von allem was sich so zwischen Hardcore und Screamo einordnen lassen konnte (und dazu Platz für Experimente mit Hip-Hop oder Grind hatte), was das die Bay Area-Burschen auf ‚Comadre‚ für ein abschließendes Spektakel veranstaltet ist dann aber eben doch nochmal Next-Level-Kram und Puristengift: Moshpit-Vendetta, reinste Popmelodien, Rock’n’Roll-Schweiß und Punkrockwut, Ska-Ansätze und Soulmomente, Vintage-Grusel-Orgeln und Bläser, ausladende Hymnik und kompakte Kinnhaken – hier hat einfach alles und wie selbstverständlich Platz. Sicher ist der Fantasie hiernach keine Grenze mehr gesetzt um sich auszumalen in welche Sphären diese Band noch hätte vorpreschen können. Aber viel wichtiger: die selbstbetitelte Kür kann Comadre niemand mehr nehmen. Und wer das nicht glauben will sollte sich gleich einmal den gesamten Backkatalog der Band nach „Name Your Prize“-Prinzip holen.
Grouper – The Man who Died in his Boat
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Alles was Liz Harris aufnimmt ist außergewöhnlich. Das gilt für die zahlreichen Projekte in welche die Drone-Songwriterin abseits ihres Hauptprojektes verwickelt ist, am stärksten wohl aber eben für Grouper. Besonders groß war da die Freude als es hieß, dass man über zwei Jahre nach dem zeitlosem Doppelschlag ‚A I A‚ nun wieder in die Welt um ihr zweitunwirklichstes, jedoch unangenehm reales Album ‚Dragging A Dead Deer Up A Hill‚ eintauchen darf, sowohl in Form einer lange überfälligen Wiederveröffentlichung des Meisterwerkes, als auch mittels einer völlig neuen Platte, die sich aus nicht verwendeten Songs aus eben der Entstehungszeit des Albums von 2008 zusammensetzt. Eine nicht nur im Kontext durch und durch verletzliche, fragile Angelegenheit, mit Songs die zum Großteil so gut sind, dass sie auch auf dem letztendlich veröffentlichten Werk nicht negativ herausgeragt hätten – was zugegebenermaßen auch an der gewohnt reduzierten Instrumentierung aus Akustikgitarre, schlaftrunkener Stimme und zerkratzen Tonbändern liegt. Ein tieftrauriger Einblick in die Seele einer tieftraurigen Person.
Julia Holter – Loud City Songs
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Julia Holter wagt sich aus ihrem Schlafzimmerstudio hinaus in die reale Welt: weg von der griechischen Mythologie hin zur Anonymität des Alltag in der Großstadt LA, mit dem 1958er Musical Gigi im Hinterkopf. Ein wenig verkopft sind sie also immer noch, die Songs der 29 jährigen, die da erstmals mit Mitmusikern im Schlepptau vage Ansätze aus Pop, Jazz und Ambientmusik so experimentell wie meisterhaft miteinander verwebt. ‚Loud City Songs‚ ist ein ätherisches Meer aus sphärischen Melodien geworden, in den stillen Momenten schier herzzereißend, daneben voller Überrschungen: an der einen Hausmauer warten polternde Bläser (‚Horns Surrounding Me‚), ‚This Is a True Heart‚ geht als geschmeidiger 80er-Synthiepop mit geschlossenen Augen durch, während ‚Maxim’s II‚ das artifizielle Varietè in allen Facetten in den Wahnsinn zerren will. Der Gedanke der einem vor allem beim betörenden Opener ‚World‚ kommt findet jedoch in allen 9 Songs dieses ziellosen Streifzugs seine Fortsetzung: ein bisschen ist das alles wie das musikalische Pendant zu Charlie Kaufman’s Synecdoche, New York.
Kayo Dot – Hubardo
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Rein vom Entstehungsprozess her wirken neue Veröffentlichungen der Avantgardelegende Kayo Dot bedenklicher Weise wie immer schwerere Geburten, da half auch nicht das ‚Hubardo‚ eines der ambitioniertesten Projekte der Band werden sollte: ein sowohl in musikalischer als auch zeitlicher Hinsicht prall gefülltes Doppelalbum, Kompositionen zwischen hyperaktivem Jazz und verquerem Black Metal, die immer wieder mit der fünfzehn-Minuten-Grenze liebäugeln, Songstrukturen jenseits von gut und böse. Das wahren künstlerischer Integrität ist man ja nun gewohnt im Hause Toby Driver, aber sowas will erst mal veröffentlicht werden. Als es das dann – vorerst zumindest digital – auch wurde, durfte man sehr wohl beeindruckt sein, wie es souverän gepackt wurde, diesen vermeintlichen Überschuss an Ehrgeiz in so einen konzentrierten Rahmen zu packen. ‚Hubardo‚ ist vielleicht das Album von Kayo Dot, das am stärksten fordert, vielleicht aber auch jenes, dessen Erarbeitung sich am meisten lohnt.
Love A – Irgendwie
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Love A gehört dank ‚Juri‚ die wahrscheinlich beste Eröffnungszeile einer Platte im Jahr 2013, und dank ‚Irgendwie‚ gehören dem Quartett ein paar der schmissigsten, mitreißendsten, drängelnsten und zwingendsten deutschsprachigen Hitgranaten der vergangenen Monate. So gut der Gag ‚Freibad‚ auch war, er ist erzählt – und Love A zwei Jahre nach dem Debüt trotz der selben Zutaten schon ein Level weiter. Dann also Songs wie ‚Der tausendste Affe‚, der auch beim xten Durchgang noch zum schmunzeln verleitet, die Beine nicht still halten lassen kann und dabei die Biographien Campino, Roy Black und Falco in Einzeilern shredderrt. ‚Entweder‚, ‚Oder?‚ oder ‚ H ‚…die Love Academy holt punkige Indierockherzen direkt an der Wohnungstür ab. „Bin dehydriert vom Alkohol, kann nicht einmal mehr pissen/ Doch man lacht mich aus: das Leben sei doch schön!„. Irgendwie eh.
Madensuyu – Stabat Mater
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5 Jahre nach ‚D is Done‚ spielt das belgische Duo endlich wieder ihren scheppernden, stürmischen, schamanenhaften Indierock – und sie tun es im dritten Anlauf besser denn je. ‚Stabat Mater‚ gönnt sich gespenstische Kindergesang-Interludes und wavig-wummernde Bässe, noisige Ausbrüche und der hetzende Rhythmus ist ohnedies König. Nicht nur beim überragenden Schlusspunkt ‚Haul In / High Tide‚ hat das den indirekten Zug zur Hymne, während die Melodien in Instrumentalstücken wie ‚Dolorosa‚ seit jeher zu existieren scheinen. Ist das nun modern, zeitlos, unkompliziert oder zu eigenbrödlerisch? Wie auch immer: insgeheim müssen dEUS längt froh sein dass Stijn ‚Ylode‚ De Gezelle und PJ Vervondel ihre Arbeit weiterhin unter dem Radar der Öffentlichkeit verrichten müssen – denn der Kampf in die Indierock-Krone Belgiens wäre mit einer breiteren Lobby wohl spätestens nach einer astreinen Comebacksensation wie ‚Stabat Mater‚ gekippt.
Midlake – Antiphon
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Midlake haben ein Duell dass sie eigentlich nur verlieren konnten dank ‚Antiphon‚ gewonnen. Denn ernsthaft: wieviele Fans sahen das Folkrock-Schiff aus Denton nicht kentern, nachdem Kapitän Tim Smith mit dem Meisterwerken ‚The Courage of Others‘ und ‚The Trials of Van Occupanther‚ sowie fruchtlosen Sessions im Rückspiegel von Bord geflüchtet war. Mit einer „Jetzt erst Recht“ Reaktion sondergleichen und Gitarrist Eric Pulido am Mikrofon hat es die zum Sextett aufgestockte Band jedoch allen Zweiflern bewiesen: ‚Antiphon‚ ist ein retrostylishes Sammelsurium wunderbar strahlender Songs, psychedelisch und poppig im Licht der 1960er, dargebracht mit einer technischen Versiertheit, die permanent die Kinnlade hinabkippen lassen würde, wären Midlake nicht so bescheiden in den Inszenierung. Dass nicht alle Kompositionen mit den herausragenden Sahnestücken und Geniestreichen ‚Provider ‚ und ‚This Weight‚ mithalten können fällt nicht ins Gewicht: denn das können nur wenige Songs im Jahr 2013.
Power Trip – Manifest Decimation
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In vielen Listen zum Ende dieses Jahres war und wird richtiger Weise zu lesen sein, dass 2013 (wieder mal) ein ganz herausragendes Jahr für Metal-Spielarten jeglicher Gattung war, und wäre dies nicht in diesem Maße der Fall gewesen – ‚Manifest Decimation‚ von den jungen Menschen von Power Trip aus Dallas, Texas hätte mit Sicherheit einen nummerierten Platz in den höheren Gefilden abbekommen. Schon die ersten Töne inklusive ausgedehntem Feedback und dystopischen Sci-Fi-Synths der prägnanten Thrash-Abrissbirne lassen den 80er-Aficionado mit der Zunge schnalzen, und nach einem einleitenden Urschrei von Frontmann Riley Gale noch mit ganz anderen Körperteilen. Vor allem tun sich da Assoziationen zu den guten, alten Slayer und den dunklen Seiten des Thrash auf, aber auch reichlich Hardcore-Spirit kann Power Trip nicht verleugnet werden, womit ‚Manifest Decimation‚ schon ein ganz ordentliches Spektrum für Moshwillige abdeckt, und das auch noch mehr als kompetent.
Tomahawk – Oddfellows
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Auch ein Mike Patton benötigt so etwas wie eine Supergroup, vielleicht in erster Linie auch deshalb, um seine verquere Idee von Popmusik im weitesten Sinn in für den Zuhörer verdauliche Bahnen lenken zu können – dass eben dafür Fantômas nicht da sind hätte man seit deren letzter Veröffentlichung fast vergessen können, hat das Tomahawk-Oberhaupt mit den Kollegen Denison und Stanier 2007 doch mit ‚Anonymous‚ einen deutlicher in experimentelle Gefilde abweichenden Sonderposten in der Diskographie abgeliefert. Das Quasi-Comeback und die Band-Premiere von Trevor Dunn ‚Oddfellows‚ behält einen Hauch konzeptuelle Abgehobenheit die die Rechtfertigung des Bandbanners mit sich brachte bei, bringt das Projekt erfreulicher Weise jedoch souverän zurück auf Kurs böser Zwilling der Foo Fighters, und hält mit ‚Stone Letter‚ gar die schmissigste Radiorock-Nummer bereit die Patton und Co. seit ‚Rape this Day‚ verfasst haben. So darf’s gerne weitergehen.
Vaura – The Missing
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Gut gemachter atmosphärischer Black Metal ist im Moment keine Seltenheit, und idealerweise muss man sich bald nicht mehr unsicher erkundigen, ob der neueste heiße Scheiß nun 100% true ist oder nicht, geschenkt. Vaura – mit Kayo Dot Mastermind Toby Driver am Viersaiter – aus dem edlen Hause Profound Lore könnten nun vom schnellen Ohr bald als eine weitere gefällige Band aus dieser überlaufen zu drohenden Sparte abgetan werden, präsentieren sich auf ‚The Missing‚ jedoch als hochinteressanter, höchst eigenständiger Act zwischen smypathischen Black Metal und – oho – Anflügen von U2? College Rock à la Foo Fighters über die Stimmung skandinavischer Wälder im Morgengrauen gebürstet? Post-Punkern die sich nicht zu schade sind, feinste Doom-Fäden durch radiokonforme Songlängen zu ziehen? Hier und da werden Vaura als fake abgetan, was natürlich schon allein ob der musikalischen Sozialisierung eines Herren Driver unsinnig ist, tatsächlich hat man es bei ‚The Missing‚ mit einer der aufregenderen, frischer klingenden aktuellen Veröffentlichungen des Genres zu tun.
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