Die Alben des Jahres: 20 bis 11
Nicht verpassen! | 50 – 41 | 40 – 31 | 30 – 21 | 20 – 11 | 10 bis 01 | Die EP Top 15
20. Kvelertak – Meir
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Das Album nach dem Debut, welches vor drei Jahren über die Metal-Gemeinde über Schweden hinaus hergefallen ist, wie ein Rudel tollwütiger Wölfe über ein Mötley Crüe Konzert. Kvelertak sind beileibe nicht die ersten die extreme Metalspielarten mit Bierrock kombinieren, und schon der einfach zu übersetzende Titel ihres Zweitwerkes deutet darauf hin, dass sie es auch nicht darauf abgesehen haben, irgendwie ihre totsichere Formel abändern zu wollen. Sattelfest von Produktions-Tausendsassa Kurt Ballou in einen perfekten klanglichen Rahmen gepresst, wird sich spielend zwischen Black-Metaligen Blastbeateinlagen, Sludge-affinen Gitarrentürmen und, obwohl sturzbesoffen, gar nicht mehr nach Hause gehen wollendem Death’n’Roll hin und her gekeift – und wenn Kvelertak meinen, alles poppige, dass das erste Album hatte, sei hier poppiger, dann meinen sie wohl ‚Bruane Brenn‚, eine der schweinecoolsten Singles des Jahres, die ab der Hälfte alle Brücken verbrennt, und mit einem Solo wie aus der schmierigsten Guns N‘ Roses-Ballade verzaubert. Weiterentwicklung auf Album #3 eher nicht erwünscht.
19. Melt-Banana – Fetch
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Melt-Banana sind jetzt auch schon 20. Auf ihrem neunten Studioalbum auf die Grundmannschaft von Quietscheente Yasuko Onuki und Gitarrenzampano Ichirou Agata reduziert, besinnt man sich auf ‚Fetch‚ fast auf den kompletten Backkatalog zurück – nur auf das letzte Album, ‚Bamib’s Dilemma‚ von vor sechs Jahren fast gar nicht. In erste Linie ist ‚Fetch‚ nämlich eines: eine Grindbombe erster Kajüte. Klar schimmern diese vom Vorgänger bisher am stärksten proklamierten, für Melt-Banana typischen Pop-Momente durch, vor allem anderen wird aber geknattert, gefaucht, und ein Riffgewitter hinausgeloopt, das man meint man hätte es mit Pig Destroyer auf Helium zu tun. Verstärkt werden Großtaten wie ‚Charlie‚ und ‚Teeny Shiny‚ kanalisiert, von ‚Cell Scape‚ hat man sich schlicht den genialen Sound (und einen etwas unnötigen Ausflug in die Stille) geschnappt – heraus kommt bei dem Ganzen der viel zitierte Wirbelsturm, in dessem Auge es noch viel wahnsinniger zugeht, als alle umhergewehten Katzen und Hunde vermuten lassen. In erster Linie liegt das an der Gitarrenarbeit Agata’s, die man einfach (am besten live) miterlebt haben muss um sie zu glauben, aber auch Yasuko zeigt (schon auf der ersten Kostprobe des abgespeckten Lineups ‚Lite LIVE‚) keinerlei Ermüdungserscheinung, scheint von den neuen Möglichkeiten des Bandgefüges geradezu Hyperaktiv. Auf die nächsten 20!
18. King Krule – Six Feet Beneath The Moon
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Mit gerade einmal 19 Jahren hat Archibald Marshall eine längere Veröffentlichungsliste als so macher alte Hase vorzuweisen, dazu einen größere Alias-Dichte im Kleiderschrank hängen als das durchschnittliche Wu-Tang Mitglied. Für sein eine gefühlte Ewigkeit auf sich warten lassendes Debütalbum als King Krule zieht der Londoner dann auch keine Grenzen zwischen Entstehungszeitraum, Urheber und Impulsgeber, spart vorausgegangene Bombensongs wie ‚Rock Bottom‚ oder ‚The Noose of Jah City‚ aus, nur um dem digitalen Zoo Kid Song ‚A Lizard State‚ ein smartes Bläseroutfit zu verpassen oder die Gitarrenminiaturen ‚Ocean Bed‚ und ‚Out Getting Ribs‚ neu einzuspielen, sowie dazu eine Handvoll bereits bekannter Tracks nachzuschaufeln, um vor dem Release noch im Studio bei Mount Kimbie vorbeizuschauen zu können. Man merkt: der rotzfreche Rotschopf macht sowieso was er will, vor allem stilistisch, verwurstet seine Singer-Songwriteransätze mit dezenten Elektronikmomenten und einer generellen Vorliebe für Dub-Szenarien, klingt dabei als verbindendes Element wie der zwischen Rap und Gesang hängende kleine Bruder von Tom Waits aus dem Ghetto (weswegen hat ein 29jähriger so eine Stimme?!), der die Guerilla Gigs der Libertines besucht hat, The Clash genauso verehrt wie das erste Album von Jamie T. und während der Riots lieber im Club abgehangen hat um nur keinen Dubstep-Impuls zu verpassen. Am Ende steht da also ein impulsives Sammelsurium aus sinnvoll unter eine Haube gebrachten herterogen Songs, die sich allesamt keinen Deut um Erwartungshaltungen oder Konventionen scheren, und gerade damit das wahrscheinlich erfrischendste Debütalbum 2013 formen. Sicher ist das auch bis zu einem gewissen Grad Zeitgeist-Hype. Aber bei der formvollendeten Klasse dieser überschäumenden Talentprobe viel mehr noch die Ankündigung: der Typ fängt gerade erst an warmzulaufen!
17. Nadine Shah – Love You Dum and Mad
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Die Reaktion von Akira Yamaoka auf den Erstkontakt mit dem Debütalbum von Nadine Shah ist nicht überliefert. Sofern sich der japanische Soundarchitekt das Debütalbum der Britin überhaupt zu Gemüte geführt hat ist jedoch davon auszugehen, dass er mit zusammengebissenen Zähnen in Tränen ausgebrochen ist, um vor allem in Songs wie ‚The Devil‚, ‚All I Want‚ oder ‚Used it All‚ die gerochenen Hymnen zu hören, die von Yamaoka’s Radiostationen durch den Nebel von Silent Hill in den unheilschwangeren Äther entweichen, kurz bevor gebrochene Menschen in den Höllenschlund gesaugt werden. Dafür braucht Nadine Shah ein spartanisch inszeniertes Instrumentarium, ein rostig rumpelndes Bandszenario mit vertaubter Akustikgitarre unter Führung von Produzent Ben Hillier, und am Ende gedeiht da gar leise orchestrale Dramatik – an vorderster Linie steht jedoch zumeist ein die Melodien argwöhnisch betrachtendes, perlendes Klavier. Denn um diese unwirkliche und einzigartige Atmosphäre zwischen zaghaft keimender Hoffnung und melancholischer Niedergeschlagenheit zu erzeugen genügt Shah ihre rauchige, vor Emotionalität vibrierende Stimme. Stünde es um PJ Harveys Kreativität also nicht seit jeher bestens – Nadine Shah hätte (neben dem an dieser stelle noch einmal ausdrücklich empfohlenen Torres-Debüt) mit diesem intensiven Einstand mehr als nur eine Empfehlung für die Übergabe der Krone abgegeben. Vorerst muss sich Shah allerdings noch damit begnügen in einem an grandiosen Alben aus weiblicher Hand überragenden 2013 noch vor allen Kolleginnen das Sahnestück des Jahrgangs kredenzt zu haben.
16. Darkside – Psychic
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Es wäre unfair zu behaupten Nicolas Jaar hätte James Blake im (nicht stattfindenden) Duell der beiden herausragenden jüngsten Electronic-Songwriter zwei Jahre nach dem triumphalen Jahrgang 2011 klar überholt. Weil Jaar sich anstatt seinem ‚Space is Only Noise‚ einen Nachfolger zu bescheren (noch) nicht der Herausforderung Zweitwerk gestellt hat, und bei Darkside außerdem tatkräftige Unterstützung von seinem ansonsten als Tourgitarrist und Multiinstrumentalist fungierenden Kumpanen Dave Harrington erhalten hat. Was die beiden für ‚Psychic‚ – das facettenreiche Langspiel-Update der guten aber etwas eindimensionalen selbstbetitelten EP von 2011 – letztendlich gegenseitig für Momente aus sich herauskitzeln ist dann aber ohneides abseits jeglichen Konkurrenzdenkens eine der schönsten Demonstrationen einer kongenialen künstlerischen Partnerschaft des Jahres: die The Police-Licks und das Sting-taugliche Wehklagen im uferlosen, 11 minütigen Klangmeer ‚Golden Arrow‚; der relaxt stacksende Rockgroove in ‚Heart‚; der Slowhand-Bluesrock von ‚Paper Trails‚; das verhalten für den Club Funk versprühende ‚The Only Shrine I’ve Seen‚;….“The closest thing to rock & roll I’ve ever done“ sagt Jaar über ‚Psychic‘, aber wer immer auch das Fantasie-Banner Minimal-Psychedelic für die Momente erfunden hat wenn Jaar digitale Knöpfe wabbern lässt und Harrington Melodien aus seiner Gitarre kitzelt um das luftige Szenario zu erden, der lag so falsch nicht.
15. The Haxan Cloak – Excavation
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Auf ‚Excavation‚ geht es in erster Linie um den Tod, die Reise der Seele danach wohin auch immer. Das kann man sich auch ohne das Hintergrundwissen gut vorstellen: der angedeutete Galgen auf dem Cover, der verstörend unheimliche Beginn, der langsame Sog in den Malstrom aus Ambient, Dark-Electronics und Dubstep. So wie Bobby Krlic auf seinem zweiten Album würde wohl Burial klingen, würde er seinem Namen alle Ehre machen. ‚Excavation‚ ist trotz der humanen Spielzeit einschüchternd groß und dunkel, türmt über dem Zuhörer, im Raum, auf den Kopfhörern – stellenweise möchte man sich während dem Hören von ‚Excavation (Part 2)‚ oder ‚Miste‚ nicht mal umsehen, ob man noch alleine ist. Ganz ohne Hoffnungsschimmer kommt die ewige Finsternis natürlich auch nicht aus – immerhin: ‚Excavation‚ versteht sich mehr als Wegweiser durch das Nachleben, nicht als Prospekt – und so vermittelt gerade das abschließende, dreizehnminütige ‚Drop‚ den Eindruck, das Kraft aus Trauer gezogen werden muss, und man kann sich als kommende Veröffentlichung von Krlic gar ein weißes Pendant zu ‚Excavation‚ ausmalen. Höchstwahrscheinlich wird es aber lebensfeindlich weitergehen.
14. Messer – Die Unsichtbaren
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Gerade einmal 17 Monate liegen zwischen ‚Im Schwindel‚ und ‚Die Unsichtbaren‚. Eine kurze Zeit, die die Gruppe Messer so effizient wie möglich genutzt und sich und ihren Sound konsequent weiterentwickelt hat. Den Staub von ihrem Postpunk ist weitestgehend abgeklopft, die diesjährigen Hits der Band (‚Die kapieren nicht‚, ‚Platzpatronen‚, ‚Es gibt etwas‚ – you name it!) marschieren weiter in Richtung The Cure und The Fall und strahlen nun aufs Podest gehoben (‚Neonlicht‚!) umso heller. Die alte Floskel von erwachseneren Album, sie trifft auf ‚Die Unsichtbaren‚ dann zu, wenn gemeint ist dass sich eine Band nicht damit begnügt alte Glanztaten zu wiederholen, oder nicht mehr ganz so überfallsartig agiert um die eigenen Stärken noch überlegter zu bündeln. Dabei ist auch einiges gleich geblieben: die Münsteraner verstehen es immer noch ihre Musik mit einem gehörigen Kunstanspruch und intellektuellem Überbau auszustatten ohne Gefahr zu laufen affektiert zu wirken – und das beste deutsch(sprachig)e Album des Jahres haben Messer natürlich außerdem schon wieder abgeliefert. Eigentlich ein Leitfaden: von der heißesten Insider-Aktie zur Referenzband in nur 17 Monaten.
13. Boards of Canada – Tommorow’s Harvest
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Mit einem Backkatalog wie ihn die Brüder Michael Sandison und Marcus Eoin alias Boards of Canada vorweisen können, konnten die Erwartungshaltung in das erste Album seit vor acht Jahren die ‚Campfire Headphase‚ angetreten wurde nur unrealistisch hoch sein. Man kann die Gelegenheiten kaum zählen, an denen man Boards of Canada als Referenzsound für Bands, die oftmals gar nichts mit elekronischer Musik zu tun haben herangezogen hat, so vertraut ist dieser typische Klang der Schotten – mehr Soundtrack als Soundscapes, vertontes, verträumtes Kopftheater, immer hinter diesem sanften Schleier aus gedämpfter Spiritualität, Okkultismus meinem manche gar. Schwer verständlich also, warum viele überrascht waren das Boards of Canada – siehe da – ein Boards of Canada-Album gemacht haben, auf dem sie so klingen, wie alle das insgeheim doch gehofft haben: einfacher, beinahe in vier Movements, aufgeschlüsselter als zuvor, mit allen Trademarks die man aus den 90ern rüberretten konnte, zersetzt mit Eindrücken des 21sten Jahrhunderts. Dystopische Klänge wie sie in Boards of Canada’s Œuvre zuvor nicht üblich waren konnte man sich erwarten – hat man bekommen. Hauchzarte, verspielt klingelnde Ausflüge in den Post-Rock, die man einfach besser kann als viele Acts die sich in den Jahren nach ‚Geogaddi‚ daran versucht haben – vertreten. Reflexionen gänzlich moderner Gefühlsumstände verwoben in die ganz persönliche Nostalgie die jeder für Boards of Canada empfindet – selbstverständlich. Das ‚Tomorrow’s Harvest‚ relevant wird, wusste man seit dem Zeitpunkt der Ankündigung. Sich die Hände dabei schmutzig zu machen, das wird vielleicht der nächsten Platte überlassen.
12. Dirty Beaches – Drifters / Love Is The Devil
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Alex Hungtai hätte es sich nach seinem Durchbruchsalbum ‚Badlands‚ tatsächlich weitaus leichter machen können. Stattdessen kam der Kanadier mit einem fordernden und geradezu klaustrophobischen Doppelalbum um die Ecke, dass melancholische Anti-Melodien und elegische Momente zeitloser Schönheit über zwei Platten zuerst mittels kalter, harter, skelletierter und gnadenlos sehnsüchtiger Minimal-Synthiesongs formuliert, und im zweiten Albumteil über weitläufige, unkonkrete Ambientlandschaften ala William Basinski und Mount Eerie ausdrückt. Ein polarisierendes, schwieriges und unnachgiebiges Werk, kompromisslos und radikal zu jeder Sekunde, vermeintlich ohne jedes Entgegenkommen, dass sich für die Einen wohl nie erschließen wird, während es für andere das „beste Albums seit Portisheads ‚Third‘“ sein kann. Zumindest im Livegewand in beiden Fällen: eine markerschütternde Erfahrung.
11. These New Puritans – Field of Reeds
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Mit ‚Field of Reeds gelingt es der nach Sophie Sleigh-Johnson Ausstieg zum Trio geschrumpften Artrockband um die Zwillingsbrüder Barnett (der eine Mastermind der Band, der andere verspulter Drumtüftler und Model) im dritten Anlauf den Bogen zwischen eigenwilliger Kunstmusik und experimentellem Indierock in einer virtuosen Konsequenz zu spannen, wie das selbst ‚Beat Pyramid‚ und ‚Hidden‚ nur andeuten konnten. Denn der Schritt, den der Songwriter (oder besser: Songarchitekt) Jack Barnett nach intensivem Flirt mit klassischer Musik und dank der Unterstützung von knapp 40 Sessionmusikern inklusive Jazz-Sängerin Elisa Rodrigues, dem Stargaze Ensemble und dem Synergy Vocal Ensemble auf ‚Field of Reeds‚ vorgibt ist ein immenser: Melodien werden nur leise im in alle Richtungen offenen Raum gestreichelt, in ein unheimlich sorgsam arrangiertes Netz aus sporadisch auftauchenden Bläsern, Streichern, Chören, Tasteninstrumenten und krummen Rhythmen gebettet. Eine Platte, der die Details niemals auszugehen, die man sich erarbeiten muss und die letztendlich gar nicht so sehr Denksport ist, wie es auf den Erstkontakt scheinen möchte. These New Puritans haben hier ein abstraktes und faszinierendes Kunstwerk zwischen Melancholie und Schönheit geschaffen – ihr eigenes ‚Spirit of Eden‚ vielleicht sogar.
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