Ὁπλίτης – Τ​ρ​ω​θ​η​σ​ο​μ​έ​ν​η

von am 4. Mai 2023 in Album, Heavy Rotation

Ὁπλίτης – Τ​ρ​ω​θ​η​σ​ο​μ​έ​ν​η

Derweil Jimmy Hamzey gefühlt abseits jeglicher Wahrnehmung ein neues Kapitel aufgeschlagen hat, macht Dauerveröffentlicher Liu Zhenyang mit dem zweiten Album von Ὁπλίτης (aka Hoplites) innerhalb weniger Monate aufmerksamkeitwirksam weiter – und emanzipiert sich auf Τρωθησομένη ein gutes Stück weit von den unbedingten Serpent Column-Vergleichen.

Ohne diese überdeutlichste Referenz konnte ja kein Text zu Ψευδομένη auskommen. Was sich nun, knapp vier Monate später mit Τρωθησομένη, zwar nicht vollends geändert hat. Doch ist das Spektrum des in Griechenland studierenden Chinesen mit den zahlreichen Projekten und Linguistik-Vorlieben unter dem Ὁπλίτης-Banner merklich gewachsen: Τρωθησομένη wütet mit aggressiver Tech Death Metal-Manie immer noch auf einer chaotischen Basis, die ohne Serpent Column undenkbar wäre. Doch dreht Zhenyang den Riff-Wahnsinn mit breitbeinigerer Attitüde auf ein Vektor-Level und lässt das Ergebnis phasenweise so klingen, als wären Kvelertak nach deren Debüt zu Deathspell Omega abgebogen – nachzuhören gleich im Einstieg Οὐλομένη und vor allem dem herrlich knackigen Τρῶξις.
So wird im Umkehrschluss allerdings gleichzeitig auch der Fokus des Projekts geschärft: Ὁπλίτης ringt seinem Eklektizismus mehr Eigenständigkeit ab und macht generell (beinahe) alles um das kleine Quäntchen besser als auf dem Vorgänger.

Vom Songwriting her trifft das vor allem auf die überragende erste Hälfte der Platte zu, doch greift die Inszenierung der Instrumente (die diesmal, glaubt man etwaigen Quellen im Netz, wohl nicht nur im Alleingang gestemmt wurde – aber so ganz schlau wird man aus den Credits ehrlich gesagt nicht) allgemein idealer ineinander, wenn der Bass tolle Linien aufzeigt und auch immer wieder einen verdienten Platz im Mix-Rampenlicht der grandiosen Produktion bekommt, die Gitarren wie irre ihre komplexen Psychosen hinausschleudern und das Schlagzeug immer noch übermenschlich programmiert etwas runder in den Gesamtsound gebettet erscheint, um der intensiven Verdichtung beizutragen.

Τρῆσις dreht zur Mitte hin beispielsweise ab wie ein hymnischer Fiebertraum in der Hölle auf Speed auf und Τραῦμα schraubt wie von Sinnen heulend als Gitarren-Orgasmus die Kinnlade hinab und lässt den Schädel vibrieren. Ὁ Τῶν Τραυμάτων Ἄγγελος ist einziger Beschleunigungsstreifen der Riffs, der nach einer kurzen okkulten Andacht mit Hardrock-PS unter der Death-Haube nachtritt. Und nachdem das instrumentale Zwischenstück Τετρωμένη mit viel Groove der herrschaftlichen Melodie einer Castlevania-Eleganz verpflichtet ist (dabei allerdings auch in gesamter Länge weniger elementar für den übergeordneten Spannungsbogen auftritt) hat das superbe Highlight Ἔκτρωμα wieder Dillinger Escape Plan-Schikanen zu bieten, bevor der praktisch nahtlose Übergang zum Prog-Tritt aufs Gaspedal in Θεία Μανία zum eigentlich idealen Schlusspunkt Οἰχησομένη führt, der seinen repetitive in den Details variierenden Strom als hypnotischer Sog in den angedeuteten Drone tauchen lässt.

Warum diesem Finale mit Θεῖα Δεσμά ein fast (und bitte ausnahmslos absolut relativ zu verstehen – so technisch versiert das alles hier wieder prickelt!) primitiv den simpel-schweinischen Rocker (aka einer potenziell tollen Standalone-Single) machender Appendix angehängt wird, muß man nicht verstehen – vielleicht ist dies ja nur ein Missverständnis, wie es auch über die inhaltliche Ebene von Ὁπλίτης mancherorts geherrscht zu haben scheint.
Keinen Irrtum kann es derweil über den Eindruck geben, den Τρωθησομένη nach der Steilvorlage des Vorgängers im Metal-Musikjahr 2023 hinterlassen wird: schon jetzt ein fixes  Schmuckstück für die Best of-Listen!

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