Yo La Tengo – Stuff Like That There
25 Jahre nach ‚Fakebook‚ holt die Indie-Institution aus Hoboken Zweitgitarrist Dave Schramm zurück an Bord und wiederholt das Konzept der 1995er-Platte: Yo La Tengo covern sich selbst und andere und mischen dazu zwei neue Nummern in den minimalistisch gehaltenen Kanon.
Eine der größten Stärken von Ira Kaplan, Georgia Hubley und Langzeitbassist James McNew ist seit jeher die immanente Zeitlosigkeit ihrer Musik. ‚Stuff Like That There‚ funktioniert nun ein Vierteljahrhundert nach seinem geistigen Vorgänger genau wie ‚Fakebook‚ selbst dank der Grundausrichtung sogar noch reibungsloser als das sonstige Œuvre an der Schnittstelle aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
An der Gangart hat sich jedenfalls kaum etwas geändert (auch wenn Hubley diesmal das Gros des Gesangsanteils übernimmt): die Stimmen sind knapp vorm Flüstern gehaucht, die Instrumente streicheln sich in ihrer unaufgeregten Zurückgenommenheit um die Wette und das markante Gitarrenspiel von Rückkehrer Schramm gibt beinahe den roten Faden in diesem so unfassbar entspannten Konglomerat, das sich ein bisschen wie der musikhistorische (Insider-)Blick auf ein besseres, friedlicheres Paralleluniversum anfühlt.
Denn alleine mit welcher beinahe kindlich naiven Mühelosigkeit und immanenten Herzlichkeit Yo La Tengo einen sonst so unendlich schwermütigen Song wie ‚I’m So Lonesome I Could Cry‚ von Hank Williams interpretieren und ihm tröstend neuen Lebensmut einhauchen – das muss man so anstandslos erst einmal zustande bringen.
Es ist diese ureigene wärmende Melancholie, mit der sich Yo La Tengo all die Fremdkompositionen zu eigen machen, da spielt der Popularitätsgrad des Original letztlich keine Rolle. ‚My Heart’s Not In It‚ (Darlene McCrea) gerät als sympathisch romantischer Dängler ohne jede Hast zu einem Ohrwurm, der sich innerlich eigentlich verzehrt, aber nach außen hin jene luftige Leichtigkeit transportiert, die Yo La Tengo seit jeher gepachtet haben. Der derzeit bei Tributzollern hoch im Kurs liegende The Cure-Pop von ‚Friday I’m in Love‚ wird wiederum zu einer freundlich in die Nachmittagssonne hineinträumenden Akustikgitarrennummer samt putzigem Video.
‚Before We Stopped to Think‚ (Great Plains) könnte so auch einem dösenden Kurt Wagner mit Lambchop eingefallen sein, ‚Automatic Doom‚ (Special Pillow) schwebt mit geschlossenen Augen über eine leere Tanzfläche und das beschwingt im Vintage-Look daherkommmende ‚Butchie’s Tune‚ (The Lovin‘ Spoonful) outet Yo La Tengo wohl als Fans von Mad Men. Dass ‚Stuff Like That There‚ hinten raus etwas zu gleichförmig abflacht, bleibt im Gesamtfluss trotzdem stimmig: wirklich essentiell mag das vierzehnte Studioalbum der Band nicht ausgefallen sein, umtänzelt aber die Langeweile mit einer unaufdringlichen Erhabenheit, die im richtigen Moment den schönsten Soundtrack für das Leben liefern kann. ‚Stuff Like That There‚ fühlt sich einfach verdammt gut an.
In das instrumental sparsam inszenierte runde Ganze der Cover-Experten fügen sich hauseigene alte Bekannte der Discographiegeschichte dank ihres neuen Soundgewandes (‚The Ballad of Red Buckets‚ hat beispielsweise seinen ursprünglichen Noise zu einer leise glimmernden Erinnerung ausgeblichen, gibt sich leichtfüßiger; ‚All Your Secrets‚ entledigt sich seines Orgelüberbaus) ebenso nahtlos ein. Wenn dann die beiden neuen Nummern kontextstimmig gleichzeitig das Geschehen vervollständigen (‚Rickety‚ mit seinem unfassbar sanft perlenden Groove und ‚Awhileaway‚ als flüchtig bleibende Lap Steel-Sinnsuche, die sich eher hintergründig auswirkt, als das Gewicht oder die Spannung „regulärer“ Studioalben aufweisen zu können und damit auch ein bisschen symptomatisch für die gesamte Platte steht) und den Schulterschluss zu Platten wie dem direkten Vorgänger ‚Fade‚ finden, steigt im wohlig plätschernden Rausch vor allem auch die Vorfreude auf zukünftigen Alben der immer noch so unschuldig-vitalen Herzensband. Denn wenn das neugierige Stöbern in der Vergangenheit, die adaptierte Gegenwart etwas nahelegt, dann, dass die um keinen Songwriting-Schatz verlegenen Yo La Tengo wohl in alle Ewigkeit für wunderbar-unscheinbare Kleinode des Indierock sorgen werden.
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