Unknown Mortal Orchestra – II
Ordentlich verwaschen ist es immer noch, das psychedelische 60s-Gebräu des Unknown Mortal Orchestra. Dabei erlaubt sich das Trio auf ‚II‚ jedoch, den Popappeal in ihrem nebulösen Anachronismus gehörig zu konkretisieren.
Die Parallelen zu Kevin Parker’s Psychedelik-Flagschiff Tame Impala sind somit noch stärker vorhanden als sie es zu Zeiten des dem mit seiner zugedeckten Produktion gelegentlich etwas zu wohlig in einer dösenden Unscheinbarkeit tappenden Unknown Mortal Orchestra-Debüt von 2011 waren. Wo Parker in Australien als Mastermind jüngst den makellosen Pop in seiner live zur Band angeschwollenen Psychedelik-Truppe forciert, macht Ruban Nielson ähnliches am Steuerrad der nach Portland ausgewanderten Neuseelandgang, allerdings mit etwas weniger entgegenkommender Verdaulichkeit. Nielson meint eben eine andere Konzentration von Zugänglichlichkeit als die Parker’sche Soloband, selbst, wenn man wohl zur Inspiration die selben Beatles-Platten – vermutlich zumindest all jene ab ‚Rubber Soul‚- verinnerlicht hat. Um dieses Thema abzuhaken: im direkten Vergleich mit Tame Impala klingt das nahverwandte Pseudo-Orchester immer noch wie eine im Drogennebel versunkene, pPillenschmeißende Hippiekommune. Weil aber alles eine Frage der hauseigenen Relation ist, darf hier trotzdem die Rede von einer vergleichsweise unmittelbaren Ohrwurmsammlung sein.
Wo ‚Unknown Mortal Orchestra‚ (zu Unrecht) immer ein bisschen im Schatten von ‚Ffunny Ffrends‚ stehen mußte, hat ‚II‚ die Hingucker flächendeckend ausgestreut. ‚From The Sun‚ purzelt mit repetitiv-krautigem Rhythmus und verzauberndem Gitarrengeplänkel direkt aus einem Zeitloch, klingt vollkommen ungeniert nach Beatles und Lennon und damit fantastisch, Nielson leidet: „I’m so lonely but I can never quite reach the phone/ I’ve gotta eat my popcorn all alone/…/ Isolation can put a gun in your hand.“ und nimmt damit die lyrisch weitaus dunklere Fahrtrichtung vorweg, die ‚II‚ im Gegensatz zu seiner gedämpft-fröhlichen Musik einschlagen wird. „I wish I that I could swim and sleep like a shark does/ I’d fall to the bottom and I’d hide til the end of time/ In the sweet cool darkness/ Asleep and constantly floating away“ heißt es da etwa – und das Schlagzeug galoppiert währenddessen unaufhaltsam dahin, die Gitarre perlt – so zu hören im verträumten Beinahe-Pophit und treibenden Singleschmuckstück ‚Swim and Sleep (Like A Shark)‚. Noch intensiver wird die an der Kante zur Depression schwelgende Melancholistimmung nur im umwerfend schwammigen Motown-R&B ‚So Good At Being In Trouble‚: „Now that you’re gone/ It’s been a lonely, lonely time/It’s a long, sad lonely time„.
Die Produktion watet dabei stets durch einen analogen Sumpf, die man derart kompromislos wohl nur grandios stilecht oder richtig mies finden kann: die Musik scheint aus dem Nebenraum zu kommen, der Gesang direkt aus einem alten Transistorradio zugeschaltet zu sein, wo die Bläser im groovenden Wah-Wah-Rocker ‚One at a Time‚ plötzlich herkommen weiß niemand. Nach dem eröffnenden Feuerwerk nimmt sich das Unknown Mortal Orchestra aber ohnedies das Recht in andere Sphären auszufransen: ‚No Need For A Leader‚ ist ein schillernder Twist, zu cool zum Tanzen ist, so sexy und stilvoll wie unnahbar. Oder Nielson macht im überlangen ‚Monki‚ einen auf mit Downern ruhig gestellten Robert Plant, seine Band pluckert gutmütig daneben her. Ob ein Song hier 7 Minuten oder nur knapp eine läuft macht dann längst keinen Unterschied mehr, ‚II‚ fließt in seinem trippigen Strom schlicht dahin ohne zu plätschern, der klare Blick verschwimmt vor der Lomo-Kamera im Farbenrausch. Ob ein konkreterer Zug zum Tor der Platte gut getan hätte oder nur geschadet, darüber sollte in diesem Zustand wohl niemand mutmaßen müssen. Dass das schrulligere Unknown Mortal Orchestra hiermit ähnlich durch die Decke geht wie die australischen Kollegen bleibt abgesehen davon generell zu bezweifeln. Kampflos überlassen wird Tame Impala das Scheinwerferlicht jedenfalls nicht – selbst wenn ‚II‚ in erster Linie und jeder Hinsicht passiver Widerstand ist.
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