Timber Timbre – Sincerely, Future Pollution
Nach dem saxofonierenden Hot Dreams übersetzen Timber Timbre ihren elegischen Noir-Blues mit Sincerely, Future Pollution direkt in retrofuturistische Blade Runner-Landschaften, weit entfernt vom puristischen Folk der Anfangsphase.
Auf den ersten Blick scheint das sechste Studioalbum der schwermütigen Kanadier um Taylor Kirk klar in der Tradition von klangästhetischen Stilbruch-Zäsuren wie [amazon_link id=“B0049PNOFA“ target=“_blank“ ]In this Light and on this Evening[/amazon_link] zu stehen: glasklare Synthieflächen dominieren das Klangbild der Band im Jahr 2017, elektronische Drums und Vintage-Keyboarder prägen einen kühler gewordenen, nach liebevoller Distanz greifenden Sound, der seine paradox wärmende, regelrecht sanftmütige Anschmiegsamkeit in maschinelle, fast noch dunkler als bisher funkelnde Gefilde lenkt.
Bis zu einem gewissen Grad erfindet sich die Band damit im Auftreten tatsächlich neu. Mehr als ein Umbruch findet hier allerdings eine logische Weiterentwicklung statt. Verstärken Timber Timbre auf Sincerely, Future Pollution doch im Grunde nur mit einer durchaus überraschenden Effektivität und Konsequenz Ansätze, die schon in der Vergangenheit (beispielsweise bei Songs wie Beat the Drum Slowly oder Curtains?!) vorhanden waren.
Nicht nur die 80er um das Vermächtnis von Suicide und der Aufnahmeort (ein Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert nahe Paris) haben damit ihre Spuren in dem entschleunigt schummernden Pop der mittlerweile wieder als Quartett firmierenden Kombo hinterlassen, sondern auch das Jahr 2016 im Allgemeinen: Angedeutete politischen Botschaften verweisen lyrisch auf Trump, bleiben aber grundsätzlich wieder primär auf der unglücklichen Seite der Nachdenklichkeit. Wogegen der funky stompende Anachronismus Griefting stilistisch etwa dezidiert auf Bowie’s listenanführendes Meisterwerk Blackstar zeigt; der reverbschwer polternde, verrucht und gefährlich daherkommende Sewer Blues die Scherben von Nick Cave’s Skeleton Tree einsammelt und der ungemütlich an der Dystopie tröpfelnder Geduldsakt des Titeltracks an den No Wave von Preoccupations erinnert.
Zwischen dem Opener Velvet Gloves & Spit (eine glimmernd-stacksende Dreampop-Eleganz mit Kanten, minimalistisch und aufgeräumt, die hinten raus allerdings fast schon flapsig dängelt) und der dahintreibenden Closer-Romanze Floathing Cathedral breitet sich so ein zutiefst homogenes Album aus, dass Kirk und Co. innerhalb ihres melodieseligen Songwritings variabler denn je ablichtet.
Dadurch, dass Timbre Timbre sich ohne tatsächlichen Ausfall allerdings doch einige wenige Augenblicke des unfokusierten Mäanderns leisten (vor allem Skin Tone als meditatives Mittelding aus Ambient-Interlude und gurgelndem Space-Funk sowie die ziellos suchende Suspence-Fragmentbaustelle Bleu Nuit leisten zwar kohärente Arbeit im Gesamtfluss, stellen aber wie schon die Vorgängerplatten die Frage nach der nachhaltigen Relevanz von Instrumentaltracks im Backkatalog der Band) und die Zügel inmitten der herausragenden Highlights phasenweise zu locker halten, wandert Sincerely, Future Polution zwar mit einer entspannten Unangestrengtheit in neue Gefilde, doch nimmt die stilvolle Gang aus Toronto damit auch weitestgehend die Herausforderung und den Abgrund aus der Musik, gibt unverbindlichen plätscherndem Wohlklang ein wenig zu viel Platz.
Ein paar giftige Szenen mehr (wie etwa im grandiosen Moment, das als effektunterfütterte Softrock-Schmuserei hinten raus plötzlich im subtilen Science-Fiction Exzess heult oder dem kritischen Western Questions, das tropical angehauchten Pop ein befreiendes Merchandise-Finale samt die Augen schließenden Gitarrensolo finden lässt) hätten Sincerely, Future Polution zusätzlich nötige Spannungen verliehen. Dass deswegen nach knappen 40 Minuten keine überwältigende Erschöpfung steht, sondern eher eine trotz allem fürsorglich in den Arm nehmende Schönheit, macht die Eigenwillige Wandelbarkeit von Timber Timbre aber irgendwo nur noch charismatischer.
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