Phantom Winter- CVLT
Phantom Winter heißen unmittelbar dort in vertrauten Post-Metal-Gefilden willkommen, wo der grandiose 2011er-Schwanengesang ‚Karpatia‚ entließ, benötigen aber dennoch nur wenige Sekunden um klarzustellen, dass ‚CVLT‚ sich definitiv nicht unter dem Omega Massif-Banner bewegen wollte: der Spagat zwischen übernommenen Stärken und stilistischer Neuausrichtung, er gelingt dem Quartett aus Würzburg.
Die Gitarrenwälle sind von imposanter Größe, majestätisch, klar und strahlen eine anziehende, faszinierende Einsamkeit aus; der Groove ist schwer, vereinnahmend, mitreißend; der Rhythmus wälzt unbeirrbar dahin: die Handschrift des Post-Metal-Überbaus ist unverkennbar. Vor dem inneren Auge tun sich sofort diese Assoziationsbilder von epochalen Bergketten, gespenstischen Nebel-Wäldern oder kargen Landschaften mit endlosem Horizont auf, also Szenen, die bereits die Stimmungen bei Deutschlands bester Post-Metal Band bis zu deren Ende 2014 zeichneten.
Dass sich Andreas Schmittfull und Christof Rath mit ihrer neuen Band Phantom Winter nun aber nicht damit begnügen würden zu reinen Denkmalpflegern alter Omega Massif-Großtaten zu werden, das stellt ‚CVLT‚ entlang von 5 Songs in 42 Minuten allerdings unmittelbar klar und erweitert den angestammten Sound der Würzburger Instrumental-Abrissbirne um einige Facetten, spiegelt ihn in dunklere Tiefen.
‚Corpses Collide‚ ist so alsbald durchzogen von einem giftigen Gekeife, das sich ungefähr dort in eine irre Hexenmesse flüchtet, wo etwa Thou die Kurve vom Black Metal zum Doom nehmen (die Eigendefinition von „bewitched screams“ und „haunting growls“ passt da also schon ganz gut), die Riffs drücken roh und erbarmungslos, bevor sich der Opener in eine Ambientpause aus beängstigenden Stimmengewirr und klaustrophobischen Pianoanschlägen flüchtet, nur um danach umso heftiger in stakkatohafte Wutschübe loszubrechen.
‚Finsterwald‚ führt dann über weite Strecken einmal mehr vor Augen, wie meisterhaft Schmittfull es versteht, auf rein instrumentalem Weg dynamische Szenarien zu entwerfen, bis plötzlich die Hysterie in den Song kippt und die Zügel so lange enger gezogen werden, bis Phantom Winter zum wahnsinnigen Hardcore galoppieren. Die Sprachsamples in unter anderem ‚Svffer‚ knüpfen dann ebenso Querverbindungen zu elegischen Postrock-Momenten wie der Beginn von ‚Avalanche Cities‚, bevor eine Explosions in the Sky-taugliche Anmut über die Klippe gestoßen, mit Akzenten aus Crust und Sludge malträtiert wird: ‚CVLT‚ ist unerbittlich, auf traumwandelnde Weise finster, gnadenlos – und spätestens wenn ‚Wintercvlt‚ sich immer weiter ausbreitet auch ein Paradebeispiel für intensive Atmosphärearbeit.
Das Debüt der Deutschen mutiert so zu einem kräftezehrenden Malstrom, einer bestialisch-frostigen Schönheit, die nahverwandten Kollegen praktisch aus dem Stand auf Augenhöhe begegnet, obwohl ‚CVLT‚ unter der Lupe dann doch Luft nach oben lassen: Das verhallte Geschrei fügt sich nahtlos in die eindringlichen Klangwelten, bewegt sich aber doch auch ohne erkennbare Alleinstellungsmerkmale etwas zu Nahe an souveränen Genrestandards. Die instrumentalen Passagen wiederum, die sich unmittelbar in der Nähe der Hohheitsgebiete von Omega Massif abspielen, hinterlassen zudem bisweilen auch den stärksten Eindruck, ohne damit zwar den Emazipationsprozess zu untergraben, die wirklich übermannenden Knockout-Momente wollen sich damit jedoch noch nicht vollends einstellen.
‚CVLT‚ funktioniert deswegen zwar als rundum schlüssiges Album, wirkt aber mehr noch wie ein finster brennender Teaser der Dinge, die aus dem Hause Phantom Winter noch kommen dürften. Anhand dieser triumphalen ersten Aufwärmrunde braucht man sich freilich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, um euphorisch zu orakeln, dass Schmittfull und Rath unter veränderten, erweiterten Vorzeichen wohl bald genau dort weitermachen werden, wo sie mit Omega Massif aufgehört haben: an der Speerspitze.
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