Perturbator – New Model

von am 7. Oktober 2017 in EP

Perturbator – New Model

Ein New Model, tatsächlich: James Kent schlägt nach dem nahezu formvollendeten 2016er-Highlight das nächste Kapitel in der Evolution von Pertubator auf und zelebriert seine dunkel-dystopische Retro-Synth-Elektronik mittlerweile mit besonders harter Hand.

Es ist durchaus symptomatisch, dass anstelle der bisher auf Perturbator abonnierten, ikonischen Trademark-Artworks von Ariel Zucker-Brull diesmal die finster konstruierte Strenge von Long Pham Willkommen heißt: Kent hat die Ästhetik seines nächtlich-spannungsgeladenes Synthwave-Konglomerats schließlich auch generell weniger grell inszeniert, es in dunklere und analytischere Gefilde verschoben, schärft die Heavyness im Thriller seiner apokalyptischen Brecher und konterkariert die Restlichtschemen im Neon-Spektrum mit Spurenelementen aus Dark Techno- und EBM-Zonen.
Mehr als eine offensive stilistische Zäsur ist New Model aber damit dennoch wohl eher der konsequent kulminierende nächste Schritt einer Entwicklung, die Perturbator die vergangenen Jahre über durchgemacht hat, und im 2016er-Furiosum The Uncanny Valley offenbar seinen Scheitelpunkt erreicht hat. Von diesem aus das bricht das weiterhin auf analogen Vintage-Synths gebaute Cyperpunk-Songwriting des französischen Industrial-Feingeistes mit Metal-Herzen nun nämlich mit einer latenten Unberechenbarkeit und nihilistischem Fokus durch die menschenleeren Häuserschluchten pirschend über beibehaltene Trademarks herein.

Birth of the New Model funkelt, pluckert und fiept, driftet langsam in eine bedrohliche Dunkelheit hinüber, die mit Subbässen hämmert und wummert, mit dichten Sequencern schiebt und die Synthies in majestätische Höhen trägt. Dort liegt etwas überwältigendes in den aufschäumenden Melodien, bevor der Track aggressiv nach vorne presst, die Tanzfläche zum Schlachtfeld macht, bollert und die Rhythmen stets neu verschiebt. Hier wiederholt sich kein Motiv, keine Idee öfter als notwendig – dieses New Model forciert die Herausforderung.
Tactical Precision Disarray ist danach ein maschinell arbeitendes Konstrukt aus toternstem Scifi: Wuchtig und trocken pochend, akribisch schraubend. Ätherische Ambientklänge versuchen den Song zu lüften, kommen in der steten Wandelbarkeit der Ausrichtung aber nicht hinterher, und malträtieren deswegen irgendwann wie ein Androiden-Alptraum aus der Folterkammer, an deren Ende doch so etwas wie kristalline neon-Hoffnung schimmert, die in den Abgrund stürzt.

In dieser kehrt Vantablack die ansonsten (wie gewohnt) rein instrumentale Ausrichtung von New Model sogar in den sphärischen Synthpop: eine Beinahe-Ballade mit OddZoo-Vocals, die unter dem gemeinsamen Bett von Depeche Mode, Danger und Marilyn Manson hervorklettert, indem seinen Industrial zwischen ätherischer Melodie und streng gezirkelter Vehemenz greint. Ein markanter Schritt in der Entwicklung des Perturbator – wenn auch in Teilen ein wenig zu unsubtil und forciert wirkend.
Tainted Empire wiederum hastet wie von der Tarantel gestochen zum Highway-Raser, switcht sein Tempo zum gediegen schlagenden Schaltkreise-Brutzler, pumpt dann aber wieder wie eine Ekstase, als würde es in F- Zero tatsächlich um leben und Tod gehen – und das flächige Durchatmen, es mutiert hinten raus praktisch zum chaotisch repetierenden Metal aus Keyboardwaffen, aus boshaft gedrückten Knöpfen und schmerzverzerrt gedrehten Reglern.
Die Dynamik der Platte, ihre Stringenz und Wendigkeit, sie wird in Husarenritten wie diesem höchsten von der texturreichen Tiefe der fabelhaft vielschichtigen und so enorm kraftvoll aus den Boxen pressenden Produktion übertroffen – oder der Dichte an in den Tracktiteln aufblickenden Schlagwörtern, die so unheimlich treffend die Atmosphäre und Stimmung dieser Platte skizzieren.
Deswegen brilliert Corrupted by Design  auch so selbstverständlich als tanzbarer Hybrid, der Clubmusic als taktischen Nervenkitzel mit Headbanger-Qualitäten und Avantgarde-Score-Abgang inszeniert, während God Complex Schlagwörter ein ambivalent lauernder Wechselbalg ist, der sich ebenso konsequent als Soundtrack für etwaige Furi-Fortsetzungen aufdrängt, wie er mit seinem, knackig schabenden und wild rotierenden Wesen als retrofurturistische Erlösung einmal mehr das aktuell wohl beste Material zu einem so kohärenten und in sich geschlossenen Ende bringt, das neben Carpenter Brut das Nonplusultra der (über die Grenzen Frankreichs hinausgehenden) elektronischen Musik destilliert: Pertrubator hat hiermit das nächste Kapitel seiner makellosen Discografie aufgeschlagen.

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