Omar Rodríguez-López – Blind Worms, Pious Swine
Blind Worms, Pious Swine war das erste Album, das Omar Rodríguez-López nach seinem Umzug von Mexiko nach El Paso aufnahm, und eines der letzten vor der Gründung von Bosnian Rainbows. Das hört man den 37 versammelten Minuten durchaus an.
In Windschatten der wunderbar melancholischen Pop-Überraschung Corazones korrigiert Blind Worms, Pious Swine seine Ausrichtung wieder ein gutes Stück hin zum überlegt experimentierenden Rock und legt im historischen Rückblick damit alle Grundbausteine für die Omars Band nach dem vorübergehenden Zerwürfnis mit Cedric und dem einhergehenden Ende von The Mars Volta. Deantoni Parks sorgt mit seiner zappelnden Virtuosität für den unermüdlichen Rhythmus, die charismatische Teri Gender Bender agiert am Mikrofon aus der zweiten Reihe kommend noch als kongeniale Ergänzung zu Rodríguez-López selbst, der zwischen schimmernden Synthies und zurückhaltend frickelnden Gitarren umhereilt. Blind Worms, Pious Swine fehlt zur letzten Ausgewogenheit eben noch Nicci Kasper um den späteren Bandkontext zu vervollständigen, vielleicht auch noch ein wenig Erfahrung im selbstverständlichen gemeinschaftlichen Umgang. Doch die Chemie stimmt einfach, der Funke springt sofort über, die Inspiration fließt. Weswegen Blind Worms, Pious Swine dann über weite Strecken wie eine (zwar noch dezent weniger zwingend daherkommende, noch nicht alle Interaktionen verselbstständigt habende) Lite-Version vom großartigen Bosnian Rainbows wirkt.
Omar, Terri und Deantoni spielen auf Blind Worms, Pious Swine bereits sehr songdienlich und griffig, schärfen anhand toller Nummern wie Atlantis Is Rising, dem flippig stampfenden Tunnel Riot oder Vanishing Tide ihr (später noch ausgeprägter zünden sollendes) Gespür für catchy Melodien und hartnäckige Ohrwürmer, wobei das Trio die poppig variierte Synthrock-Gangart immer wieder anhand kleiner Ausflügen auflockert (Savage Letters setzt sein Piano mit dramatischer Geste ein und vertändelt sich genüsslich Richtung Fernsehgartenorgel, Mariposa macht einen auf tanzbar schiebenden Waverock und wäre anderswo wohl chartaffin zurechtgebügelt worden – Omar streut lieber ein antiquiertes 80er-Solo ein). Der Hintergrund funkelt dabei stets psychedelisch hibbelig, attraktiviert den Grad der Eingängigkeit. Wo die Strophen sich durchaus stelzend aufspalten dürfen, holen Rodríguez-López und Co. nämlich spätestens in den schmissigen Refrains mühelos ab. Eine Annäherung auf halben Weg gewissermaßen, die hinter den verschrobenen Kniffen und Finten ihr intuitives Suchtpotential gönnt. Was bedeutet: An potentiellen neuen Lieblingssongs aus dem unerschöpflichen Rodríguez-López Fundus mangelt es dem fabelhaften Studioalbum Nummer 29 jedenfalls absolut nicht.
Ihre Selbstfindung lässt die werdende Band sogar in einer Cover-Premiere für Omars Solodiscografie münden: Aus Ellie Gouldings zurechtgebügelten Hit Lights wird auf Blind Worms, Pious Swine ein betörend ausgebremstes Duett der wunderbar harmonierenden Romantiker Rodríguez-López und Gender Bender, immer leicht neben der Spur seine krumme Virtuosität und produktionstechnische Vielschichtigkeit ausspielend, das sich nahtlos in den restlichen Reigen einfügt. Schlichtweg: ganz große Klasse!
Seinen Schönheitsfehler verzeiht man dem essentiellen Blind Worms, Pious Swine insofern gerne: Das abschließende Quartett aus Swollen Neck, Hieroglyphs From Hell, Acacia und Only Nothing Is wirkt als druckloser 12 minütiger Warm Up-Jam nicht nur etwas deplaziert im Gefüge, sondern dröger, nicht so frisch und uninspirierter agierend als die restlichen Platte. Nicht unspannendes Füllmaterial. Dass das durch seine kurze Gesamtspielzeit zusätzlich profitierende Blind Worms, Pious Swine aber selbst in dieser Phase keine Sekunde Langeweile aufkommen lässt, spricht zusätzlich für das dritte der zwölfteiligen Veröffentlichungs-Session des Omar Rodríguez-López. Es wirft aber spätestens zu diesem Zeitpunkt wie bereits sein Vorgänger Corazones abermals die Frage auf, wie derartiges Material überhaupt in die Mottenkiste wandern konnte.
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