Noel Gallagher’s High Flying Birds, Augustines [12.04.2016: Gasometer, Wien]
Noel verpasst zwar, wie sich sein Herzens-Club Manchester City ohne Glanz in das Halbfinale der Champions League arbeitet, ist zeitgleich im gut gefüllten Gasometer aber mit einer schnörkellosen Performance ähnlich erfolgreich.
„Wenn er keine Oasis Nummern spielt, buh ich ihn sicher aus“ definiert ein Besucher wohl die Idealvorstellung eines Konzerts von Noel Gallagher’s High Flying Birds für einen Gutteil des abwesenden Publikums: So stark das Material des selbstbetitelten Debüts und vor allem des überragenden 2015er-Glanzstücks ‚Chasing Yesterday‚ auch ausgefallen sein mag, besteht eben offenbar weiterhin ein unstillbares Verlangen danach, vor allem die unsterblichen Hits der Britpop-Institution in bierseliger Nostalgie mitzugröhlen.
Ein Blick auf die unverrückbar eingehaltene Setlist der aktuellen Mammuttour hätte dem schon mal spontan (und offenbar nicht zur restlosen Freude des durch die allgemeine Erwartungshaltung genervten Noel) ‚Life Forever‚-anstimmenden Publikum bereits vorab gespoilert, dass der 48 Jährige gekommen ist, um absolut kompromissbereit abzuliefern und die 20 gespielten Songs brüderlich zwischen Oasis-Kompositionen und Material der High Flying Birds auszusplitten. Bevor es dazu kommt, gilt es allerdings die absurde Lautstärke-Beschallung des Gasometer vor bzw. während der Gigs sowie den Support in Form der soliden Augustines durchzustehen.
Die New Yorker spielen ihren Rock mit der immensen Wucht schottischer Bands ala Holy Esque, We Were Promised Jetpacks oder There Will Be Fireworks, gepaart mit dem Folk-Missverständnis von Mumford & Sons. Warum das auf einschlägigen Seiten gut ankommt, ist also leicht nachzuvollziehen -in diese Kerbe schlagend sind die portionierten Songs der Band doch auch durchaus empfehlenswert….was die Sache über exakt 30 Minuten pünktlich beginnender Spielzeit aber nicht besser macht.
Viele „Ohohos“ bilden die angesteuerten Refrains ab, während die Dramatik sich zu flehendem Gesang und stampfender Rhythmik permanent in der selben Dynamik zur Decke streckt. Die Bandbreite an Nuancen ist da nicht besonders groß, wenn die unbedingte theatralische Geste immer im selben pathetischen Intensitätslevel erzeugt wird: Selten hat man derartig gleichförmige Kompositionen am Stück gehört. Am besten nachzuvollziehen übrigens anhand des Setlist-Closers, der mit massivem Keyboard-Gerüst kurz die potentielle Meat Loaf-Klavierballade antäuscht, im Endeffekt aber dann doch schnell in den selben Trott verfällt und klingt, wie jeder andere x-beliebige Augustines-Song.
Am Ende ist man – sofern man der bis zum Anschlag Leidenschaft schwitzenden Band nicht ein Stück weit entgegenkommt – statt emotional mitgenommen deswegen auch primär gelangweilt, ohne der Band diese Eintönigkeit tatsächlich nachzutragen. Denn um fair zu bleiben: Die auslaugende Monotonie könnte zu einem gewissen Prozentsatz auch bereits hier am absolut suboptimalen Sound des Gasometers liegen.
Richtig ärgerlich wird dieser aber erst, als selbst beim Mainact der Raumklang in einem differenzbefreiten Morast ohne Höhen versinkt, aus dem nicht einmal die dreiköpfige Bläsersektion eklatant hervorstechen kann – von den matschigen Gitarren ganz zu schweigen.
Der allgemeinen Euphorie tut dies freilich keinen Abbruch. Um den Vergleich zu strapazieren ist die Stimmung zwar meilenweit von der überwältigenden Atmosphäre des Oasis-Triumphzuges der 2006er-Tour entfernt (da lagen die richtigen Heydays zwar bereits im Rückspiegel, dennoch wurde der erste erschöpfte Fan schon während ‚Fuckin‘ in The Bushes‚ aus den vorderen Reihen gezogen), jedoch steigt das Publikum vom ersten Moment bedingungslos ein und zeigt sich so textsicher wie singfreudig – bei den Oasis-Hits freilich noch motivierter als bei den durch die Bank gefeierten High Flying Birds-Nummern. In Summe befeuert das eine rundum stimmige Setlist zwischen Fanservice und aktueller Hochphase-Dokumentation.
Das starke ‚You Know We Can’t Go Back‚ reklamiert etwa ebenso wie der druckvolle Oldie ‚Lock All the Doors‚ sofort einen unverzichtbaren Platz für alle künftigen Toupläne Noels. Andere neue Songs wie ‚Riverman‚ oder das live gar nicht mehr nervige ‚In the Heat of the Moment‚ unterstreichen ihre jeweilige Klasse ziemlich nahe an den Studioversionen gespielt – ein vorsichtig gen Metal schielende Solo in ‚Ballad of the Mighty I‚ ist da schon das höchste der Gefühle in Sachen Bühnenverfremdung. Das passt allerdings durchaus so und lässt auch verschmerzen, dass ‚The Death of You and Me‚ trotz professionell eingespielter High Flying Birds und generell toller Lichtshow samt Videowall etwas dünn und energielos daherkommt oder ‚AKA… What a Life!‚ im Zugabeblock ziemlich deplatziert anmutet.
Zwischen ‚Wonderwall‚ (dem Noel ähnlich wie der tollen, luftigen Version von ‚Champagne Supernova‚ melodietechnisch einen eigenen Stempel aufzudrücken versucht – aber einen Liam als Leadsänger freilich nicht ersetzen kann) und dem frenetisch gefeierten ‚Don’t Look Back in Anger‚ hat man es aber auch von vornherein schwer.
Absolut erfreulich übrigens, dass es neben dem melancholischen ‚Talk Tonight‚ und einer hymnisch-zwingenden Version von ‚Digsy’s Diner‚ auch weniger populäre Klassiker wie ‚Sad Song‚ oder ‚D’Yer Wanna Be a Spaceman?‚ ins aktuelle Programm geschafft haben.
Mitunter mag es auch an der hinter die Oberflächlichkeit greifenden Selektion, dass sich wohl kaum jemand an diesem Abend von der so charismatischen wie zweckdienlich-launigen Dienstleister-Performance von Noel und seinen High Flying Birds abgespeist fühlt, sondern die Masse nach unheimlich kompakt hinausgehauenen eineinhalb Stunden feinster Britrock-Kunst rundum zufrieden das Gasometer verlässt. Die Kundschaft hat eben bekommen, wonach sie verlangt hat: Funkensprühend geht freilich anders, aber insgeheim kann man dem älteren der beiden Gallaghers seine allgemeine Zuverlässigkeit weiterhin kaum hoch genug anrechnen.
Setlist:
Intro: Shoot a Hole Into the Sun
Everybody’s on the Run
Lock All the Doors
In the Heat of the Moment
Riverman
Talk Tonight
The Death of You and Me
You Know We Can’t Go Back
Champagne Supernova
Ballad of the Mighty I
Sad Song
D’Yer Wanna Be a Spaceman?
The Mexican
Half the World Away
Listen Up
If I Had a Gun…
Digsy’s Dinner
The MasterplanEncore:
Wonderwall
AKA… What a Life!
Don’t Look Back in Anger
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