Motorpsycho – Still Life With Eggplant
Motorpsycho wissen dass sie das zwischen Klassik, Jazz und Progrock brillierende Monstrum ‚The Death Defying Unicorn‚ nicht so schnell übertrumpfen werden können und schalten deswegen mit Griff in die Schublade einen Gang zurück. Dort finden sie mit namhafter Unterstützung an der zweiten Gitarre verloren geglaubte Popmomente in ihrem unfehlbaren, ureigenen Motorpsycho-Rock.
Die ersten 10 Minuten ihres je nach Zählweise fünfzehnten regulären Studioalbums gehören dem Trio Motorpsycho alleine. Nach kurzer, schwer stapfender Anlaufphase stemmt sich ‚Hell, Part 1-3‚ als massiver Jam-Hardrocker empor, mit Black Sabbath geprüften Doomriffs und göttlichem Groove, formvollender Prog über drei Etappen, an deren Ende die Norweger den ultra-entspannten Spagat zwischen Jazz und Stoner wagen. Keine nahtlose Fortsetzung des sperrigen ‚The Death Defying Unicorn‚, sondern wieder traditioneller verankerte Annäherungen an jedwede Rockformate, die Abzweigung zur regulären Discographielinie. Die hier aufgefahrene, schwindelerregende Souveränität und Virtuosität ist natürlich Ausnahmekönnen, wie die Gitarren sich psychedelisch um das packende Riffing ausfransen und Kenneth Kapstad als hyperaktive Kracke den Duracell-Modus einlegt. Eine Steilvorlage für Luftinstrumentalisten und darüber hinaus die Ankündigung: Motorpsycho haben auch im 24 Jahr ihres Bestehens kein auch nur annähernd schwaches Album aufgenommen.
Danach korrigieren die Norweger die Marschroute ebenso marginal wie letztendlich eklatant – und vor allem nicht alleine. Wie ergiebig sich die Interaktion mit anderen Musikern für Motorpsycho erweisen können weiß man nicht erst seit ‚The Death Defying Unicorn‚, auf ‚Still Life With Eggplant‚ stellen sie diese Erkenntnis neuerlich und herausragend unter Beweis: für die restlichen vier Songs gesellt sich Reine Fiske an die zweite Gitarre, lässt seine Fähigkeiten so versiert wie prägend in die wild wuchernden Kompositionen einwachsen. ‚Still Life With Eggplant‚ zieht daraufhin deutlich und nur zu gerne in jene Gewässer, in denen sich Fiske einen Namen als Musiker in den Reihen von The Amazing, Landberg, Elephant9, zahlreichen weiteren Bands und vor allem der Schweden Dungen gemacht hat. Hausintern im Motorpsycho-Kontext bedeutet dies annähernd: die Schnittmenge von ‚Heavy Metal Fruit‚ und ‚Let Them Eat Cake‚. Mindestens.
‚August‚ ist als Love-Cover von unter diesen Voraussetzungen soweit freundlich grinsender, sommerlich perlender Psychedelik-Pop wie sich Motorpsycho von Fiske verführen lassen wollen und irgendwann doch vor allem furioser Instrumental-Exzess. Kurz vor der Folk- und Lagerfreuer-Disharmonie nimmt das entspannter inszenierte ‚Barleycorn (Let It Come, Let It Be)‚ die Abzweigung gen epischen Musical-Refrain, konventionelle Strukturen verweigern sich die ausfransenden nächsten Minuten trotzdem geschmeidig, bevor Motorpsycho in den letzten Sekunden noch einmal mal in aller Eingängigkeit zuschlagen. Das abschließende ‚The Afterglow‚ ist hinten raus noch einmal ein griffiger und melancholisch-ruhiger poppiger Exkurs mit weit ausholenden Melodien, geradezu verträumt in seiner packenden Nachdrücklichkeit. Motorpsycho finden damit über weite Strecken zurück zu einer beinahe unkomplizierten Eingängigkeit, die man der Band so gar nicht mehr unbedingt zugetraut hätte, womit die pochende Wundertüte ‚Still Life With Eggplant‚ auch als Realisation feuchter Fan-Träume funktioniert.
Aus dem weitreichenden „Rahmen“ fällt dabei höchstens das dynamisch in den Weltraum schießende ‚Ratcatcher‚: ein vollends ausufernder Trip, dessen Gitarren-Licks immer wieder Hookline-Muster streifen, vor allem aber von der generell imposanten Instrumental-Leistung der Band lebt. Glücksgriff Kenneth Kapstad trommelt wie überall auf ‚Still Life With Eggplant‚ dicht gestaffelt wie lange nicht (oder noch nie?), begräbt unter dem intensiven Dauereinsatz aber keine Szenarien. Bent Sæther, Hans Magnus Ryan und Fiske werfen sich darüber die Bälle von der fingerfertigen 70s-Slalomfahrten bis zu jenem reduzierten Geplänkel zu, aus dem auch The Mars Volta-Lenker Omar Rodríguez-Lopez seinerzeit auch ‚Cicatriz ESP‚ schöpfte. Eine hypnotisierende Achterbahnfahrt. In der so grandios geerdeten Produktion klingen 17 stimmungsvolle an-und-ab-schwellende Minuten dazu empfundenermaßen wie keine 5, Appendix hin oder her.
Gerade dies gelingt der – man darf es ruhig so sagen – arbeitswütigen Legende Motorpsycho auch im (mutmaßlich) 15. Anlauf wie kaum einer anderen (Prog)Rockband da draußen: spannend zu bleiben und vielschichtigen Anspruch mit unmittelbarem Hörgenuss zu paaren. Knapp zweieinhalb Jahrzehnte nach der Bandgründung klingen Motorpsycho jedenfalls immer noch beispiellos hungrig.
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