Minor Victories – Minor Victories
Minor Victories erfüllen mit ihrem synergetisch in der Schnittmenge aus Shoegaze, Dreampop, Synthie- und Postrock wachsenden Monumental-Intimitäten die schnappatmenden Hoffnungen aus den Fanlagern aller Beteiligten – genau dort, wo man es erwarten durfte.
Über den Zeitraum mehrerer Monate erst nur durch den rein digitalen Datenaustausch entworfen, ist die größte Überraschung am selbstbetitelten Debüt der arrivierten Supergroup insofern wohl, wie barrierefrei und selbstverständlich die versammelten 10 Songs ihre erstaunlichen Kräfte bündeln, wie natürlich sich die klar lokalisierbaren Kompetenzbereiche der vier Musiker vereinen und ergänzen. Was im Umkehrschluss eben auch bedeutet: Minor Victories klingen genau so, wie man es sich erwartet, wenn Hand Held Cine Club-Filmemacher James Lockey und sein mittlerweile bei den Editors beschäftigter Bruder Justin die Slowdive– und Mojave 3-Chanteuse Rachel Goswell aus dem relativen Ruhestand holen und dazu Mogwai-Glatze Stuart Braithwaite an Bord lotsen, dessen federführende Handschrift Minor Victories nun letztendlich von den dröhnenden Gitarrenschichten bis zu den dramatischen Streicherarrangements auf so vielen Ebenen prägt. „To be honest, I think if you know the music that all of us have made, it won’t really surprise you. It has a lot of the good elements from everyone’s bands“ – kann man also so stehen lassen.
Gleich Give Up the Ghost destilliert insofern als synthieverhangene Schwerfälligkeit die stets zu verortenden Stärken des Quartetts, wenn Goswell für ätherische Harmonien sorgt, während die Gitarren drücken und die Drummaschine wuchtig und organisch ihren stoischen Rhythmus ausspuckt. Eine für sich genommen vielleicht behäbige Nummer, aber durchaus potent als Opener konstruiert. Eben so, wie ihn die Editors schon länger nicht mehr so bedeutungsschwer zustande bringen. Auch der leichtgängige My Bloody Valentine-Twister Scattered Ashes (Song for Richard) mit James Graham von The Twilight Sad als unterstützende Stimme bearbeitet als romantisch ins Ohr gehender Rock-Vertreter eine ähnliche Kerbe. In Cogs wird der zu hoch fistelnde Gesang von Goswell dann sogar ausgerechnet durch die straighte Gangart der hinter ihr kompakt arbeitenden Band geerdet, geht also im Kontext klar. Tatsächlich filigran werken Minor Victories dabei trotz der feingliedrig erscheinenden Nuancen ohnedies selten, viel eher demonstrieren sie mit ordentlich Wumms und dichter Produktion eine hochmelodisch strahlende Zärtlichkeit. Doch spielt das Quartett vor allem immer dann seine bestechende Erfahrung am besten aus, wenn sie die Verbindung aus epochalen Breitwand-Seiten und verletzlicher Schüchternheit fokussiert.
Die intime Stille und verletzlich träumende Einkehr von Folk Arp ist insofern perfekt für die Stimme der 45 Jährigen Goswell, bietet ihr irgendwann sogar die Chance mit geschlossenen Augen auf die große Leinwand zu laufen, während Braithwaite die funkelnden Gitarrenschichten dräuen lässt, wie Atomic das zuletzt nur ohne Ausbrüche zuließ.
Breaking My Light platzt dagegen ungestüm in einen Orchestergraben, man arrangiert sich, und plötzlich ist da eine tiefschürfende Schönheit, die sich in die Melancholie schwelgt und mit seiner typischen Mogwai-Pianomelodie launig-dramatischen Trip Hop an den direkten Ausläufern von Les Revenants produziert: Ein entrückt schmeichelnder Genuss, für den man diesen Zusammenschluss einfach lieben muss.
Da fällt es dann auch kaum ins Gewicht, dass Minor Victories die beeindruckend unmittelbar erschaffene Atmosphäre, die sofort fesselnde Stimmung und den charismatischen Sound der Platte gelegentlich doch über die Kompositionen an sich stellen. For You Always kaschiert mit dem Kontrastprogramm aus dem typischen Erzählton von Enfant Terrible Mark Kozelek und der engelsgleichen Stimmfarbe von Goswell etwa äußerst geschickt, dass der angenehm um seine Xylophonmelodie groovende Song entlang einer smarten Grundidee eigentlich nirgendwo hinführt, während zahlreiche Songs wie das triumphale Szenen mit feiner Klinge skizzierende Out to Sea seine Dramatik und Opulenz mit relativ konventionellen Postrock-Mitteln beschwört. Aber eben: Hier arbeiten Meister ihres Faches, die wissen, wie man Altbewährtes grandios inszeniert.
Wenn dazu am Ende wahre Perlen, wie der den jüngeren Mogwai-Output auf die nächste Ebene hebende Hit A Hundred Ropes, das über seinen Kraut-Rhythmus in die Monumentalität getragene Streicher-Sahnestück The Thief oder der traumwandelnde Piaono-Seelenbalsam Higher Hopes mit seinem interstellar aufreißendem Finale stehen, kann man damit freilich absolut gut mit gewissen Kompromissen leben. Denn selbst dann steigt nicht nur die Vorfreude auf eine Studiorückkehr von Slowdive, sondern es zeichnet sich auch ab, wie gravierend ohnedies alle Beteiligten hinsichtlich ihrer Stammbands an der Arbeit an Minor Victories profitiert haben werden könnten. Dazu lösen Minor Victories spätestens bei diesen Highlights praktisch alle Versprechen ein, die sie mit ihrer bloßen Existenz indirekt abgegeben haben.
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