Melt-Banana – Fetch
Wunderbar: die grindende Noiserockkavalarie Melt-Banana ist durch Fetch endlich wieder aus dem Dornröschenschlaf erwacht! Fast noch besser: man hört ihr zu keinem Zeitpunkt an, dass sie fast sechs Jahre nach ‚Bambi’s Dilemma‚ nur noch aus dem Kernduo Yasuko Onuki und Ichirou Agata besteht.
Also nur noch aus Sängerin und Gitarrist, was aber eben im konkreten Fall bedeutet: ‚Fetch‚ ist dennoch durch und durch, hundertprozentig reiner Melt-Banana-Irrsinn an der Schnittstelle von Grindcore, zerhackt-spastischem Asia-Pop und zähneziehenden Noiserock geworden – sind nach dem Ausstieg von Bassistin Rika und der endgültigen maschinellern Lösung für das seit jeher wild rotierende Schlagzeugerkarusell doch die beiden tragenden Alleinstellungsmerkmal der Band erhalten geblieben. Und eben diese laufen auf ‚Fetch‚ zudem zu absoluter Hochform auf. Yasuko keift und schreit und faucht und quietscht und quengelt sich facettenreich und unter Strom stehend durch die in nur 32 Minuten durchs Ziel sprintenden Songs, das unkonventionelle Spiel von Anarcho-Gitarrist und Atemschutzmaskenträger Agata lässt einmal mehr schlicht die Kinnlade runterklappen: der Mann hat einen ureigenen, unkonventionellen Zugang zur Handhabensweise seines Instruments, da werden Riffs pulverisiert, Saiten bis zur Detonation gezogen, hemmungslos gelooped was das Zeug hält, so dass alleine die Akrobatik im enorm infektiös mitreißenden ‚Infection Defective‚ anmutet wie ein atomarer Tausenfüßlerkampf auf Speed.
Nicht minder beeindruckend die nichtmenschliche Rhythmusgruppe dieser Achterbahnfahrt: zu keinem Zeitpunkt wird hier ein blutleer programmiertes Programm abspult, im Gegenteil. Die stets so ‚Cell-Scape‚ tauglichen Basspuren und das digitale Schlagzeug mögen zwar aus der Konserve stammen, wüsste man dies jedoch nicht, würde man es auch kaum ahnen können: ‚Fetch‚ hat die beste nichtorganische, organische Drummaschine seit (mindestens!) ‚Agorapocalypse‚, einen wunderbar trockenden Punk-Snaresound und dazu durchschlagenden Punch am restlichen Hochgeschwindigkeits-Schlagwerk. Überhaupt der Sound: aufgeräumt sauber klingt das zwar und den Popappeal der Band hervorhebend, aber dennoch nicht poliert, sondern eben fies, kratzbürstig, unheimlich kraftstrotzend und vor Energie förmlich platzend. Kurzum: der ideale Nährboden um ‚Teenny Shiny‚ auf dem catchy ‚Bambi’s Dilemma‚-Weg fortzuführen und das dynamisch vielleicht vielseitigste Werk der Bandgeschichte vorzulegen.
‚The Hive‚ ist nicht weniger als ein angefixter Ohrwurm der immer wieder von der Überholspur in den bestialischen Wipeout-Modus wechselt, ‚Vertigo Game‚ der militärische Marsch für eine Amok laufende ADHS-Armee. Der Groove von ‚Schemes Of The Tails‚ strebt wie vieles auf ‚Fetch‚ nach einer hymnisch ausgebreiteten Auflösung seiner Melodie, findet allerdings einen hemmungslosen High-Tech Jam mit blinkenden LED-Lichtern. ‚Lie Lied Lies‚ wirkt als würden sich Pig Destroyer eine Rasiermesserschlacht im Zuckerwatteland liefern, während ‚Red Data, Red Stage‚ einen kurzen Moment antäuscht ein Comeback von The Crystal Method einläuten zu können – nur um letztenlich doch lieber mit dem bösen Zwilling ‚Then Red Eyed‚ hyperaktive Grind-Stadion-Luft zu schnuppern. ‚Left Dog (Run, Caper, Run)‚ hat dann gleichermaßen übersteuerte Club-Momente, Moshpit-Krawalle und Killerhooklines im Anschlag, und würden Melt-Banana rund um den Refrain von ‚My Missing Link‚ nicht in alle Richtungen gleichzeitig kratzen und beißen hätten sie gar einen astreinen Hit aus der Auszeit mitgebracht.
Eine eben solche, suboptimal in Szene gesetzte, gönnen Melt-Banana ‚Fetch‚ mit dem zweigeteilten ‚Zero‚: ‚Zero+‚ verliert sich unnötigerweise fast ausnahmslos in einem zirpenden Field-Recordings-Nachthimmel ohne Ereignisse – für die Gesamtspannung angenehm, dass der Fuß mal vom Gaspedal geht, aber auf diese Art wird der Albumfluss dann doch nur irritierend ausgebremst und unterbrochen. Die folgende Hummelflug-Streitmacht wird allerdings bereits kurz angekündigt: für ‚Zero‚ bräuchten andere Band mehrere Gitarristen, Agata genügt eine immense Effekte-Schleife um den bisher tanzbarsten, poppigsten und wave-rockigsten Song der Band zu konterkarieren. Dass das nötige Quäntchen Genie sich nach knapp vier Minuten nicht einstellen will und der Song etwas beiläufig verglüht ändert freilich nichts mehr daran, dass ‚Fetch‚ trotz einiger kleiner Schönheitsfehler nicht nur ein fulminant großartiges Comeback geworden ist. Insgeheim darf man hiernach sogar durchaus berechtigterweise fragen: haben Melt-Banana jemals besser geklungen?
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