Kurt Vile – Wakin on a Pretty Daze
Mit den kleinen und größeren Hits auf ‚Smoke Ring for My Halo‚ hat sich der Slacker aus Philadelphia zahlreiche neue Fans ins Boot geholt. Zwei Jahre später könnte es dem ehemaligen The War on Drugs-Gitarrist offenbar nicht egaler sein, ob diese auch weiterhin an Bord bleiben. ‚Wakin on a Pretty Daze‚ treibt hemmungslos ausufernd um die Person Kurt Vile mit Songs, die sich durchschnittlich 7 Minuten lang Zeit lassen.
Bereits der eröffnende Beinahe-Titelsong ‚Waking On A Pretty Day‚ legt sich über knapp 10 Minuten, in denen Vile seine Liebe zu Dylan neu entdeckt, und die ausuferne Improvisationssucht eines Neil Young in wenn schon nicht kompakte, dann zumindest geradlinige Bahnen lenkt. Der 33 jährige treibt hier so teilnahmslos singend wie eh und durch den stetigen Fluß seiner Akustik-und E-Gitarren; außer ein paar „Hey-Hey„’s braucht die unaufgeregte Jamsession keine klammernden Ankerpunkte, erzwungene Refrains oder durchgehende Pferde. Stattdessen hat Vile in letzter Zeit wohl neben Pavement wieder öfter Real Estate gehört. Auch am anderen Ende der Platte steht eine (zeit)intensive Großtat: ‚Goldtone‚ gönnt sich als einzige Nummer Backgroundgesangsunterstützung und wären die Akustikgitarre hier nicht so markant gesetzt, würde der Schlusspunkt mitsamt seiner warmen Orgel gar ein klein wenig nach dem aktuellen Nick Cave klingen. Trotzdem ist ‚Waking on a Pretty Daze‚ vor allem nicht nur ein geradezu klassisches Album für Vile geworden, es ist vielleicht sogar jenes geworden, dass man im Rückblick als die ausformulierte Quintessenz seiner Musik definieren können wird.
Die elf Songs des fünften Soloalbums von Szene-Lieblings Kurt Vile, sie beschreiben nie das Ankommen bei einem bestimmten Ziel, selten nur den zügigen Weg dahin – sondern meistens, wie man sich unterwegs selbst verliert und schließlich wiederfindet. ‚Waking on a Pretty Daze‚ ist ein persönliches Werk geworden, dass Vile spürbar weniger für messbare finanzielle Erfolge (die natürlich trotzdem stattfinden sollten) oder ausgehungerte Fanscharen (die natürlich trotzdem entzückt sein werden) aufgenommen hat, sondern vor allem als Feinschliffarbeit an sich selbst. Er klingt deswegen nicht unbedingt aufgeräumter und schon gar nicht fokussierter. Neben all den abgehandelten Lastern des Musikers gönnt der Amerikaner sich und seinen Kompositionen allerdings so wenige Schranken wie nie zuvor, lässt ‚Wakin on a Pretty Daze‚ abseits seiner ausufernden Spielzeit eine geradezu akribische Sorgfalt in all der demonstrierten Unbekümmertheit angedeihen. Selbst längentechnisch zugängliche Song wie ‚Snowflakes Are Dancing‚ umgarnen ihre Melodien schlicht viel zu verspielt, um ein ‚Jesus Fever‚ wirklich adäquat beerben zu wollen. Dennoch passieren hier so allerhand – früher oder später eigentlich: ausschließlich – Ohrwürmer wie zufällig: das beinahe hardrockig-angedeutete ‚KV Crimes‚ sitzt mit Lou Reed in der Bar am Highway, die schrullig stolpernde Cowbell-Valium Party ‚Shame Chamber‚ schielt sogar gehörig Richtung Indie-Charts. Und das mit unbeirrt dahinlaufenden Beat ausgestattete Gitarrengeplänkel ‚Was All Talk‚ wäre in gekürzter Form auch auf ‚Smoke Ring for my Halo‚ nicht aus dem Rahmen gefallen.
Dass auf dem so entspannt dahindösenden ‚Wakin on a Pretty Daze‘ tatsächlich nichts wirklich zufällig passiert, ist eines der insgeheimen Qualitätssiegel der Platte. Man achte nur auf die schüchten in den Song luckenden, retrofuturistischen Synthieelemente im tänzelnden ‚Air Bud‚. Oder die harte Metalgitarre im hintersten Eck des großartig unaufgeregten ‚A Girl Called Alex‚, die auf dem sorgfältig und in seiner Textur äußerst komplexen ‚Wakin on a Pretty Daze‚ erst einmal entdeckt werden will, bevor die still schwebende Songschönheit von Storyteller Vile mit Orgelklängen und losgelösten Soloeinlagen ohnedies gleich auf das nächste Level angehoben wird. Der sympathisch scheppernde Vorbote ‚Never Run Away‚ ist dabei die einzige Nummer, die sich ansatzweise sperrig gibt, vor allem, weil sogar der holprige Rocker ‚Pure Pain‚ seine Gitarren immer wieder so wunderbar als glitzernder Perlenvorhang direkt ans Lagerfeuer hängt.
Mit dem unendlichen Gitarrenmeer ‚Too Hard‚ gelingt Vile dann der vielleicht schönste der zahlreichen besten Songs, die er je geschrieben und auf ‚Wakin on a Pretty Daze‚ untergebracht hat. Spätestens wenn die sehnsüchtige Leadgitarre hier ausbricht und man sich vorstellen möchte, dass der junge Kurt neben Bildern von Bruce Springsteen und John Fahey eben auch zahlreiche Fotos von Thurston Moore’s Gitarren in seinem Kinderzimmer verteilt hat, weist sich das fünfte Studioalbum des Amerikaners durchaus als sein bisheriger Zenit aus. Er ist dort mit einem Werk angekommen, dass seine bisherigen Veröffentlichungen konsequent weitergedacht und nahezu perfektioniert hat, ihn dabei gleichzeitig immer noch als Heilsbringer für Zeitgeist-affine Hipster zulässt, wie ihn mehr noch aber als gereiften Singer-Songwriter alter Prägung präsentiert. Die nonchalante und geradezu beiläufige Art wie Vile mittlerweile mit gemächlichen Melodien um sich wirft und mit schlafwandlerischer Sicherheit seine ureigene, gefangen nehmende Atmosphäre kreiert, lässt auch die eine oder andere ungenutzte Option der Straffung auf ‚Wakin on a Pretty Daze‚ vergessen machen und unwichtig erscheinen. Denn die ausführlichste Reise durch das Musikempfinden Kurt Vile’s sie ist in vielerlei Hinsich schlicht zeitlos geraten.
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