John K. Samson – Winter Wheat

von am 27. Oktober 2016 in Album

John K. Samson – Winter Wheat

Über das mittlerweile offizielle Ende der Weakerthans kann freilich nichts hinwegtrösten, nicht einmal das zweite Soloalbum von John K. Samson. Eine wohligere Schmerzlinderung als Winter Wheat kann es dann allerdings kaum geben.

Das liegt daran, dass man sich alleine durch Samsons Zauberstimme sofort wieder in den Arm genommen fühlt; seine mit wenigen Worten so nahbare Szenarien entwerfenden Texte weiterhin auf die selbe Art berühren, mit denen die Weakerthans zu einer ewigen Herzensband herangewachsen sind. Aber auch daran, dass sich der mittlerweile zum kernigen Bartträger verwandelt habende Kanadier mit Winter Wheat dem musikalischen Kosmos seiner ehemaligen Band ein wenig deutlicher annähert, als es noch mit dem Vorgänger Provincial der Fall war – obwohl Samson sein Songwriting doch deutlicher akustischer, zurückgenommener (obwohl eigentlich stets reichhaltig instrumentalisiert), friedfertiger und nicht derart klar im Punkrock verwurzelt anlegt.
Dass neben anderen Gehilfen mit Samsons Frau und Weakerthans-Live-Aushilfe Christine Fellows, Multi-Instrumentalist Jason Tait und Greg Smith jedoch zahlreiche alte Bekannte bei den Aufnahmen erschienen sind, lenkt die Platte soundtechnisch dann aber eben doch immer wieder vorsichtig hin zur ehemaligen Ausnahmeband aus Winnipeg: Im flott schunkelnden Beinahe-Country von Postdoc Blues etwa, oder dem rockigeren Vampire Alberta Blues. (Interessanterweise übrigens zwei jener Nummern, bei denen sich Samson auf Neil Youngs Klassiker [amazon_link id=“B00009P1O0″ target=“_blank“ ]On the Beach[/amazon_link] bezieht).

Wenn man so will, ist das genau zur passenden Jahreszeit kommende Winter Wheat ein feinfühliger Soft-Reset für John K. Samson. „That hashtag wants me dead“ singt er gleich im unaufgeregt überlebensgroßen Opener Select All Delete, einer behaglich schlafenden Ballade von Meisterhand, und schiebt der Feststellung ein so unheimlich zärtliches „But I don’t mind“ hinten nach. „It’s just another way we grieve/ For all the times we failed to be the ones/ We thought we had the chance to be/…/ And when it gets too complicated/ When you can’t get to sleep/ When the morning seems impossible/ Select all, delete“.
Über seine Plattenfirma lässt der 43 Jährige derweil ausrichten, dass er keinen Zugang zu zeitgenössischen neuen Medien pflegt, sich aber über Postkarten und Briefe an seine Wohnadresse durchaus freue. Ein schönes Bild, das den anachronistischen Charme und Charakter der Platte unterstreicht, die Wohligkeit einer anmutigen Melancholie mit beinahe depressiven Zwischentönen und leisem Optimismus sät, und das so intim in seinen Bann ziehende Winter Wheat voll tröstender Wärme in all seinen vertonten Kurzgeschichten und Alltagsbeobachtungen stets umgibt.

Da begegnet man auf inhaltlicher Ebene im harmoniesüchtigen Fellow Traveler etwa dem Kunstkritiker und Doppelagenten Anthony Blunt oder reist durch 150 Jahre Winnipeg in Oldest Oak at Brookside, während Samson im Titelsong eine liebenswerte Elegie zum Steinerweichen bastelt, Requests sparsam gezupft mit Besenschlagzeug um ein Piano schmiegt oder Capital verträumt in die Nacht sliden lässt. Allesamt so unendlich wunder- wie wertvolle Kleinode zwischen den poetischen Polen des Folk und Indierock. Im sparsam inszenierten, lyrisch bewegenden 17th Street Treatment Centre erfahren wir dann sogar, was Jahre nach Virtute the Cat Explains Her Departure in einer Entzugsklinik passiert, bevor es am Ende tatsächlich noch ein (womöglich finales) Wiedersehen mit Virtute gibt: In der zum Sterben schönen Gänsehaut-Miniatur Virtute at Rest lebt das Andenken an die Katze als Ansporn zu einem besseren Leben in der Erinnerung ihres ehemaligen Herrchens weiter. Das rührt wahrhaftig zu Tränen.
Ein aussöhnendes Finale nichtsdestrotrotz, das zwar nicht jede Wunde schließt, diese aber diese nach besten Möglichkeiten versorgt. Dass die ergreifende Schönheit Winter Wheat bis zu diesem emotionalen Höhepunkt genau genommen um die eine oder andere gefällige Nummer zu wohlwollend um ihren Kern kreist (das unkonventionell für Überraschungen sorgende Drone-Beinahe-Spoken Word-Stück Quiz Night At Looky Lou’s ist textlich zwar wie alles hier über jeden Zweifel erhaben, dümpelt kompositorisch jedoch wenig zwingend; Carrie Ends The Call ruht sich auf selbstreferentiellen Lorbeeren aus; Prayer for Ruby Elm macht es sich bis zu seinem gefühlvoll rockenden Ende etwas zu bequem – immer wieder schimmert eben die Erkenntnis durch, dass Samsons Singwriting im richtigen Bandkontext doch deutlich mehr Spannung erzeugen konnte), verzeiht man nur zu gerne: Nicht nur deswegen, weil es schließlich nichts mehr gibt, dass der Magie der Weakerthans auch nur ansatzweise näher käme, als John K. Samson solo.

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