John K. Samson, Christine Fellows [11.05.2017: Orpheum Extra, Graz]

von am 14. Mai 2017 in Featured, Reviews

John K. Samson, Christine Fellows [11.05.2017: Orpheum Extra, Graz]

Noch schöner, als das Soloschaffen des John K. Samson mit Fokus auf dem wunderbaren 2016er-Highlight Winter Wheat serviert zu bekommen, kann eigentlich nur sein, dieses im Rahmen eines ausführlichen The Weakerthans-Potpourris zu erleben.

Obwohl sich Samson spätestens mit seinem letztjährigen Zweitwerk stilistisch auch eine eigene kleine Nische im liebgewonnenen Trademark-Indierock-Hohheitsgebiet der Weakerthans gebaut hat, führt der Kanadier mit seinen nominellen Alleingängen gefühltermaßen doch vor allem das Erbe seiner ehemaligen Band rund um wunderbare Geschichten voller kleiner Weisheiten und mutiger Katzen fort. Eine nahtlose Staffelübergabe, die ein bisschen auch deswegen nicht nur stilistisch und thematisch greift, weil Samson solo auf Tour eben genau so relativ zu verstehen ist, wie Samson solo auf Platte.
Es gibt zwar Momente, an denen die Bühne ganz alleine dem 44 Jährigen gehört (auf dieser Tour etwa (Hospital Vespers), One Great City oder das abschließende Gänsehaut-Titelstück der aktuellen Platte – allesamt vor Intimität und Charisma übergehende Szenen der Unmittelbarkeiten, die mit einer solchen Selbstverständlichkeit die Brücke zwischen weicher Melancholie und subtil die Seele streichelnden Trostpflastern schlagen, dass einem ein ums andere Mal das Herz mit Klos im Hals und Lächeln auf den Lippen aufgeht).

Doch wie schon auf Winter Wheat selbst greifen Samson auf der aktuellen Tour alte Freunde mit familiärer Bandeunter die Arme: Mit Greg Smith (als bisweilen ausgelassen posender Salonlöwe im jugendlichen Outfit) am Bass und Jason Tait (mit stoischer Miene den Rockabilly pflegend kommt ihm auf der Bühne nicht einmal der Ansatz eines Lächeln aus) an den Drums stehen praktisch drei Viertel der Weakerthans auf der Bühne, wo Christine Fellows den Hintergrund mit Synthies, Melodica und einer gesunden Portion Enthusiasmus neben dem restlichen Instrumentarium ausfüllt.
Das ist so liebenswürdig, dass Fellows gemeinsam mit ihrem mittlerweile Vollbart tragenden Frontmann-Gatten optisch und gestikulär irgendwo sogar den zutiefst sympathischen Eindruck vermitteln, das Indie-Paar aus Winniepeg nur zu gerne als Nachbarn zu haben. Was keineswegs als forcierte Harmlosigkeit misszuverstehen ist. (Aber Samson alleine jedes Mal zufrieden schmunzeln zu sehen, wenn Fellows da und dort wie etwa in Fellow Traveller mit zärtlichen Backinggesängen unterstützt, hat schon was).

Kraftvollen Songs wie (dem nach amüsant verpatztem Einstieg aufzeigenden) Plea from a Cat Named Virtute mag in dieser Konstellation zwar die zwingende Leadgitarre fehlen, doch bratzen Samson und seine Band (mal zu viert, mal nur zu dritt) bisweilen dennoch munter drauf los, legen das weitreichende Songmaterial bei Gelegenheit auch schon einmal elaborierter und impulsiver an, als auf Platte – kippen Songs unmittelbar in den nächsten, streunen selten aber doch jammender. Überhaupt ist ab Sun in an Empty Room ein angenehmer Zug nach vorne zu bemerken: Die Balance zwischen all den Nuancen des Samson’schen Songwritings gleitet von elegisch bis energisch – der Rock in der Substanz wird dabei aber nicht selten doppelt unterstrichen, ohne seine Liebenswürdigkeit, Schläue und Empathie aufheben zu müssen.
Songs von Winter Wheat (auf dem natürlich das Hauptaugenmerk liegt) und Glanztaten wie dem jazzigen The Last And von Provincial fügen sich da stilistisch und besetzungstechnisch wie selbstverständlich neben unsterbliche Schönheiten der Klassiker [amazon_link id=“B001RZGMTK“ target=“_blank“ ]Left and Leaving[/amazon_link], [amazon_link id=“B0000AN3IX“ target=“_blank“ ]Reconstruction Site[/amazon_link] und [amazon_link id=“B000VS8UYY“ target=“_blank“ ]Reunion Tour[/amazon_link]. Dazu zeigt sich das Publikum im gut gefüllten (und wie immer toll klingenden – alleine wie warm der Sound im Opener Select All Delete aufgeht) Orpheum Extra nicht nur bei One Great City!– zögerlich aber doch – textsicher, obgleich es dem immer wieder merklich zufriedenen Samson vor allem gebannt an den Lippen hängt.

Spätestens beim [amazon_link id=“B000XCWEDQ“ target=“_blank“ ]Fallow[/amazon_link]-Hit Aside ist dann nicht nur allgegenwärtige Glückseligkeit zu spüren, sondern sogar mitreißende Euphorie: Der einzige Vertreter des Weakerthans-Debüts zündet bei weiten Teilen der Zuseher offenbar am ansteckendsten. Da macht es dann auch gar nichts, dass trotz der halben Setliste aus Weakerthans-Juwelen persönliche Favoriten wie (Manifest) oder Virtute the Cat Explains Her Departure, auch das unsterbliche Left and Leaving– zwangsläufig – fehlen.
Denn dass an diesem Abend dennoch ein nahezu wunschlos entlassendes, rundes Gesamtpaket serviert werden würde, diese Erkenntnis steht allerdings ohnedies bereits zu Beginn. Dass die wunderbare Christine Fellows den Support-Slot übernimmt, hat nämlich nicht nur romantische Gründe, sondern alleine schon praktische: Mit minimalistischen instrumentalen Mitteln lässt die 49  Jährige über kurzweilige 25 Minuten ihr zauberhaften Charisma in unspektakuläre Singer-Songwriter und Folk-Kleinode fließen, hat mit kleinen Anekdoten die Lacher auf ihrer Seite (nein, man merkte nicht, dass sie zweimal während eines Songs niesen musste!) und stimmt mit einer nerdigen Nachdenklichkeit irgendwie niedlich, irgendwie schlau und auf jeden Fall ideal auf Samson ein.
Der trägt dann zwar nicht das passende Oberteil zur verschmähten Lederhose, das er sich tagsüber beim Shopping in der Stadt zugelegt hat, hinterlässt aber auch so genug Eindruck: Ohne großes Spektakel ist das einer dieser Abende, von dem man noch lange wird zehren können – für den man den MusikerInnen und den veranstaltenden Jungs von Indiepartment und Platoo unendlich dankbar sein muss.

Setlist:
Select All Delete
Sun In An Empty Room
Postdoc Blues
Reconstruction Site
Alpha Adept
Vampire Alberta Blues
(Hospital Vespers)
One Great City!
17th Street Treatment Centre
Bigfoot!
Fellow Traveller
Confessions of a Futon-Revolutionist
The Last And
Plea from a Cat Named Virtute
Cruise Night
Requests
Winter Wheat

Encore:
Pamphleteer
Aside
Utilities
Virtute at Rest

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1 KommentarKommentieren

  • ido care - 21. Mai 2017 Antworten

    hi!

    konnte leider nicht dort sein, gibt es noch mehr fotos?

    lg

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