John Carpenter – Lost Themes

von am 13. Februar 2015 in Album

John Carpenter – Lost Themes

Für den von Drive losgetretenen Hype mag John Carpenter mit seinem ersten Soloalbum ein wenig zu spät dran sein – der Konkurrenz marschiert er mit zeitloser Klasse dennoch ein Stück weit voraus: Der Horror-Meister zelebriert 49 Minuten 80er-Jahre-Synthiescore mit feinem Oldschool-Feeling.

In erster Linie wird Carpenter (ungeachtet dessen, dass seit seinem letzten Film bereits knappe fünf Jahre vergangen sind und seit sein letzter annähernd guter Film bedeutend länger her ist) natürlich auch hiernach als Regisseur und damit Schöpfer solcher zeitloser Geniestreiche wie Halloween, Escape from LA, Big Trouble in Little China, The Thing, The Fog und unzähliger weiterer Klassiker im kollektiven Gedächtnis verankert bleiben.
Dennoch schön, dass Sacred Bones dem 67 jährigen nun die Gelegenheit liefert, der Allgemeinheit in Erinnerung zu rufen, dass der geschulte Musiker Carpenter es seinerzeit nicht nur verstand aus der Not eine Tugend zu machen, indem er durch knappe Finanzmittel gezwungen war, die Soundtracks zu den meisten seiner Filme kurzerhand selbst zu gestalten, sondern durchaus bis heute stilbildende Arbeiten vorlegte. ‚Lost Themes‚ ist nun eine Platte geworden, die einerseits klar in der Vergangenheit verankert ist, im zyklischen Trendfluss aber mit vitalem Retroflair nicht notgetdrungen unmodern klingt, vor allem aber auf Albumlänge ein über zahlreiche Suspence-Szenen geschärfte Gespür für Dramatik vorführt und seinem Titel folgend somit durchaus als potentieller Score für Carpenter Filme funktioniert, die so nur vor dem inneren Auge existieren.

Die imaginative Kraft mit der ‚Lost Themes‚ unmittelbar in seinen Bann zieht, der Sog an Gedankenbildern, die Carpenter unmittelbar erzeugend lostritt, ist in seinen stärksten Phasen schlicht grandios – also zu Beginn und Ende der Platte. Das zauberhafte ‚Abyss‚ arbeitet mit einer klaustrophobischen Schönheit, ‚Wraith‚ entfaltet sich als eine perfekt konservierte Traumlandschaft der 80er. Ausgerechnet ‚Purgatory‚ ist ein melancholischer Fluß nahe an der balladesken Nachdenklichkeit inklusive verschachtelt groovenden Beatgerüst hinten raus,  ‚Night‚ lässt sich ohne konkretes Ziel durch die Dunkelheit treiben – ein erstaunlich versöhnliches Finale. Das von melancholischen Pianoakkorden aufgefangene ‚Vortex‚ stampft am anderen Ende hingegen neongrell pulsierend wie ein audiovisueller Thriller; ‚Fallen‚ glimmert nachdenklich in sphärischen Klangwelten, bevor der Terror langsam ins Unterbewusstsein kriecht. Das hetzende ‚Obsidian‚ hämmert mächtig und schwingt sich zu hymnischen Melodiebögen auf, die erstaunlich präsenten E-Gitarren-Sounds flirten mit dem Epischen, das Wechselspiel mit ambienten Ruhephasen gelingt über knapp neun Minuten als dynamischer Husarenritt, der wie die meisten Kompositionen gefühltermaßen allerdings gar zu abrupt endet. Dennoch nicht das einzige Theme, zu dem man gerne den Film sehen würde.

Bereits hier zeigt sich auch, dass Carpenter auf ‚Lost Themes‚ weitaus weniger minimalistisch zu Werke geht als auf seinen frühen Werken, mit seinen Co-Composern Cody Carpenter und Daniel Davies zu einer deutlich ausladenderen Herangehensweise als Songwriter neigt und nicht selten irgendwo zwischen Harold Faltermayer und Goblin verankert direkt im digital/analogen Synthie-Prog landet.
Im Mittelteil führt das durchaus zu Längen: ‚Domain‚ hantelt sich etwa optimistisch entlang seiner zu überdrehten Melodien, als hätte Carpenter vor eine Sitcom-Adaption von Castlevania zu drehen,  die Nahtstellen der einzelnen Parts wirken bisweilen arg forciert zusammengeschweißt. ‚Mystery‚ düdelt danach ohne wirklich zwingende Idee vor sich her. Aber selbst wo die Intensität der Platte und einzelner Passagen ein wenig zurückfällt, entfaltet sie sich atmosphärisch und stimmungstechnisch immer noch bestechend dicht konzipiert, ein Adrenalinrausch für das Kopfkino. Braucht man demnächst einen Soundtrack um sich von einem irren Killer durch die Großstadt jagen zu lassen:  ‚Lost Themes‚ wird die erste Wahl dafür sein.

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