Deerhunter – Monomania
Bradford Cox bezeichnet sich als Punk und Terrorist, gibt dazu Konzerte, die schon einmal ausschließlich aus einer einstündigen, angepissten Schleife ‚My Sharona‚ bestehen können. Lockett Pundt spielt hingegen immer noch verträumt schöne Gitarrenlinien, aus dem Pop in dem Sommer getragen. Unter diesen Vorzeichen mutieren die beiden Deerhunter-Vorstände den Sound von ‚Monomania‚ (wieder einmal) aus der restlichen Discographie ihrer gemeinsamen Band: „A very avant-garde rock & roll record“ trifft es weitestgehend.
Deerhunter haben also den Garage-Rock für sich entdeckt. Sie werfen Bo Diddley und die Ramones in den Referenz-Topf, drehen die Verstärker in den roten Bereich bis ‚Monomania‚ rauer und krachiger klingt als all die fünf vorangegangenen Platten der Band aus Atlanta. Vor allem Cox‘ Gesang übersteuert zu jedem Zeitpunkt markant, verzerrt die Stimme des 30 jährigen Selbstdarstellers in jene hallgeschwängerte Dimensionen, die seit Julian Casablancas und ‚Is This It‚ nicht mehr derart prägend bedient wurden. Da heulen also die Gitarren im noiseverliebten ‚Leather Jacket II‚ spielerisch randalierend und exzessiv vor sich her, während sich im Hintergrund die Feedbackeefekte über die oszillierende Melodie stülpen. Deerhunter finden sich im kompakten Jam wieder, während das muntere ‚Dream Captain‚ scheppernd und stampfend klar an den Stones der 60er lehnt: „I’m a poor boy from a poor family„.
‚Pensacola‚ ist dagegen ein zwanglos gallopierender Retro-Rocker wie ihn die Strokes eben nicht mehr schreiben wollen, leichtfüßig und zurückgelehnt inszeniert wie jeder Song auf ‚Monomania‚. ‚Blue Agent‚ gackert verheißungsvoll dahin bis sich der Song vor seinem losbrechenden Finale doch vor jeder Explosion wieder selbst einbremst. Das hippieske ‚Neon Junkyard‚ gibt sich als psychedelischer Ausritt, ‚Back to the Middle‚ als Orgel-geführter Trotzkopf. Der Titelsong dreht die Rückkoppelung gleich zu Beginn auf und fühlt sich auch danach im Erbe von The Velvet Underground wohl, ist die exzentrischste Auslebung der neu entdeckten Liebe zum wohldosierten Krach. Die verhinderten Atlas Sound-Nummern ‚Nitebike‚ und ‚Punk (La Vie Antérieure)‚ korrigieren das Erscheinungsbild von ‚Monomania‚ zum Schluß jedoch nachhaltig – aber nicht im Alleingang.
Denn obwohl sich Deerhunter für ‚Monomania‚ abermals ein ganzes Stück weit neu erfunden und einer kantigen Frischzellenkur (Josh McKay ersetzt Joshua Fauver am Bass, der Lotus Plaza und Balkans-Musiker Frankie Broyles verstärkt die Band an der Gitarrenfront) unterzogen haben – vollends über Bord geworfen hat Quintett unter der Führung von Cox und Pundt alte Trademarks keineswegs. Genau genommen gaukelt die Produktion gar eine deutlichere Zäsur vor, als tatsächlich stattgefunden hat. Überall schimmern ganz klar klassische Deerhunter-Melodien und Ideen aus dem unkomplizierter gewordenen Songaufbau hervor, vor allem hinten raus löst ‚Monomania‚ die angedeutete Kratzbürstigkeit immer entgegenkommender auf. Die Pundt-Komposition ‚The Missing‚ ist etwa als dreampoppiger Ohrwurm mit einlullender Ausrichtung gar nicht weit vom drei Jahre alten ‚Halycon Digest‚ entfernt, das elegant perlende ‚T.H.M.‚ groovt schnaufend an der Schnittstelle zwischen den Alben und ‚Sleepwalking‚ unter strahlendem Sonnenschein swingend in Richtung griffiger und versöhnlicher Pop-Eingängigkeit.
Würde ‚Monomania‚ dabei nicht so derart gefestigt und zielorientiert auftreten, man könnte (wieder einmal) (zu Unrecht) von einem Übergangsalbum der rastlosen und nie-ankommenden Deerhunter sprechen wollen. Richtiger ist allerdings wohl, dass sich Cox und Co. mittlerweile auch den Rock’n’Roll in ihr facettenreiches Indie-Gemisch einverleibt haben. Und Deerhunter spätestens mit Album Nummer 7 an jedem erdenklichen Punkt der Musikgeschichte halt machen könnten.
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