Dead Heavens – Whatever Witch You Are
Walter Schreifels spielt mit der zweiten seiner beiden aktuellen Supergroups authentischen Retrorock. Der gelingt Dead Heavens dann auch wenig überraschend genauso gefühlvoll, wie es die drei Singles vorab in Aussicht stellten – könnte sich in Summe aber öfter aus der dösenden Entspannungszone aufraffen.
Dass seit dem Erscheinen der drei Vorboten History in my Hands, Adderal Highway und Feel Low mittlerweile teilweise auch schon knapp über zweieinhalb Jahre ins Land gezogen sind, dürfte natürlich auch den zahlreichen Betätigungsfeldern der Dead Heavens-Mitglieder geschuldet sein – Rival Schools-Tausendsassa Schreifels tobt sich aktuell ja mit Vanishing Life aus, Jungspund Nathan Aguilar ist bei Cults aktiv, Drew Thomas saß/sitzt bei Youth of Today, Into Another sowie Bold hinter der Schießbude und Zweitgitarrist Paul Kostabi hat die Reputation mit White Zombie und Youth Gone Mad aufgesogen-, passt hier aber irgendwo doch ganz gut ins Bild.
Immerhin ist eine gewisse Zeitlosigkeit ja auch Teil des Konzepts einer Kombo, die derart demonstrativ in der Vergangenheit wühlt und für Whatever Witch You Are nun auch auf Albumlänge einen abgekocht zitierenden Altar für Proto-Heavy Metal, Garage und Bluesrock mit einem Faible für die 70er und dezenter Psychedelic gefunden hat.
Für Ikone Schreifels selbst ist die Ausrichtung seiner neuen Spielwiese sogar die logische Konsequenz seiner musikalischen Sozialisierung: „Die Gorilla Biscuits sind eine der psychedelischsten Bands aller Zeiten. Es gibt da Mundharmonika-Soli auf einem Hardcore-Album, das mit Trompeten eröffnet wird. Auch Quicksand hatten einen Psychedelic-Einschlag – zumindest aus meiner Sicht. Und auch meinem Soloalbum und Walking Concert kann man das nachsagen„.
Darüber lässt sich freilich diskutieren. Dass sich Schreifels und seine damalige Backingband beim Tourbus-Soundtrack – Cream, m b v, White Fences und Graveyard – zu einer Solotour vor einigen Jahren von den richtigen Dingen beeinflussen hat lassen, steht dagegen fest: Whatever Witch You Are atmet den Geist von Vorbildern wie Black Sabbath, Hendrix oder Deep Purple und bearbeitet mit entspanntem Jam-Flair jene Retro-Schneisen, die auch von Zeitgeist-Verweigerern wie Ty Segall, Mother Tongue, Blues Pills oder dem Black Rebel Motorcycle Club freigehalten werden – auf Whatever Witch You Are tun Dead Heavens dies mit einer regelrecht hippiesken Lässigkeit.
In dieser ist die eingefangene Stimmung, die erzeugte Atmosphäre und das transportierte Feeling (davon hat die Allstar-Kombo im kleinen Finger mehr, als andere Bands im gesamten Körper) wichtiger als tatsächlich zwingende Kompositionen. Dass Dead Heavens im New Yorker-Kellerstudio von Kostabi ohne jeden externen Druck an ihrem Debütalbum arbeiten konnten, hört man Whatever Witch You Are auch an seiner grandios organischen Produktion, vor allem aber an seiner grundsätzlichen Zwanglosigkeit an.
Abseits einzelner Ausreißer des locker hinausgehauenen Hook-Ohrwurms Away from the Speed oder des immer noch auf der Überholspur cruisenden Adderall Highway lassen Dead Heavens gar nicht erst den Eindruck aufkommen, den unbedingten Zug zum Tor erzwingen zu wollen. Schon das sich selbst blockierende Basic Cable klingt, wie Tweak Bird das nicht mehr können, auch der nonchalant nach vorne gelehnte Kiff-Rocker Bad Luck Chold übt sich in dröge-leichtgängiger Schwerfälligkeit.
Whatever Witch Your Are fließt und mäandert also lieber, als dass es wirklich packt; köchelt entspannt weggetreten mit dem Kopf im Nebel; folgt unaufgeregt dem polternden Groove um die wuchtig rollenden Drums und die legeren Wah-Wah-Gitarren; den wohl betont unbeteiligt cool gemeinten, aber schon an der Grenze zur Langeweile leiernden Vocals von Schreifells (ein bisschen mehr kraftvolle Emotionalität wäre da schon fein gewesen!) sowie all dem knarzenden Hall im Sound. Im Songwriting an sich bleibt das stilistisch formidable Revival allerdings eben zumeist ernüchternd vage.
Zwar bietet das trotzdem – oder gerade deswegen – einige weitere Highlights: Das tolle The Moon Will Listen (But Not the Sun) drosselt das ohnedies mitunter schwerfällige Tempo für eine schamanenhaft verschwommene Halluzination und pendelt mit viel Blues durch seine trippige Mediation – als würde der Space Cadet von Kyuss auf die elegischen Momente von (den leider schon viel zu lange verschwundenen) Earl Greyhound treffen – während das luftig-verspielte Silver Sea an den Flower-Pop von Love oder der Byrds angelehnt eine entwaffnende Naivität erblühen und kaum stillsitzen lässt.
Keine Frage, das Quartett kann, was es tut – und kommt mit seinem die Dynamik immer wieder um Nuancen verschiebenden Debüt grade über die enorm kompakte Spielzeit von gerade einmal 38 Minuten auch herrlich schnörkellos und kurzweilig daher. Auf den Punkt findet es dabei allerdings selten bis nie – Dead Heavens versprechen immer mehr, als es die Spannungsbögen der Platte letztendlich auflösen wollen.
Zu oft – ob nun im mit zu wenig Biss ausgestatteten Stoner-Jam Gold Tooth oder dem zurückgelehnt schwelgenden Kaleidoskop Experience – verpuffen die Songs beinahe anteilnahmslos in der stilvollen Gefälligkeit; agieren Dead Heavens legerer, als es Whatever Witch You Are wirklich gut tut und schöpfen ihr Potential damit nur ungenügend ab. Vielleicht fehlt da in letzter Konsequenz der Exzess und die Eskalation, vielleicht die Hartnäckigkeit oder vielleicht auch nur der Wille, die Zügel such einmal über längere Zeit enger zu ziehen – sicher aber der letzte Funke, der aus einer rundum guten Platte eine wirklich starke machen würde.
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