Daft Punk – Random Access Memories

von am 20. Mai 2013 in Album

Daft Punk – Random Access Memories

Beinahe ein Jahrzehnt ist seit dem letzten regulären Daft Punk-Werk verstrichen. Kein Anlass für Ausblicke in die Zukunft der elektronischen Musik – vielmehr setzen sich die Disco-Roboter Thomas Bangalter
Guy-Manuel de Homem-Christo als chronistische Anbieter von zweckdienlich Spielwiesen in Szene.


Gleich vorweg: das erst vierte Studioalbum der französischen Elekteopioniere Daft Punk, es ist mit 75 Minuten Spielzeit deutlich zu lange ausgefallen –  und es macht sich allzusehr abhängig von seiner imposanten Gästeliste. ‚Random Access Memories‚ steht und fällt als bedingungslose Annäherung von Daft Punk an die geladene Musikerriege mit der Effizienz, in der die jeweiligen Zusammenarbeiten funtionieren. Denn die wenigen Male, die Bangalter und  de Homem-Christo auf ihrem schier megalomanisch inszenierten Comeback ohne fremde Interaktion auskommen, zeichnet ‚Random Access Memories‚ zwar einen freien Blick auf eine souverän groovende Institution, die mit subtilen Forscherdrang durchaus in Erinnerung ruft, warum Daft Punk zwischen ‚Homework‚ und ‚Discovery‚ Impulsgeber und Pioniere im (französischen) Electro-Pop waren – neue Erkenntnisse oder Innovationen bedeutet dies im Jahr 2013 und der einen oder anderen proklamierten Wachablöse allerdings nicht mehr. Geschmeidige Soul-Schmuser samt typischen Vocoder-Gesang wie ‚Game of Love‚ entpuppen sich so entweder butterweich als amouröser Stimmungs-Soundtrack – oder als billige Digital-Soul-Sex-Klamotten.

Meistens sind die beiden maskierten Franzosen auf ‚Random Access Memories‚ aber ohnedies nicht alleine – und immer dann sind Daft Punk mehr Lieferant von soundtechnisch makellose abgestimmten Lebensräumen für ihre Gäste. Und dann bietet ‚Random Access Memories‚ (die nette Nile Rogers-Eröffnung als eine der wenigen belanglos aber wenig störende Ausnahme) nur zwei Möglichkeiten: entweder die Rechnung geht auf, oder nicht.
Ein ‚Instant Crush‚ etwa plätschert trotz annehmender Julian Casablancas-Gesangslinie so gefällig wie unbeteiligt dahin – dabei sollte der Strokes-Frontmann derartig futuristische Popsongs spätestens seit ‚Phrazes for the Young‚ weniger banal hinbekommen. Die Noah Lennox-Interaktion ‚Doin‘ It Right‚ ist ähnlich aussagelos, nicht mehr (oder weniger) als ein ereignisloser Panda Bear-Song. ‚Lose Yourself to Dance‚ per se als Ausfall zu bezeichnen ginge zu weit, doch steht der Tanzflächenfüller  eindeutig im Schatten der zweiten Pharrell Williams-Kooperation, dem funkelnden Sommer-Aushängeschild der Platte: ‚Get Lucky‚. Beide Nummern sind mehr als alles andere lupenreine N*E*R*D*-Songs, mit funky eingestreuten Gitarrenlicks von Rogers und einem beiläufig gleitenden Williams. Ungeachtet der Tatsache, dass Daft Punk auch hier die sparsamen Ideen, die jedem Song zugrunde liegen über Gebühr strapazieren und allzu ausladend vor sich hin werken/dümpeln: das funktioniert außerordentlich gut!

Wie schwerwiegend der Einfluss von Chilly Gonzales auf ‚Within‚ ausgefallen ist, lässt sich hingegen weniger durch das stimmungsvoll plätschernde Lounge-Klaviers ermessen, als aufgrund der melancholischen Stimmung: selten klangen die Mensch-Roboter herzerwärmender und betrübter. Selbst wenn der Zauber ohne Auflösung arg plötzlich verklingt. Softrock-Ikone Paul Williams darf dann am Mikrofon ausnahmsweise wie eine Nicht-Maschine klingen und menscheln, er macht ‚Touch‚ zur beschwingten Bläser-Popnummer. Ein wunderbarer Ausblick auf die losgelöste Fusion von Anspruch und Unterhaltung, der erhebende finale Gospel-Part adelt ‚Random Access Memories‚.
Ähnlich brilliant gelingt ‚Giorgio by Moroder‚ – eine atmosphärisch überwältigende Fahrt mit dem Midnight Train in die 80er, über Moog-Landschften und maschinelle Synthieflächen. Die so simple wie unfassbar effektive Dramaturgie, mit der der Südtiroler Moroder gelassen einen Monolog über seine musikalischen Anfänge rezipiert gipfelt als wahrer Gänsehaut-Moment: „My Name Is Giovanni Giorgio … but everybody calls me: Giogio“ – und die Bassdrum lässt die Disco in imposanten Neonlicht vibrieren. Großes Kino.

Anything is possible“ orakelt Moroder später. Er meint damit die Perspektiven seiner Karriere, könnte sich genauso gut aber auf die vielversprechende Ausgangslage von ‚Random Access Memories‚ beziehen. Wo Moroder allerdings das Maximum aus den Gegebenheiten zu holen verstand, bricht das vierte Daft Punk-Album neben den kaum zu stemmenden Erwartungshaltungen aber auch unter den hemmungslosen Ambitionen des französischen Duos zusammen. ‚Random Access Memories‚ ist als munteres Zappen zwischen Heldenverehrung und Impulsgebern ein zerfahrenes Schaulaufen geworden, eine Berg-und-Talfahrt zwischen einigen genialen Momenten und vielen ernüchternd fadisierenden Ausfällen.
Bis sich Daft Punk mit DJ Falcon in dem von seinem impulsiven Rockschlagzeug lebenden ‚Contact‚ zu einem letzten, geradezu majestätisch auftrumpfenden Highlight hinreißen lassen, verliert ‚Random Access Memories‚ immer wieder zu deutlich an Spannung und Stringenz, um über die gesamte Spielzeit fesseln zu können. Da hilft erst individuelle Selektion und bizarrerweise wohl auch hier und da ein gesundschrumpfender Radio-Edit. Denn eben: 75 Minuten sind hier einfach zu viel des (meistens) Guten.

06

[amazon_link id=“B00C061HZY“ target=“_blank“ ]Vinyl LP auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B00C061I3K“ target=“_blank“ ]CD auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B00CS36DEE“ target=“_blank“ ]MP3 Download auf Amazon[/amazon_link]

Print article

2 Trackbacks

  • Natalie Imbrulia - Male - HeavyPop.at - […] gerät das Unterfangen allerdings noch durchaus interessant: Imbruglia entelektronisiert das Daft Punk-Original mit getragenen Pianoakkorden, abgedämpfter Akustikgitarre, vereinzelten Streichern und…
  • Pharrell Williams - G I R L - HeavyPop.at - […] Williams nutzt die Gunst der Stunde und wirft im Windschatten der totgenudelten Kooperationen mit Daft Punk, Robin Thickes ‚Blurred…

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen