Caleya – Konvolut
Während die Best of-Listen für 2013 vielerorts bereits fertig geschrieben sind zückt Zeitstrafe zum Jahresende hin noch ein Ass aus dem Ärmel: Caleya prügeln mit ihrem dritten Album einen schwer verdaulichen Brocken zwischen den Schubladen aus ihren Instrumenten und formen ihr bisher vielschichtigstes Werk.
Dafür gehen die fünf Hamburger konsequent den nächsten Schritt: von Midsummer Records hin zu Zeitstrafe, von The Hirsch Effekt Vorstand Nils Wittrock als Stammproduzent hin zur autonomen Eigenregie.
Caleya wissen mittlerweile selbst am besten, wie sie ihre zahlreichen Vorzüge am effektivsten bündeln können: mit Tobias Lietz einen Sänger in den eigenen Reihen zu haben, der über die poetischen Texte zwischen sehnsüchtigem Klargesang a la Geoff Rickly, gesprochenen Passagen, markerschütterndes Wut-Gebell und fiesem, potentiell Black Metalgekreine mühelos umherschalten kann und dazu seine stimmlich bisher weitreichendste Vorstellung liefert. Diese drückende Rhythmussektion im Rücken zu haben, die selbst den kompliziertesten Hakenschlag noch mit genug Punch ausstattet um fein balanciert Zähne zu demolieren und Nacken zu brechen. Und eine Gitarrenarbeit abrufen zu können, die sich abwechslungsreich verspielt und hochkonzentriert mal gnadenlos zupackend gibt, dann schwebend im Raum hängt, mal markante At the Drive-In-affine Post-Hardcore-Finten andeutet, mal mit der Macht des Doom walzt, und bisweilen sogar hellst aufgebreitetes Postrock-Flimmern in den dunklen Hexenkessel zaubert.
Der größte Unterschied – und ja, auch auch Fortschritt, selbst wenn manch einer die Brachialität der Anfangstage vermissen mag – zu seinen Vorgängern ‚These Waves Will Carry Us Home‚ und ‚Trymmermensch‚ gelingt ‚Konvolut‚ aber gerade dadurch, dass er all diese Einzelbausteine geschickter miteinander verbindet, sich zwischen den Extremen aus martialischen Härteattacken und melodisch versöhnlichen Ruhepolen dynamischer und selbstverständlicher bewegt. Caleya müssen nicht mehr über die ganze Zeit die Zähne fletschen, nehmen sich immer wieder zurück und geben ihrem atmosphärischen Genregemisch genug Raum zum atmen und Melodien mehr Raum sich anrissartig zu entfalten, intensivieren die kraftstrotzenden Momente in ihrem fordernden, progressiven Handeln dadurch zusätzlich. Eine gewisse Gleichförmigkeit im eigenen Rahmen des unvorhersehbaren Songwriting kann da als Wachstumsschmerz gesehen werden und lässt ‚Konvolut‚ auf der anderen Seite zum in sich geschlossenen Monolithen verwachsen: Calaya schärfen ihren eigenen Sound. Auf dem persönlichen Wunschzettel stehen jetzt nur noch ausführlichere Instrumentalwanderungen – was sich ja beileibe nicht jede Band leisten kann!
Bis dahin sollte das überragende ‚Sonnenfresser‚ Deafheaven-Fans gleichermaßen Freude bereiten wie Anhängern von Misery Signals und Oathbreaker. Nicht nur der Mittelteil von ‚Nullpunkt‚ schreit mit weitem Horizont „Post Metal“ und sehnt sich gleichermaßen nach den unendlichen Gesteinsschichten von Omega Massif‘s ‚Karpatia‚ wie nach den Untiefen von Isis‚ ‚Oceanic‚, während ‚Signum‚ als Atempause mit melancholischer Sogwirkung dient und das dramatische ‚Irrlichter‚ die Zügel ohne Erbarmen gnadenlos eng Richtung Slo-Mo-Metal mit Screamo-Ansätzen zieht.
Was für einen vielschichtiger Brocken das in Summe ergibt, dieses im ständigen Wandel begriffenene Wechselspiel aus Zuckerbrot und Peitsche, dieser wilde Sturm der fordernden Wendungen: am Silbertablett servieren Caleya ihr grenzensprengendes Konstrukt immer noch nicht (das will und muß erst einmal erarbeitet werden), entlohnen aber mit dem grandiosen Abschluss eines an deutschsprachigen Alben immens starken Jahrgangs.
Wenn die Katharsis ‚Konvolut‚ nach unheimlich dichten und intensiven 36 Minuten anhand einer bärenstarken zweiten Albumhälfte beinahe abrupt entlässt hilft da nur der erschöpfte Griff zur Repeat-Taste. „Momente gleichen Gedichtsfelsen/eingerahmt in Worten aus Perspektive der Zerbrechlichkeit/ gesetzt in Sekundengewichte/ schlagen sie gleich einer tobenden Sinnesflut/gegen karge Bilderufer /und erschweren sie deinen Atem/so sei gewiss/dies ist für immer“ schließen Caleya im interpretationsschwangeren Raum von ‚Gezeitenherz‚ und könnten mit der letzten Zeile auch gut die entgegenschlagende Zuneigung für ‚Konvolut‚ meinen.
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