Brian Fallon – Painkillers

von am 28. März 2016 in Album

Brian Fallon – Painkillers

Brian Fallon befreit sein nostalgisches Heartland Rock-Songwriting auf ‚Painkillers‚ von jedwedem spannungsgeladenen Punk-Spirit und macht auf seinem ersten Soloalbum insofern dort weiter, wo sich bereits die letzten The Gaslight Anthem-Alben in einer gefälligen Belanglosigkeit verlaufen haben – und dennoch endlich wieder mehr richtig als falsch.

Um es gleich vorwegzunehmen: ‚Painkillers‚ ist kein schlechtes Album geworden (auch kein missionarisches – um das wirklich leidige Thema schon eingangs abzuhaken!). Es wird auf lange Sicht und in sporadischen Abständen in seiner unaufdringlichen Nashville-Atmosphäre und catchy-anachronistischen Road Trip-Ausstrahlung vermutlich sogar deutlich öfter auf dem Plattenteller landen, als die bemüht-beliebige Plansoll-Erfüllung ‚Get Hurt‚. Dafür werden alleine Songs wie die liebliche Akustikminiatur ‚Steve McQueen‚ mit ihrer verinnerlichten Vergangenheitsliebe auf emotionaler Ebene sorgen, das von Gospel-Handclaps getragene ‚Smoke‚ mit seinem inbrünstig vorgetragenen Herzblut-Gesang (gepresst heißt hier ausnahmsweise nicht bloß Routine) oder poppig-zugängliche Ohrwürmer wie die beschwingt-leichtgängige Lovesong-Anlehnung an das alte Springsteen-Credo ‚Nobody Wins‚ in all seiner vergänglichen Zuneigung.
Dazu holt Fallon gleich mit dem stampfenden ‚A Wonderful Life‚ nahtlos die Kaufkraft des The Gaslight Anthem-Lagers an Bord (müsste er nicht, weil ‚Painkillers‚ die eindeutige Nähe zu den Horrible Crowes ohnedies besser steht), auch ‚Rosemary‚ wird mit seinem Tribut-Glockenspiel und entspannten Zug zum Tor zumindest einen Großteil der wartenden Langeitfans seiner derzeit ruhenden Stammband unmittelbar kriegen und zumindest niemandem sonst weh tun – dafür ist letztendlich selbst das eingestreute  Gitarrensolo zu zahm und wenig bissig gespielt. Aber das ist eben das Naturell dieses Albums.

Painkillers‚ ist eine Platte geworden, die man anstandslos lieben kann, wenn man Fallon’s typisches Songwriting rund um Sepia-Nostalgie, traditionsbewusste Romanzen zwischen Oldsmobilen, Schallplattenspielern und retroschicker Kleidung, allgegenwärtiger „Ohoho„-Chöre (weniger Stadion diesmal, als Lagerfeuer oder Western-Kneipe) und niemals konkreter zelebrierter Bruce Springsteen-Anleihen grundsätzlich mag; und der man dann vermutlich selbst unaufregende Pflicht-Bagatellen wie ‚Mojo Hand‚ anstandslos verzeihen wird. Weil ‚Painkillers‚ eben ungeachtet all dieser längst durchdeklinierten Zutaten anstandslos durchläuft und stets so verdammt nett und gefällig zu hören ist – nebenbei. Beim Autofahren (dem Sonnenuntergang und den Liebsten zuhause entgegen) oder immer dann, wenn man ignorieren kann, dass die versammelten 41  Minuten in Wahrheit nur sehr selten wirklich packend ausgefallen sind.
Painkillers‚ ist nämlich auch eine Platte geworden, die man problemlos mehr als nur ein bisschen langweilig finden kann, selbst wenn man dem Handwerk des 36 Jährigen Fallon grundsätzlich  positiv gegenüber steht. Denn entlang altbekannter Bausteine ist ‚Painkillers‚ über weite Strecke doch auch ermüdend vorhersehbar ausgefallen, da helfen selbst instrumentale Ausflüge mit Bottleneck und Banjo im Lovesong ‚Long Drives‚ wenig, Slidegitarren oder die generell deutlicher denn je in einem ungefährlichen Country und Americana dümpelnden Ausrichtung der Kompositionen – die bisweilen schon auch vorführen, wie relevant und mutig der Boss selbst auf durchwachsenen jüngeren Platten wie ‚Wrecking Ball‚ und ‚High Hopes‚ agieren konnte.

Wo sich Springsteen auf seinem Spätwerk durch kleine Kniffe (ein wenig Celtic-Feeling hier, Tom Morello als Blutauffrischung da) durchaus neue Facetten abzuwringen versucht, gewichtet Fallon sein Songwriting auf ‚Painkillers‚ zwar weniger rockorientiert und mehr auf eine in sich ruhende, gediegene Klasse bedacht als mit The Gaslight Anthem im Rücken. Tatsächlich wandert sein Solodebüt jedoch ohne Risiko ausnahmslos in bekannt erscheinenden Gefilden – und ist dabei eine so zwiespältige wie zuverlässige Angelegehenheit, in vielerlei Hinsicht. Aus dem rebellischen Drang nach vorne ist längst das adäquate Bedienen mit gehobenen Standards geworden, nur funktioniert diese Entwicklung im Solomodus besser als mit Band. Mögen der Platte so einerseits die Ausnahmesongs fehlen, für die Fallon ansonsten immer gut war, entpuppen sich die 12 Songs andererseits nicht nur qualitativ als konsistent, sondern auf souverän-unspektakulärem Niveau gar als grundsätzlich ausfallfrei. Ein Tausch, den man dem Amerikaner im Alleingang absolut nicht nachträgt, im Gegenteil.
Überhaupt begegnet man dem milden ‚Painkillers‚ zwangsläufig wohlwollend, vielleicht haben sich aber auch nur die Ansprüche nach unten korrigiert: Fallon hat also nicht vergessen, wie man eingängige Melodien schreibt, auch wenn er sie abseits der Inszenierung weitestgehend in ähnlicher Form bereits auf seinen vorherigen Alben benutzt hat? Passt so!
Dass der Titelsong trotz seiner auf die Hinterbeine gestellten Wehmut keinerlei Intensität erzeugen kann und als toller Singalong plätschert ist dann ebenso gelungen wie stimmig, weil ‚Painkillers‚ ohnedies nahezu immer an der Oberfläche bleibt, das Schaffen des Brian Fallon mit soliden Standards erwartungsgemäß bedient, aber darüber hinaus nicht weiterentwickelt, trotz gefördertem Einfühlungsvermögen niemals vertieft und sich deswegen am ehesten wie ein geschicktes, sich auf seinen Stärken ausruhendes Zeitschinden anfühlt, das dem bisherigen Euvre außer einer ruhigeren Gangart nicht viel hinzuzufügen hat, aber gerade darin auch seine Vorzüge auslebt: Eine Platte ohne Druck.

Dennoch: Fallon hat sich trotz aller Referenzähe längst eine gewisse Unverwechselbarkeit im Sound erarbeitet (manche werden sagen: kopiert), er bräuchte allerdings wieder einmal einen kräftigen Arschtritt, um dessen Stärken zwingender zu forcieren.
Denn seinen Idolen mag der Mann aus New Jersey mit der Zeitlosigkeit vor Augen motiviert nacheifern – zwischen einer liebgewonnene Vertrautheit tut er dies jedoch mittlerweile leider auch ohne eklatante Ecken und Kanten, aber mit dem angemessenen zuversichtlichen Vertrauen in die nicht abzusprechende Klasse seines Songwritings an sich, hofiert dabei aber eine risikoscheue Gemütlichkeit, die sich ein Gros seiner Säulenheiligen zumeist erst im Alter geleistet haben. Auch deswegen ist ‚Painkillers‚ vor allem ein ablieferndes Stück zweckdienlicher Handwerkskunst und mindestens das beste Fallon-Werk seit ‚Handwritten‚, aber auch kein rundum tolles Album geworden.

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