Boysetsfire – Boysetsfire
Überraschungen abseits der etablierten Komfortzone sind nicht das Ding von ‚Boysetsfire‚. Aber Hey – für stilistische Expansionen und persönliche Innovationen hat sich Nathan Gray ohnedies sein freigeistiges Soloprojekt und die Hassprojektionsfläche I am Heresy geschaffen.
Das zweite Boysetsfire–Album seit der Reunion 2010 kann es sich deswegen leisten, sich selbstbetitelt (eine Ansage!) auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Quintessenz jener Band zu destillieren, die emotionalen Hardcore seit ‚[amazon_link id=“B00008CLN2″ target=“_blank“ ]After the Eulogy[/amazon_link]‚ so adäquat bedient wie kaum jemand sonst. Den Vorwurf, sich geradezu generisch an etablierten Trademarks zu bedienen, auf ‚Boysetsfire‚ eine immanente Vorhersehbarkeit zu transportieren, die sich durchaus auf die Loyalität der eigenen Gefolgschaft verlässt, muss sich die Institution aus Delaware dabei einerseits zwar über weite Teile der 45 Minuten Spielzeit durchaus gefallen lassen, stemmt sich diesem aber andererseits ohne Ermüdungserscheinungen und dem innerlich immer noch lodernden Herzblut entgegen: Die Schlange beißt sich eben nicht selbst in den Schwanz und übertrumpft das bereits sehr gute Comebackwerk ‚While a Nation Sleeps…‚.
Die Balance aus harter Brachialität und hymnischer Melodieführung gelingt zwar nicht mehr immer so ungezwungen wie vor dem Comeback – vor allem das so cheesy wie episch bestechende ‚Torches to Paradise‚ mit seiner gar zu schmalzig daherkommenden Verbrüderungsinnigkeit kann so auch einmal dezent über das Ziel der Zugänglichkeit hinaus schießen; was jedoch vor allem in Summe der emotionalen Achterbahnfahrt ‚Boysetsfire‚ kaum ins Gewicht fällt.
Man hat die Erfahrungen der 2014er-Konzeptkonzerte in einen dynamischen, ausgewogenen Albumfluss übertragen, ein rundes Gesamtwerk geschaffen, dessen enorm starker Beginn mit dem furiosen Dreier aus dem rockigen ‚Savage Blood‚, einem pathosverliebten ‚Cutting Room Floor‚ und dem punkrockend am Ruder reißenden ‚Don’t Panic‚ anstandslos an die Qualität von ‚The Misery Index: Notes from the Plague Years‚ anschließt und dessen Abschluss durch die aufpolierte, sicherlich verbesserte (dem eigentlich idealen Closer ‚Breathe In, Bleed Out‚ schelmisch das Wasser wegballernde) Neo-Version des 2013-Rohdiamanten ‚Bled Dry‚ durchaus Symbolcharakter hat: Boysetsfire sind nahe bei sich selbst, klingen unmittelbar vertraut, aber nicht ausgelaugt oder als reine Dienstleister an der eigenen Legende.
Das bewährte Wechselspiel aus umarmendem Zuckerbrot und nach vorne treibender Peitsche sitzt dabei längst wieder so formvollendet, dass Hits wie ‚Heaven Knows‚ oder ‚Breathe In, Bleed Out‚ erst auf der Zielgeraden ausgespielt werden können. Drumherum knallen die Bretter (der angepisst-aggressive Sprinter ‚The Filth is Rising‚ schleppt sich bis zu einem unheimlich heavy walzenden Metalpart, ‚Coward‚ hämmert sich den Frust von der Seele), zweckdienlichen Routinearbeiten (das nachdenkliche ‚Ordinary Lives‚ funktioniert im Kontext, geht aber im Refrain einfach zu sehr auf Nummer Sicher; ‚One Match‚ ist ein kompakt infizierender Ohrwurm, der nur unter seinem plakativen Text zu leiden hat) und einer beachtlichen zukünftigen Lieblingssongs (wie wird man sich während ‚Fall From Grace‚ im Pit triumphierend in den Armen liegen!) nur so aus allen Rohren.
‚Boysetsfire‚ funktioniert so im allerbesten Sinne als wertkonservatives Qualitätsprodukt, umgeht die Sackgasse der Stangenware mit einer unbändigen Spielfreude und Vitalität, die letztendlich deutlich gravierender wirkt, als die veteranenhafte Zielgenauigkeit der Band, Geschenke am Fließband zu servieren – sich selbst (mutmaßlich: Die werden ihren Spaß daran haben, diese 13 Nummern live rauszuhauen) und den treu ergebenen Fanscharen gleichermaßen (definitiv: Diese Kracher werden live alles zerlegen).
Also: Nein – Boysetsfire sind bis zu einem gewissen Grat absolute Gewohnheitstiere und erfinden sich hierfür kaum einen Millimeter neu. Und dafür ist man schlichtweg dankbar. Wissen doch nur wenige Bands derart punktgenau, atemlos und kurzweilig, wie man sich derart souverän, euphorisierend und befriedigend in der eigenen Komfortzone austobt.
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